Konzertbericht: Defeater w/ Caspian, Landscapes, Goodtime Boys

02.02.2014 München, Hansa 39

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Nachdem sie vor zwei Jahren ohne eine neue Veröffentlichung bereits durch Europa tourten, machen sich DEFEATER aus Boston Anfang 2014 mit dem aktuellen Album „Letters“ im Gepäck einmal mehr daran, unter anderem auch deutsche Bühnen zu bespielen. Die Tour steht dabei unter keinem guten Stern, wurde doch kurz vor deren Beginn eine brüchige Hüfte bei Sänger Derek diagnostiziert, welche die geplante US-Tour im Frühjahr zunichtemacht – die Europatermine steht Derek allerdings mehr als tapfer durch, wenn dies auch zufolge hat, dass für Hardcore unübliche Barrieren vor der Bühne aufgebaut werden müssen und Stagedives untersagt sind. Musikalische Unterstützung erhalten Defeater von drei befreundeten Bands: den Instrumental-Rockern Caspian, der Hardcore-Band Landscapes sowie von den Emo-Punkern Goodtime Boys.

Goodtime Boys

Eben jene GOODTIME BOYS betreten pünktlich um 19.30 die Bühne im bereits randvollen Hansa 39 und präsentieren ihren melancholischen Sound irgendwo zwischen Post-Hardcore, Punk und Emo, wobei letzterer Aspekt sich besonders in den sehnsüchtigen Melodien und dramatischen Klimaxstrukturen niederschlägt. Der Sound am heutigen Abend ist glasklar und auch die Band spielt auf den Punkt – alleine der Gesang weiß den ansonsten melodischen und schönen Sound nicht wirklich zu bereichern, da die Stimme einfach zu gepresst und heiser klingt, was sich auch in den Ansagen bemerkbar macht. Gerade weil im übrigen Sound die Melancholie und Sehnsucht dominiert, wirkt der Gesang beinahe etwas unpassend und nüchtern. Dennoch passen GOODTIME BOYS perfekt in den heutigen Abend und machen Laune auf das, was noch kommen wird. Nach einer knappen halben Stunde beendet die Band plötzlich ohne eine Ansage und Verabschiedung ihr Set und das Licht im Hansa 39 geht an – ob dies so geplant war oder ob die Band ihre Auftrittszeit falsch eingeschätzt hat, wird nicht ganz klar.

Landscapes

Nach einer kurz gehaltenen Umbaupause betreten LANDSCAPES, die wie Goodtime Boys aus England kommen, die Bühne. Schnell wird klar, dass die Marschrichtung hier zwar ähnlich emotional, dennoch insgesamt deutlich härter ist, als dies beim Opener der Fall war. Häufig erinnern die verschleppten und wütenden Hardcore-Songs an Modern Life Is War, warten allerdings immer wieder mit Tempoausbrüchen sowie flirrenden Post-Rock-Melodien auf. Auch im Verhalten auf der Bühne zeigt sich die aggressivere Einstellung: Alle Musiker hüpfen wie von der Tarantel gestochen herum, während ihr Sänger immer wieder die Nähe zum Publikum sucht, das zum ersten Mal heute ein wenig mitgeht. Für den Fronter ist dies allerdings zu wenig: Merklich angepisst versucht er mehr Bewegung aus dem Publikum im Hansa 39 herauszukitzeln – ohne Erfolg. Ob die Zuschauer keine Lust haben, auf seine Nennung der anderen Bands des heutigen Abends mit Klatschen zu reagieren, oder ob seine nuschelnde Stimme zu Verständigungsschwierigkeiten beiträgt, bleibt unklar – dass er das Publikum als „hardest crowd ever“ bezeichnet, ist somit allerdings nachvollziehbar. Nach nicht ganz 30 Minuten ist mit einem energiegeladenen Set auch schon wieder Schluss.

CaspianDie Umbaupause wird erneut kurz gehalten und die Überraschung des Abends betritt die Bühne: CASPIAN. Da ich persönlich diese Band schon lange kenne und schätze, bezieht sich die Überraschung darauf, dass die Instrumental-Rock-Band heute mit einer eindeutigen Hardcore-Band zusammenspielt und so für einen – mehr als willkommenen – Stilbruch am heutigen Abend sorgt. In stimmiges Licht gerahmt legt die Band ordentlich los, verträumte Melodien werden von rhythmischen Spielereien, elektronischen Elementen und komplexen Songstrukturen begleitet und immer wieder schlagen mächtige Wall Of Sounds den Zuschauern in den Magen. Der Sound ist nun deutlich basslastiger, was der Stimmung allerdings keinen Abbruch tut und perfekt zu den langen Songs der Band aus Boston passt. Im Mittelteil des Sets spielen CASPIAN einen Song ihrer neuen EP, welcher zum ersten (und einzigen) Mal auch mit Gesang aufwartet und ein wenig an Mogwai erinnert. Schließlich lädt die Band das Publikum am heutigen Abend ein, nach dem Konzert gemeinsam weiterzuziehen und sich den Superbowl irgendwo anzuschauen. Die Zuschauer sind absolut begeistert, was neben dem ständig aufbrandenden Jubel am Ende des 45-minütigen Sets durch die Forderungen nach einer Zugabe deutlich wird, welche CASPIAN allerdings – leider – nicht erfüllen. In ihrer Intensität stehen die Post-Rocker live den heutigen Hardcore-Bands auf jeden Fall in keiner Weise nach und zeigen, warum dieses Genre nach wie vor seine Berechtigung hat.

Setlist CASPIAN:
01. Fire Made Flesh
02. Malacoda
03. The Heart That Fed
04. The Raven
05. Sycamore

Defeater

Wie bereits zuvor wird auch jetzt die Umbaupause extrem kurz gehalten, sodass bereits um kurz vor 22 Uhr das Licht erlischt und sich die Jungs von DEFEATER auf die Bühne begeben. Sänger Derek begrüßt das Publikum, bittet noch einmal darum, nicht über die Barriere zu steigen und ohne weitere Umschweife legt die Band mit „Bastards“, dem Opener ihres neuen Albums, los. Das Publikum bewegt sich zwar, ein wirklicher Mosh-Pit bleibt allerdings weitestgehend aus – das bedeutet aber nicht, dass die Zuschauer im knackevollen Hansa 39 nicht voll dabei wären: Sowohl bei den alten als auch bei den neuen Songs übernehmen sie immer wieder den Gesang, reißen die Hände in die Luft und spenden nach jedem Song begeisterten Beifall. Derek ist trotz seiner Hüfte permanent in Bewegung, animiert das Publikum und kann einfach nicht stillstehen, was so genauso auf seine Bandmitglieder zutrifft.
In der Mitte des Setzt humpelt Derek kurz an den Bühnenrand, schnappt sich eine Akustikgitarre und spielt alleine den ruhigen Song „I Don’t Mind“, bevor der Rest der Band zurückkommt und sie gemeinsam eine rockige Version von „But Breathing“ spielen. Das Set steigert sich nach dieser ruhigeren Einlage in seiner Intensität immer weiter, das Publikum wird zunehmend lauter und frisst der sympathischen Band aus der Hand. Nachdem „Empty Glass“ bedingungslos abgefeiert und „Bled Out“ gebührend mitgesungen und -gefühlt wurde, verabschiedet sich die Band kurz von der Bühne, nur um kurz darauf noch einmal zurückzukommen und mit „Cowardice“ schließlich noch einen Song von ihrem Debütalbum zu spielen, der noch einmal alle Reserven beim Münchner Publikum weckt. Nach einer knappen Stunde verabschieden sich DEFEATER schließlich endgültig von der Bühne.

Setlist DEFEATER:
01. Bastards
02. Warm Blood Rush
03. Dear Father
04. The Red, White and Blues
05. Rabbit Foot
06. A Wound and Scar
07. I Don’t Mind
08. But Breathing
09. No Savior
10. No Shame
11. Empty Glass
12. Bled Out

13. Cowardice

Letters HomeFAZIT: In einem Zustand, in dem andere das Bett nicht verlassen würden und sich sofort auf den OP-Tisch legen würden, spielt Derek gemeinsam mit Defeater eine beeindruckende Show und beweist, warum die Band derzeit zu den spannendsten Hardcore-Bands zählt. Gemeinsam mit zwei Einheizern und Caspian, welche nicht zuletzt ob der Zuschauerreaktion quasi als Co-Headliner bezeichnet werden können, ist das Feierwerk mit seinem tollen und druckvollen Sound einmal mehr Gastgeber eines großartigen Konzertabends.

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