Interview mit Christoph Martin von Alphatraz

Wer Bands wie Memoriam oder Mayhem in den sozialen Medien folgt, könnte in letzter Zeit über die Videos von ALPHATRAZ gestolpert sein: Unter diesem Projektnamen interpretiert der Musiker Christoph Martin Metal-Songs auf dem Klavier. Wie er dazu gekommen ist, was ihn an dieser Arbeit reizt und wie aus einem Death-Metal-Song ein Klavierstück wird, erklärt der Pianist im Interview.

Hallo und danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Alles gut bei dir?
Trotz des weltweiten Spuks geht es meiner Familie und mir gut, vielen Dank! Allerdings gehen meine Frau und ich häufig auf Konzerte, das fehlt uns doch sehr …

Dein Projekt trägt den Titel ALPHATRAZ – wie bist du auf den Namen gekommen?
Früher habe ich instrumentale CDs mit Piano-Songs gemacht. Die Titel der einzelnen Stücke musste ich mir ausdenken, eines hieß „Alphatraz“. So kam es zu dem Namen. Das Projekt ALPHATRAZ bin aber nicht nur ich, sondern auch meine Frau, die sich unter anderem um das Hochladen der Cover auf YouTube und Instagram sowie um die Korrespondenz mit den Künstlern kümmert.

Dein Konzept ist, Songs aus dem extremen Metal auf Klavier zu interpretieren. Es ist anzunehmen, dass du also langjähriger Metal-Fan bist – wie lange spielst du schon Klavier?
Ja, Metal Fan bin ich seit 1979 (AC/DCs „Highway To Hell“). 1980 habe ich angefangen, Orgel zu spielen. Dadurch habe ich viel über die Verbindung von Basstönen, Akkorden und Melodien gelernt. Mit 13 habe ich angefangen, in Bands Keyboard zu spielen.

Spielst du ausschließlich Klavier oder auch andere Instrumente?
Ich habe Popularmusik im Fach Klavier studiert. Außer Klavier spiele ich noch Schlagzeug, Gitarre und Bass. In den letzten Jahren habe ich Produktionen zum Teil komplett alleine eingespielt. Ich mache aber auch Bandcoaching und Band-Workshops und unterrichte – zur Zeit nur online – Piano und Schlagzeug.

Metalsongs auf Klavier umzuarbeiten klingt nach einer Schnaps-Idee, die sich dann verselbstständigt hat. Wie kam es dazu?
2018 hat eine Rockband aus den USA dazu aufgerufen, ihnen Songcover zu schicken. Ich habe ihnen ein Piano-Cover geschickt. Das wurde nicht auf ihrer Homepage hochgeladen – dafür aber jeder, der eine Gitarre halten konnte. Dann hat meine Frau mir vorgeschlagen, Metal-Songs zu covern, weil ich für diese Musik brenne. Fahrt aufgenommen hat das Projekt dann dadurch, dass Karl Willetts (Bolt Thrower, jetzt bei Memoriam) mein Cover mega fand und es überall hochgeladen hat. Inzwischen verwenden auch schon Bands mein Piano-Cover ihres Songs als Intro für Liveauftritte.

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Nach welchen Kriterien suchst du die Songs aus? Sind das deine Lieblingsstücke, Fanwünsche oder eine Mischung?
Am Anfang waren es Lieblingsstücke, mittlerweile kommen viele Anfragen beziehungsweise Aufträge von Bands oder Plattenfirmen. Eine Band aus den USA hat mich um eine längere Fassung gebeten, hier folgt in den nächsten Wochen eine Veröffentlichung.

Tatsächlich spielst du sonst nur ein paar Themen an – quasi wie ein Teaser …
Stimmt, einmal habe ich sogar aus einem Teaser ein Cover gemacht und zwar bei Machine Head.
Einen ganzen Song umzusetzen reizt mich nicht. Wenn eine Band beispielsweise 14 Sekunden lang nur Achtelnoten spielt, wäre eine Eins-zu-eins-Umsetzung auf dem Klavier ziemlich langweilig. Deswegen mache ich lieber mein eigenes Ding aus dem Song.

Wie gehst du dann an eine Umarbeitung eines Songs heran?
Wenn ich das Stück vorher nicht kannte, muss ich es mir zweimal in Ruhe anhören. Beim dritten Anhören setze ich mich ans Klavier und fange an, bestimmte Parts nachzuspielen. Dann beschäftige ich mich – wahrscheinlich auch nachts im Unterbewusstsein – mit dem Song und setze mich am nächsten Morgen wieder am Klavier damit auseinander.

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Gab es auch schon Songs, bei denen du feststellen musstest, dass sie sich – obwohl du sie gerne umsetzen wolltest – einfach nicht eignen?
Aus Indonesien hatte ich den Auftrag einer Plattenfirma, die Death-Metal-Band Jasad zu covern. Das war am Anfang etwas schwierig, aber mittlerweile habe ich ausreichend Routine, sodass ich versuche, jede „Nuss zu knacken“.

Was macht einen Song zum idealen Stück für deine Umarbeitung?
In erster Linie muss mir der Song gefallen. Das können nur einzelne Teile sein, etwa ein cooler Basslauf. Ich improvisiere dann und umspiele das Ganze.

Wie lange dauert es im Schnitt, bis dann deine Version steht, von der Idee bis zum fertigen Video?
Das ist ganz verschieden und hängt vom Song und von der Deadline ab. Manchmal ist der Kopf auch nicht so frei, dann dauert es schon mal länger. Aktuell arbeite ich an drei Coverversionen gleichzeitig.

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Viele Bands teilen deine Beiträge, trotzdem hat ALPHATRAZ in den sozialen Medien noch relativ wenige Follower – ist Klaviermusik einfach nicht jedermanns Sache?
Kann schon sein. Ich freue mich über jeden Follower. Auf Instagram habe ich zwar keine 200 Abonnenten, aber dafür folgen mir viele Bands und Künstler, zu denen ich guten Kontakt habe.

Gab es auch schon Bands (oder Fans), die sich wenig begeistert gezeigt haben, sich vielleicht sogar beschwert haben?
Beschwert hat sich noch keine Band, ab und zu gibt es mal ein Dislike von Fans. Es muss aber auch nicht jedem gefallen. Von den meisten Bands erhalten wir positives Feedback, viele Fans schreiben, dass sie mein Cover sehr berührt. Das freut mich natürlich besonders.

Rammstein hatten ja auf ihrer Stadiontour das Duo Játékok dabei, die Rammstein-Songs auf Piano interpretieren. Könntest du dir auch vorstellen, Konzerte mit deinen Versionen zu spielen?
Bis 2003 habe ich viel Livemusik gemacht, heute bin ich froh, dass ich von zuhause aus arbeiten kann. Ich könnte mir aber auch vorstellen, mal wieder live zu spielen. Da sind schon Sachen in Planung.

Vielen Dank für deine Zeit und antworten – zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Symphonic Metal:
Interessant, vor allem live, aber nicht mein Lieblingsgenre
Klassische Musik: Orff (Camina Burana), Bach
Klavier-Interludes im Black Metal: Hierfür liegt mir gerade ein Auftrag vor, ich mache aber auch Intros
Dein aktuelles Lieblingsalbum: „Verminous“ von The Black Dahlia Murder
ALPHATRAZ in zehn Jahren: Immer noch ein Metalhead, der Konzerte besucht und mit Künstlern arbeitet.

>> alle Piano-Cover von ALPHATRAZ auf YouTube

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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