Review Venomous Concept – Politics Versus The Erection

Wenn man sich die mittlerweile vier Alben und zwei Splits umfassende Diskografie von VENOMOUS CONCEPT ansieht, kann man sich darüber freuen, dass seit dem Release der letzten Full-Length „Kick Me Silly – VC III“ von 2016 „nur“ vier Jahre vergangen sind. Auf ebenjene Platte hatte die Hardcore-Punk-Combo nämlich nach dem zweiten, 2008 veröffentlichten Longplayer „Poisoned Apple“ ganze acht Jahre warten lassen. Kein Wunder, schließlich gilt VENOMOUS CONCEPT gemeinhin als Nebenprojekt allerlei bekannter Gesichter mit zig anderen Spielwiesen, darunter im Line-up des 2004er Debüts „Retroactive Abortion“ noch der große Buzz Osborne (u. a. Melvins und Fantômas) und später Dan Lilker (u. a. Anthrax, S.O.D., Nuclear Assault, Brutal Truth).

Aktuell besteht die Besetzung de facto aus der Live-Instrumentalfraktion von Napalm Death – also die feste Rhythmusabteilung um Bassist Shane Embury und Drummer Danny Herrera sowie Tourgitarrist John Cooke –, vervollständigt von Frontmann Kevin Sharpe, Sänger der aufgelösten Brutal Truth, mit dem Embury auch bei Lock Up zockt. Dieses Quartett hat nun „Politics Versus The Erection“ vorgelegt und mit dem ausdrucksstärksten unter den nicht durch ihre Subtilität auffallenden Cover-Artworks von VENOMOUS CONCEPT ausgestattet.

Tatsächlich ist es keine Seltenheit in den USA, den Inhaber des höchsten politischen Amtes mit MAD-Magazine-Maskottchen Alfred E. Neumann zu vergleichen – da muss man sich bloß mal an die Bush-Jr.-Präsidentschaft zurückerinnern. Selbst Obama, der nicht gerade für die bodenlose Dummheit steht, die Neumann symbolisiert, scherzte, dass oft gesagt werde, er habe dieselben Ohren. Auch der derzeitige Bewohner des Weißen Hauses bemühte schon den beliebten Vergleich, und zwar im Hinblick auf den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Pete Buttigieg. Nun wird Trump selbst die zweifelhafte Ehre zuteil – und in der Tat bietet die durchgedrehte Orange ja allerlei Zündstoff für wütende Musik, wie sie VENOMOUS CONCEPT machen.

Weit weniger plakativ als das Cover sind indes die Texte ausgefallen. Während kryptische, weil augenscheinlich ohnehin auf Unsinn ausgelegte Lyrics wie in „Mantis Toboggan“ (ein Charakter aus einer US-Sitcom) die Ausnahme bleiben, nennen VENOMOUS CONCEPT keine Namen, sondern zeichnen allgemeingültigere, negative Bilder von der Welt und der Gesellschaft, von einem zersetzten System, charakterisiert durch Chaos und Spaltung, durch Hass und Angst, durch Wut, Verzweiflung und Resignation. Sie besingen den Konflikt, den Kampf, den Krieg, Tod, Terror und Täuschung. Dabei liegt es, wie bei den oben genannten Napalm Death, an der Natur der Darbietung, dass von all den smarten Worten nur hier und da einzelne aussagekräftige Fragmente – etwa „Fuck this shit, I’ll burn your dream“ („Lemonade“) oder „Fuck all your nonsense and the air that you’re breathing“ („Hole in The Ground“) – einigermaßen verständlich aus den Boxen dringen. Denn VENOMOUS CONCEPT bieten auf „Politics Versus The Erection“ vor allem eins: lärmenden, lautstarken Grindpunk.

Dabei verbindet das Quartett die kompromisslose Brachialität von Hard- und Grindcore mit der Eingängigkeit von Punkrock zu einer schlagkräftigen Mischung, die den Hörern folglich auf der einen Seite massig und zielgenau Ohrfeigen verpasst, sie aber auf der anderen Seite mit dem Wunsch zurücklässt, die Platte gleich noch mal zu abzuspielen. Gekonnt werden eher im Midtempo angesiedelte Nummern wie der Opener „Simian Flu“, der fette Rocker „Septic Mind“ mit bratigen Riffs und polterndem Drum-Part oder das geradlinige „Broken Teeth“ mit Uptempo-Tracks wie dem an S.O.D. erinnernden „Eliminate“, dem eine brüllende Gitarrenwand auffahrenden „Lemonade“ oder dem ungezügelten Stürmer „Colossal Failure“ alterniert. Innerhalb der Tracks sorgen VENOMOUS CONCEPT mit sinnvoll gesetzten Tempowechseln, Blast-Attacken oder unkonventionellen Schlagzeugrhythmen für Abwechslung.

In dieser Hinsicht fällt vor allem „Promise“ auf, das neben vom simplen Punkbeat abweichenden Drum-Patterns auch an Post-Hardcore erinnernde, dissonante Leadgitarren zu bieten hat, die später in „Carrion“ wieder aufgegriffen werden. Darüber hinaus ist es auch die einzige Nummer, die in den Texten so etwas wie Hoffnung durchblicken lässt. Nicht nur hier bemerkt man die gelegentlich auftretende Ähnlichkeit von Kevin Sharps Stimme mit der eines wütenden Mike Patton, auf dessen Label Ipecac das Debütalbum erschienen ist. Sharps Darbietung umfasst neben heiseren Shouts im Wesentlichen wütende bis verzweifelte Screams, die zuweilen auch mal das Mikrofon zum Übersteuern bringen.

Abgeschmeckt wird der Mix mit dem ungestümen 53-Sekunden-Prügler „Hole In The Ground“ und dem thrashigen Blast-Chaos „Mantis Toboggan“ (inklusive eingespieltem Quatsch-Ohrwurm), ehe „Politics Versus The Erection“ mit dem Titeltrack – einem Quasi-Instrumental mit donnernden Drums und post-punkig wabernden Reverb-Gitarren – ein beklemmendes, dystopisches Ende findet. Wenn die Aufgabe lautete, den US-Hardcore-Veteranen Poison Idea erneut Tribut zu sollen (man vergleiche die nicht zufällige Bedeutungsähnlichkeit der Bandnamen), so haben VENOMOUS CONCEPT wieder ganze Arbeit geleistet. Doch auch ohne Vorbilder im Hinterkopf ist die vierte Platte der Truppe ein starkes Stück musikalische Gegenkultur und ein passender Soundtrack für die momentan herrschende verrückte Zeit geworden.

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Wertung: 8 / 10

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