Review Zirp – Drehvolution

ZIRP – nein, nicht die Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz wandelt neuerdings auf äußerst experimentellen musikalischen Pfaden, sondern drei junge Männer mit Verstärkung im Gepäck, die der eher aus der traditionellen Musik bekannten Drehleier eine revolutionäre Frischzellenkur verpasst haben.

„Drehvolution“ lautet der vielversprechende Titel des Debütalbums des Dresdener Trios ZIRP und es sei bereits an dieser Stelle erwähnt: die Platte trägt ihren Namen zurecht! Durchweg erfrischend und hier und da mit einer Überraschung versehen überzeugt das Projekt von der ersten Minute an. Das Hauptaugenmerk liegt, wie der Titel bereits unschwer vermuten lässt, auf der Drehleier, um deren charakteristischen Klang auf gekonnte Weise ein musikalisches Netz von Drums, Gitarren- und Flötenklängen gewebt wurde. Eindrucksvoll beweisen die drei Musiker, dass das Borduninstrument keinesfalls nur zur mittelalterlichen Marktmusik oder zu antiquierten Folkinstrumenten gezählt werden darf, sondern auch wunderbar in modernen Arrangements wirken kann. Hier treffen Walzer, Polonaise und Polka auf Rock, Pop, Folk sowie Lounge-Musik und verschmelzen auf so eindrucksvolle Art und Weise miteinander, dass sich der Hörer unweigerlich die Frage stellt, warum der „Drehleier Fusion Folk“ erst jetzt entdeckt wurde. Die Bandbreite an entlockten Tönen kennt scheinbar keine Grenzen und wird auch den passioniertesten Drehleier-Hörer noch überraschen. Eben noch präsentiert sich das Streichinstrument im altbekannten Sound („A Reel Intro“), werden im nächsten Song die Töne bereits elektronisch verstärkt und verzerrt („La Toupie“, „Schottisch Lounge“). Somit bietet damit sowohl Tanzwütigen wie auch Genusshörern ausreichend musikalischen Stoff.
Neben der angenehmen Titelauswahl besticht auch das musikalische Geschick der Drei bzw. Fünf. Besonders beeindruckend ist hier das Drehleierspiel von Stephan Groth, der es nicht nur bei Zirp und Liederlicher Unfug versteht, der Drehleier ein Eigenleben einzuhauchen, sondern seit Januar 2012 als festes Mitglied bei Faun im wahrsten Sinne des Wortes am Rad dreht. Doch was wären die schönsten Titel ohne passende Unterstützung durch Gitarre, Drums, Kontrabass und Co.? Auch hier muss der Ehrlichkeit halber gesagt werden, dass das Zusammenspiel zwischen Leadinstrument und Untermalung einfach perfekt gelungen ist.
Wer an dieser Stelle immer noch nicht überzeugt ist und sich dem Gedanken hingibt, dass ein reines Instrumentalalbum ab einem gewissen Punkt immer Langeweile verspricht, dem sei gesagt: Weit gefehlt! Durch den Abwechslungsreichtum, den die Band mit ihrer Auswahl an wenigen ruhigen, eher träumerisch angehauchten Stücken („El Vals“) und den darauffolgenden tanzbaren Tracks geschaffen hat, wird keine Sekunde an solche Gedankengänge verschwendet. Hinzu kommt, dass „Drehvolution“ sowohl unbewusst als angenehme Hintergrundmusik dienen, aber ebenso bewusst in allen seinen Facetten genossen werden kann.
Und auch die CD-Hülle muss hier Erwähnung finden. Als ob das musikalische Können der Jungs nicht bereits überzeugend genug wäre, so setzen Zirp mit ihrer Booklet-Gestaltung dem Ganzen noch ein Sahnehäubchen auf. Neben kurzen Infos zu den jeweiligen Stücken finden sich hier Kommentare und Anekdoten, die einem ein Schmunzeln entlocken. Ebenso die Illustrationen, die allesamt mit einem Augenzwinkern versehen sind und den Eindruck des gesamten Projektes auf eine angenehme Art und Weise abrunden.
ZIRP beweisen mit ihrem Erstlingswerk nicht nur, dass sich Traditionelles und Experimentelles zu etwas Großartigem verbinden lassen, sondern müssen sich damit auch einer unausgesprochenen Forderung unterwerfen. Denn der Siegeszug des Drehleier Fusion Folks hat gerade erst begonnen und es wäre kaum zu verantworten, diesen vielversprechenden Pfad nicht weiter zu verfolgen.
In diesem Sinne: Viva la Drehvolution!

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Uschi Joas

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