Interview mit Douglas A. Ott von Enchant

Enchant ist eine, in Deutschland recht populäre ( Platz 92 der Album-Charts! ) Progressive Rock-Band mit einer leichten Grunge-Schlagseite von der amerikanischen Westküste, auf die ich durch einen Tipp von Spocksnose aufmerksam wurde. Innerhalb von wenigen Wochen verfiel ich ihrer Musik völlig, und so entstand das Bedürfnis, ein Interview mit der Band zu führen. Ich wandte mich per e-Mail an Bandleader und Gitarrist Douglas A. Ott, der gleich zusagte und meine Fragen ebenso schnell beantwortete. Das übersetzte Interview inklusive des englischen Originals sehr Ihr hier.

1. Die Band fand im Jahre 1989 zusammen, damals unter dem Namen “Mae Dae”. Warum hat es ganze fünf Jahre gedauert, bis Ihr Euer Debütalbum „A Blueprint of the World“ veröffentlich habt?
[Douglas Ott] Es hat so lange gedauert, einen Plattenvertrag zu bekommen. Sobald wir unter Vertrag ständen, brauchten wir nur 3 Monate, um das Album aufzunehmen.

2. War es schwierig, in der Bay Area der USA, die für ihre Thrash Metal Szene berühmt ist, Erfolg mit einer Progressive Rock Band zu haben?
[Douglas Ott] Ja, es war nicht einfach, aber wir zählen auf Europa als unsere Fanbase. Manchmal wäre es nett, mehr Aufmerksamkeit in den Staaten zu bekommen und es wird auch immer besser, aber atemberaubend ist es nicht.

3. Glaubst Du, dass Ihr die Popularität, die Ihr heute geniesst, hättet erreichen können, ohne mit Prog-Legenden wie Dream Theater, Marillion oder Spock\’s Beard zu touren?
[Douglas Ott] Mit großartigen Bands auf Tournee zu gehen hilft immer, aber unser erstes Album verkaufte sich wunderbar, ohne dass namhafte Bands uns aushalfen, also bin ich mir nicht sicher, ob es unseren Verkaufszahlen wirklich half. Ganz zu schweigen von dem kleinen Vermögen, das es uns kostete, mit Marillion & Dream Theater auf Tournee zu gehen. I denke, dass unsere Popularität, wie klein sie auch sein mag, eher vom Machen guter Musik und Mundpropaganda kommt als von kurzen Tourneen mit großen Bands. Das, und eine gute Plattenfirma die uns bewirbt ohne Ende!

4. Die meisten der neueren Prog Bands bezeichnen Dream Theater als eine ihrer Lieblingsbands? Wie weit wurde der Stil von Enchant von der wichtigsten Prog Band der USA beeinflusst?
[Douglas Ott] Nun, ich habe die Band immer gemocht. Ich kann allerdings nicht sagen, dass sie uns sehr beeinflusst haben. I schätze wirklich, was sie machen, aber es ist nicht, was ich machen möchte. I messe den Einfluss einer Band auf mich daran, wieviele ihrer Songs ich auseinandergepuzzelt habe. Von DT habe ich nur Erotomania auseinandergepuzzelt. Von Queensryche oder Marillion, zum Beispiel, kenne ich so ziemlich jeden Song. Bands wie Rush, Saga & Genesis haben mich mehr beeinflusst, denke ich. Ich stimme Dir allerdings in dem Punkt, dass sie die wichtigste amerikanische Prog Band sind, zu; der Enthusiasmus, mit dem sie sich dem Genre widmen, hat vielen neuen Bands die Tür geöffnet, die sonst wohl nicht die Gelegenheit gehabt hätten, sich in diesem Land einen Namen zu machen, Danke, DT!
5. Einige Deiner Riffs und Leads, besonders auf “Blink of an Eye”, erinnern mich ein wenig an John Petrucci auf “Images and Words” ( vergleiche “My Everafter” und “Metropolis Pt.1” ). Würdest Du ihn als Inspirationsquelle für Dich als Gitarristen bezeichnen?
[Douglas Ott] Nein. John ein ein meisterhafter Gitarrist und spielt in einer ganz anderen Liga als ich! Meine Inspirationsquelle als Gitarrist sind hauptsächlich Lifeson ( Alex Lifeson, Rush – Anm. d. Verf. ), Schon ( Neal Schon, Journey – Anm. d. Verf. ), Rothery ( Steve Rothery, Marillion – Anm. d. Verf. ) und Ian Chrichton von Saga. In meinen jüngeren Jahren habe ich viel Metal gehört, also ist auch etwas von Rhoads, Schenker, Yngwie etc. im Mix enthalten, aber es geht mir hauptsächlich um Melodie und nicht um Geschwindigkeit. Der Vergleich schmeichelt mir, aber ich finde nicht, dass er sehr zutreffend ist.

6. Die beiden Alben “Break” und „Juggling 9 or Dropping 10“ waren deutlich von Grunge beeinflusst. Was brachte Euch zu der Entscheidung, Euch mit Eurem neuen Album „Blink of an Eye“, welches wieder mehr nach klassischem Prog Rock klingt, von diesem Stil abzuwenden?
[Douglas Ott] Break enthielt gewaltige Alternative-Einflüssen, und auch auf J9 gab es einige, aber es war nur ein Teil; ich finde immer noch, dass beide Alben sehr progressiv waren. Mit Blink entschied ich mich, zu tun, was immer ich für cool hielt. Die meisten Stücke wurden im Proberaum als ein „three piece“ ( ??? ) eingespielt, also klangen sie einfach härter. Früher gab es einen Keyboarder, um die Arrangements zu füllen, aber dieses Mal übernahm die Gitarre das Steuer. Ich wollte hart und progressiv gleichzeitg sein. Ich verwendete dieses Mal im Gegensatz zu Break und J9 auch unterschiedliche Gitarrensounds – das hat vielleicht auch was damit zu tun.
7. Der Text von “Under Fire” macht auf mich den Eindruck, als sei er sehr stark vom 11. September 2001 bzw. George W. Bushs Aktionen in Afghanistan danach beeinflusst worden. Ist der Song als Kritik gegen den „Anti-Terror-Krieg“ und seine offensichtliche Sinnlosigkeit gemeint?
[Douglas Ott] Ganz und gar nicht. Es ist eine wahre Geschichte, die mir ein Vietnam-Veteran erzählt hat. Es ist kein Anti-Kriegs-Song, er erzählt einfach eine Geschichte. Wenn Du kannst, stell Dir vor, dass Du im Kampf jemanden töten musst, um Dein Leben zu retten. Eine „töten oder getötet werden“-Situation. Dann siehst Du, dass die Person, die Du getötet hast, ein 18- oder 19-jähriger Junge wie Du ist. Dann hast Du jahrelang Alpträume darüber, wer er war, ob er Frau, Kinder und eine Familie hatte. Es lässt Dich das Konzept des Krieges in Frage stellen. Nicht, dass es falsch, sondern dass es unglücklich ist. Wer weiss, in einer anderen Situation hätte er mit seinem Feind vielleicht ein Bier oder zwei getrunken, anstatt ihn zu töten.

8. Ihr sucht derzeit über Eure Website nach einem neuen Keyboarder, also scheint Ihr dem Internet als Mittel zum Informationsaustausch sehr zu vertrauen. Wie denkt Ihr über das Internet im Allgemeinen, besonders über das schwierige Thema des exzessiven MP3-Sharings?
[Douglas Ott] I denke, dass es ein wunderbares Werkzeug ist. Die MP3-Geschichte ist allerdings ein bisschen außer Kontrolle geraten. Da wir ja selber eine kleine Band sind, ist es klar, dass Filesharing einen negative Wirkung für den Künstler haben kann. Wir machen so schon kaum Geld, und wir können es uns erst recht nicht leisten, unsere Musik gratis abzugeben. Du würdest nicht glauben, wie viele E-Mails ich erhalte, wo nach den Texten zu meiner Musik gefragt wird, die gratis jeder unserer CDs beiliegen! Es ist auffällig, wie viele Leute unsere Musik graits herunterladen. Ich kann mich erinnern, dass ich das ganz Blink-Album auf irgendeiner Filesharing-Seite fand, bevor es überhaupt veröffentlich wurde, d.h. jemand mit einer Promo-CD hat es hochgeladen und das kostet uns Käufer! Fazit: Ich finde, dass Filesharing okay ist, aber einen Künstler zu ruinieren, indem man sein Produkt stiehlt, anstatt dafür zu bezahlen, ist ein Verbrechen.

9. Warum habt Ihr bisher noch kein Livealbum veröffentlicht, obwohl Euer Repertoire mit sechs Studioalben groß genug wäre? Können sich Enchant-Fans in naher Zukunft auf eins freuen?
[Douglas Ott] Nun, wir haben keine Tournee für die letzten zwei Alben gemacht, und es ist praktisch unmöglich, eine Live-CD zu machen, wenn man nicht die Hauptband des Konzerts ist. Eine Headline-Tournee nächstes Jahr ist in Arbeit und wir planen, Ende 2003 eine Doppel-Live-CD rauszubringen, wenn alles läuft wie geplant.

10. Genießt Ihr es, in Europa zu sein und zu touren, in Anbetracht der Tatsache, dass Eure Alben hier den größten Erfolg hatten? Was sind Eurer Meinung nach die Gründe für den enormen Erfolg dort?
[Douglas Ott] Wir mögen Europa sehr; die Fans sind großartig und es ist immer eine Art Urlaub für uns. Der Grund für unseren Erfolg ist einfach: we standen bei einer deutschen Plattenfirma unter Vertrag und hatten jahrelang keine Vertretung in den USA. Unsere Plattenfirma hat dann eine Filiale in den Staaten eröffnet, also fangen wir an, auch in unserem Heimatland Platten zu verkaufen. Wir fingen jedoch in Europa an. Verglichen mit Amerika gibt es in Europa auch einen viel größeren Markt für progressive Musik. Amerikaner sind zu sehr mit Rap und Britney Spears beschäftigt, um auf interessante Musik zu achten. ( Doug Ott ist mein neuer Gott!! ;-) – Anm. d. Verf. )

11. Sollten sich Eure europäischen Fans darauf vorbereiten, Enchant demnächst hier auf Tournee zu sehen? Wenn ja, werdet Ihr Euch auch in Deutschland die Ehre geben?
[Douglas Ott] Nichts bis nächstes Jahr. Allerdings werden wir tatsächlich den Großteil unserer Tournee in Deutschland ( unserem Lieblingsland in Europa! ) abhalten. Daher kommen die meisten unserer Fans.

12. Eine Frage von persönlichem Interesse zum Schluss: Eines Deiner Hobbies sind Videospiele, ebenfall eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Welche Spiele gefallen Dir am besten?
[Douglas Ott] Ich habe vor kurzem eine PlayStation 2 bekommen und spiele seitdem Legacy of Kain: Blood Omen 2, sehr spaßiges Spiel. Außerdem noch Medal of Honor, ein WW2-Spiel, in dem man die Nazis bekämpft, in einer „Der Soldat James Ryan“-Art.

Damit endet das Interview, danke im Voraus für die Antworten.

[Douglas Ott] Vielen Dank. Gute Fragen!

Mit vielen Grüßen,
Gunnar
[Douglas Ott] Danke gleichfalls, ich hoffe, Dich eines Tages auf der Tour zu treffen. ( Worauf Du Dich verlassen kannst! – Anm. d. Verf. )

Pass auf Dich auf,

Doug

Geschrieben am von Metal1.info

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