Interview mit Sergey Terentjev & Evgeny Semenov von Solitude Productions

Seit 15 Jahren versorgen SOLITUDE PRODUCTIONS nicht nur ihre Heimat Russland mit hochwertigem Doom Metal aus der ganzen Welt. Als Teil unseres Label-Specials berichten die beiden SOLITUDE-PRODUCTIONS-Gründer Sergey Terentjev & Evgeny Semenov über die Ursprünge des Labels in einem Fan-Forum, die wichtigsten Releases und Höhepunkte in der Geschichte des Labels.

SOLITUDE PRODUCTIONS gibt es jetzt seit 15 Jahren. Was war eure Motivation, ein eigenes Label zu gründen?
Sergey: In der Tat gab es damals einen starken Aufschwung für das Genre – der Doom wurde viel diskutiert, aktiv gehört. In Russland, Weißrussland und der Ukraine gab es seit den 90er-Jahren viele Gruppen, die verschiedene Doom-Arten gespielt haben, verschiedene Aufnahmen wurden auf Kassetten verteilt, manches war ausschließlich in digitaler Form erhältlich, manche haben ausschließlich Konzerte gegeben. Und viele Musiker und Liebhaber des Genres haben sich auf unserer Website doom-metal.ru versammelt. Irgendwann waren wir der Meinung, dass viele Gruppen, sowohl alte als auch neue, verdient hätten, herausgebracht zu werden, um ihre Zuhörer zu finden.

Wieso habt ihr SOLITUDE als Namen für das Label gewählt?
Evgeny: Das war Sergeys Nickname im Forum von doom-metal.ru. Wir haben da nicht lange drüber nachgedacht, das war eine schnelle Entscheidung.

Wie seid ihr zu den ersten Bands gekommen, die ihr unter Vertrag genommen habt, und wie habt ihr sie von SOLITUDE überzeugt?
Sergej: Hier ist alles sehr einfach. Wie bereits erwähnt begann alles mit einer dem Doom Metal gewidmeten Seite, auf der wir Freunde und Gleichgesinnte fanden. Deshalb waren ihre Alben die ersten. Wir waren froh, unsere Freunde unterstützen zu können, und sie waren froh, ihre Musik endlich auf CD veröffentlichen zu können.
Evgeny: Zu Beginn des Labels arbeitete ich an meinem Funeral-Doom-Projekt Intaglio. Das war die zweite Veröffentlichung, die wir gemacht haben. Das war für die damalige Zeit ein großer Schritt.

Was war die erste internationale Veröffentlichung eures Labels und wie kam der Deal zustande?
Sergey: Das war das Album „From Cosmos To Chaos“ von Heavy Lord. Die Musiker hatten uns angeschrieben, die Musik gefiel uns und wir haben beschlossen, es zu veröffentlichen!

Ihr habt inzwischen viele Bands aus Europa unter Vertrag – Zufall oder Strategie?
Sergej: Unsere Strategie ist der Wunsch, das ganze Spektrum dieses Genres zu präsentieren – mit einer Vielzahl an Gruppen aus der ganzen Welt. Aber letztlich ist die Musik entscheidend, nicht das Ursprungsland.

Was war das wichtigste Album für den bisherigen Erfolg von SOLITUDE?
Sergej: Wahrscheinlich wäre es logisch, die Hörer zu fragen, wann genau sie auf das Label aufmerksam geworden sind. Mir kommt es so vor, als ob das Interesse nach der Veröffentlichung des Ea-Albums „Ea Taesse“ stark zugenommen hat und nun ist dieses Album sehr gefragt und wir sind als die Verleger dieser Gruppe bekannt.
Evgeny: Ich glaube, dass es das wichtigste Album nicht gibt. Jede Veröffentlichung, die wir gemacht haben, hat etwas zum Namen von SOLITUDE beigetragen. Einige mehr und einige weniger, aber Doom Metal ist kein sehr populäres Genre, verglichen etwa mit Heavy oder Black Metal. Aber ich hatte das Gefühl, dass wir etwas Großartiges gemacht haben, als wir „Embrace The Emptiness“ von Evoken neu herausgebracht haben.

Gab es einen konkreten Höhepunkt für SOLITUDE, an den ihr euch immer gerne erinnert?
Sergey: Ja, natürlich, als die erste Person beim Konzert auftauchte und „Danke“ gesagt hat für das, was wir tun. Es war schön zu erkennen, dass unsere Arbeit den Menschen Freude und Erfüllung bringt.
Evgeny: Ich erinnere mich gerne an den Start unseres Doom-Metal-Radio-Streams auf YouTube. Es war das erste Mal, dass ein Label einen Radiostream mit allen seinen Tonträgern gemacht hat, und das ist absolut kostenlos und ohne Werbung.

Gab es auch Tiefpunkte, Momente, in denen ihr an der Zukunft von SOLITUDE gezweifelt habt?
Sergej: Natürlich kamen bei der Krise Bedenken auf, aber wir versuchen immer optimistisch nach vorne zu schauen, trotz aller Probleme.
Evgeny: Das ist eine aktuelle Frage, denn wir haben jeden Tag gesehen, wie die Verkäufe der physischen Medien zurückgingen. Es wurde wirklich schwieriger, diese Tage zu überleben, und wir konnten bereits miterleben, wie einige unserer Partner zumachen mussten. Aber wir hoffen immer noch, dass wir neue Wege finden werden, um zu wachsen und mehr coole Doom-Metal-Platten in die Welt zu bringen.

Wie viele Mitarbeiter arbeiten heute bei SOLITUDE?
Sergey: Der Kern des Labels sind wir beide, aber da sind auch noch ein paar mehr Leute, die uns helfen. Aber jetzt weißt du, „wer hier der Chef ist“. (lacht)

Wie viele Promos hoffnungsvoller Newcomer bekommt ihr jede Woche und wie geht ihr damit um? Hört ihr euch alles an, was ihr bekommt?
Sergej: Natürlich führen wir keine Statistiken darüber, wie viel Promos wir erhalten haben, und die Zahl ist immer unterschiedlich, manchmal herrscht Ruhe, dann strömen die Promos nur so herein. Wir versuchen, alles zu hören, was uns erreicht, obwohl uns natürlich durch die Post oder die Arbeitsbelastung etwas durchrutschen kann. Wenn man sich die maximale Menge an Promos anhört, kann man immer einen unbekannten „Diamanten“ finden.
Evgeny: Etwa drei bis vier pro Woche. Wir hören uns alle an – wenn die Band kapiert, dass wir ein Doom-Metal-Label sind. Wenn wir sehen, dass es kein Doom Metal ist, fällt das direkt durchs Raster.

Im Allgemeinen wird es immer schwieriger, CDs zu verkaufen. Führt das zu großen Problemen für ein kleines Label wie eures?
Sergey: Ja, natürlich, und besonders in Russland. Und für dieses Genre gibt es kein breites öffentliches Interesse. Heute haben in Russland selbst die Plattenfirmen, die kommerzielle Musik herausbringen, Probleme mit dem Verkauf – ganz zu schweigen von denen, die sich mit Underground, Jazz oder Klassik beschäftigen. Viele der „Riesen“ in der Label-Branche wurden lahmgelegt. Wir haben uns aber ursprünglich nicht auf den Kommerz ausgerichtet und wir sind in der Tat ein „kleines“ Label; das hält uns über Wasser.

Aus europäischer Sicht sind die CDs in eurem Shop extrem billig. Sind eure Produktionskosten so viel niedriger oder wie ist das möglich?
Sergey: Ja, etwas niedriger, wobei wir auch versuchen, die Marge so gering wie möglich zu halten, damit die CDs einer großen Zahl an Hörern zur Verfügung stehen – das ist unsere Politik.
Evgeny: Es ist billig, aber die Leute müssen die Mehrwertsteuer zahlen, wenn die CDs ankommen, und die Versandkosten sind höher, sodass es keinen großen Unterschied macht, wenn sie ein oder zwei CDs kaufen. Aber wir haben einige Kunden, die größere Bestellungen machen und finden, dass sie tolle Angebote bekommen.

Seht ihr das als das große Plus gegenüber europäischen Labels im Wettbewerb um starke Bands aus Europa?
Sergey: Nein, das scheint kein entscheidender Faktor zu sein, wenn man unsere Erfahrung und die Erfahrung anderer russischer Labels berücksichtigt.

Welche Strategie verfolgt ihr bei der Vermarktung von Musik auf lange Sicht?
Sergej: Zuerst würde ich hier unseren YouTube-Kanal und unser Doom-Metal-Radio nennen, die für die Hörer interessant sind und es ihnen ermöglichen, neue Bands zu entdecken.
Evgeny: Außerdem arbeiten wir mit verschiedenen PR-Agenturen zusammen und versuchen, für jede Veröffentlichung unser Bestes zu geben. Die Leute erhalten auf jeden Fall Informationen von unserer Website und über die sozialen Medien.

SOLITUDE hat drei Sublabels, BadMoodMan Music, Slow Burn Records und Art of Silence. Was ist die Idee dahinter, wie unterscheiden sich die Labels?
Sergey: Zunächst einmal zu Art of Silence. Dies ist kein Sublabel, sondern eine eigene Reihe von BadMoodMan Music. Ich wollte unbedingt mal ausprobieren, eine limitierte Auflage von Underground-Musik herauszubringen und mir mal die Reaktion des Publikums ansehen. Das hat uns geholfen, Pläne für die Entwicklung von BadMoodMan Music zu machen. BadMoodMan Music wurde ursprünglich geschaffen, um jene Bands zu veröffentlichen, die nicht für SOLITUDE PRODUCTIONS geeignet sind, denn für das Hauptlabel wählen wir die Gruppen sorgfältig nach dem Stil aus, der der erklärten Labelpolitik entspricht. Und Slow Burn Records ist entstanden, um Musik in modernen Richtungen mit dem Präfix „Post-“ zu veröffentlichen.

Lasst uns träumen: Welche Band würdet ihr gerne bei SOLITUDE PRODUCTIONS im Roster haben?
Sergey: Oh, da gibt es viele! (lacht) Aber wenn du Tony Iommi siehst, dann gib ihm bitte Bescheid, dass, wenn er endlich ein neues Soloalbum aufnimmt, wir schon lange darauf gewartet haben!

Und wo seht ihr SOLITUDE PRODUCTIONS in zehn Jahren?
Sergej: Wir hoffen, dass es keine größeren Erschütterungen geben wird, ich möchte meine geliebtes Werk fortsetzen.

Zum Schluss ein kurzes Brainstorming:
Doom Metal: Candlemass
Beste Doom-Metal-Band aus Russland: Nowoj Zavet
Kassetten: Voj – Circles of Eternity (1991)
Vinyl: Novoy Zavet – Apokalypse (1994)
CD: Candlemass – Epicus Doomicus Metallicus Live At Roadburn 2011 (2019)
Streaming:

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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