Review Urze De Lume – As Árvores Estão Secas E Não Têm Folhas

Mit Sangre De Muerdagos „Noite“ konnte die portugiesische Neofolk-Szene dieses Jahr bereits in den höchsten Tönen von sich reden machen. Allerdings sind die selbsternannten Forest-Folker nicht die einzigen Iberer, die in ebenjenen Musikerkreisen etwas zu sagen haben. Auch URZE DE LUME frönen den rein akustischen Tönen und schließen mit „As Árvores Estão Secas E Não Têm Folhas“ ihre zweiteilige Ode an den Herbst ab. Die Thematik lässt bereits durchscheinen, dass der Folk des Quartetts nicht von der hitzigen, tanzwütigen Sorte ist: URZE DE LUME zielen mit ihrer dritten Platte ganz eindeutig auf ein melancholisch veranlagtes Publikum ab – eigentlich ganz so wie Sangre De Muerdago mit ihrer aktuellen Platte.

An diesem Punkt stellt sich gewiss die Frage, inwiefern „As Árvores Estão Secas E Não Têm Folhas“ die ohnehin schon zum Bersten gefüllte Musiksammlung bereichert, wenn man bereits „Noite“ sein Eigen nennt. Obgleich URZE DE LUME die zahlreichen musikalischen Gemeinsamkeiten mit ihren Landsmännern nicht leugnen können, wäre es doch verfehlt, hier von austauschbarem Liedgut zu sprechen. Ja, URZE DE LUME geben sich in gleichem Maße naturverbunden – das Intro „Sobre Folhas De Carvalho“ besteht etwa gänzlich aus gesampletem Regenprasseln, Vogelgezwitscher und raschelndem Geäst – und ja, auch bei ihnen sind Akustikgitarre und Streicher die primären Mittel zum Zweck.

Anders als ihre Kumpanen belässt es die vierköpfige Folk-Band jedoch weitgehend bei diesem genügsamen Instrumentarium. Perkussionen bekommt man beinahe ausschließlich auf dem feierlich-tänzelnden „Encruzihadas“ zu hören, die anschmiegsamen Flöten hingegen schon etwas öfter, wie etwa auf dem mystischen „Fantasmas Das Horas Mortas“. Von Gesang nehmen URZE DE LUME gar gänzlich Abstand – bis auf ein paar gesprochene Texte bleiben die Songs von menschlichen Stimmen unberührt.

Gerade diese bescheidene Herangehensweise, die in gewisser Weise tatsächlich den Geist ausklingender Sommertage einfängt, verleiht dem Album in Kombination mit der leicht groben, ungekünstelten Einspieltechnik einen urtümlichen Charme. Eintönigkeit lassen URZE DE LUME trotz ihres geruhsamen Songwritings glücklicherweise nicht aufkommen, obgleich man sich von Zeit zu Zeit dabei ertappen kann, einzelne Stücke anfangs noch miteinander zu verwechseln. Ungeachtet dessen ist „As Árvores Estão Secas E Não Têm Folhas“ weit mehr als bloße Hintergrundbeschallung.

Wer den konkreten Vergleich nicht lassen kann, wird vermutlich zu dem Ergebnis kommen, dass Sangre De Muerdago mit ihrem aktuellen Werk ein wenig die Nase vorn haben: „Noite“ klingt als geschlossenes Album eine Spur ganzheitlicher und flüssiger. Für sich betrachtet haben URZE DE LUME mit ihrem dritten Silberling nichtsdestoweniger eine keinesfalls zu unterschätzende Zusammenstellung romantisch-verträumter Herbstlieder geschaffen, auf die die Portugiesen durchaus stolz sein können. Den Bildaufbau des Artworks zu „As Árvores Estão Secas E Não Têm Folhas“ hätten die Neofolker allerdings noch überdenken sollen – das schlichte Foto mit Sepia-Filter und dem aufdringlichen Schriftzug in der Mitte wird dem Album nicht gerecht.

Wertung: 7.5 / 10

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