Konzertbericht: Alcest w/ Hexvessel, The Fauns

18.01.2014 München, Backstage Halle

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Wenn Alcest zum Konzert bitten, ist das eigentlich stets Garant für einen großartigen Abend – wenn sie dabei jedoch mit Hexvessel auch noch eine für sich genommen schon beeindruckende Vorband mit auf Tour nehmen, wird der Abend schließlich ein absoluter Pflichttermin für alle Fans avantgardistischer und melancholischer Klänge.

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Den Anfang machen jedoch THE FAUNS aus Bristol – und das bereits eine halbe Stunde vor dem offiziell angekündigten Konzertbeginn.
The FaunsSieht man von diesem vermeidbaren Ärgernis ab, bieten die Briten mit ihrem Stilmix aus Shoegaze und Pop-Elementen, die vor allem durch den zarten Gesang von Frontfrau Alison in die Musik einfließen, eine durchaus zum Konzept des Abends passende Eröffnungsshow. Doch so gut die Band ihre Sache auch macht – so richtig zünden will das Material nicht: Zu ähnlich sind sich die Songs, zu oft greift man hier auf Genre-Standards zurück, um sich wirklich von der breiten Masse an Shoegaze-Bands, die derzeit wie Pilze aus dem Boden zu schießen scheinen, abzuheben.
So ist die Dreiviertelstunde, die THE FAUNS als Spielzeit zugesprochen wurde, vielleicht etwas zu lang bemessen – für viele eigentlich pünktlich kommende Fans wird dies jedoch durch die unplanmäßige Anfangszeit wieder kompensiert. Insgesamt ein stimmiger, wenn auch nicht mitreißender Auftakt.

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Als zweites geben sich heute HEXVESSEL die Ehre. Da als Herkunftsland der Band stets Finnland genannt wird, übersieht man leicht ein entscheidendes Detail: Kopf der Formation ist niemand geringeres als der gebürtiger Brite Mat „Kvohst“ McNerney, seines Zeichens Sänger von Dødheimsgard, Beastmilk und ehemals Code. Unter Berücksichtigung dieser Referenzen ist von dem heutigen Abend nicht nur Ungewöhnliches, sondern auch Großartiges zu erwarten – überzeugt Kvohst doch seit Jahren mit meist avantgardistischer Musik in unterschiedlichster stilistischer Ausrichtung (neben den fantastischen Code-Alben sind die beiden auf Metal1.info zum „Album des Monats“ gekürten Werke „Climax“ (Beastmilk, 2013) und „No Holier Temple“ (Hexvessel, 2012) hierfür ein trefflicher Beweis).

HexvesselWährend die Stücke von HEXVESSEL auf Platte zwar avantgardistisch, aber zumeist sehr ruhig arrangiert sind, weist die Livedarbietung nicht zuletzt durch den Tausch von Akustik- gegen E-Gitare einen deutlich höheren Metal-Anteil auf. In Kombination mit Keyboard, Trompete und Geige (alles drei auch live von Kimmo Helén gespielt), funktioniert dennoch glänzend: So entführt das Quintett den Hörer mit seiner experimentellen Mischung aus 70er Jahre Rock, englischem Folk und finnischer Folklore von der ersten Minute an eine ganz eigene Klangwelt und hält ihn dort mit Hilfe des perfekten Sounds sowie einer nicht spektakulären, aber doch packenden Bühneninszenierung aus meist monochromem Licht und viel Nebel gefangen.
Mehr noch als all das ist es jedoch Kvohst selbst, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht: Durch den sehr charakteristischen Gesang, aber auch die überaus sympathische Erscheinung des kleinen Wahlfinnen bekommt die Musik von HEXVESSEL auch live jene authentische, individuelle Note, die aus guter Musik etwas Einzigartiges macht – und aus einem guten Konzert ein einmaliges. Im für die Musik der Band perfekt abgesteckten zeitlichen Rahmen von 45 Minuten liefern HEXVESSEL so einen mehr als gelungenen Auftritt ab, der vom Publikum mit reichlich Applaus quittiert wird.

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Nach erneut kurzer Umbaupause ist es schließlich Zeit für den Headliner: Pünktlich um um 22:00 betreten ALCEST zu „Wings“, dem Intro ihres brandakuellen Albums „Shelter“, die Bühne. Mit „Opale“ beginnt man erwartungsgemäß auch gleich mit dem Opener der CD. Wie schon im Interview angekündigt, ist der Gain-Regler der Gitarrenverstärker heute deutlich weiter aufgerissen als in der sanften Albumversion der Songs, so dass das Material live (wie schon bei Hexvessel) deutlich mehr Metal-Attitüde aufweist. Der Stimmigkeit des Livesets tut das definitiv gut, gliedern sich die neuen Stücke so ohne Stilbrüche perfekt in die Setlist ein. So nachvollziehbar die Entscheidung, vor Metal-Publikum mit Metalsound zu spielen, auch sein mag – ein bisschen schade ist es dennoch, hätte das Material von „Shelter“ doch definitiv auch in der Album-Version und ohne Metal-Mitmachzirkus in Form von Mitklatschen und dergleichen das Potential, eine mitreißende Atmosphäre zu erzeugen.

AlcestWo sich die Distortion-Gitarren noch überraschend gut in den Sound integrieren, schlägt das Schlagzeug heute leider über alle Stränge: Zwar klingt die 28-Zoll-Bassdrum von Schlagzeuger Winterhalter wahrlich mächtig und verleiht den Stücken stellenweise auch wirklich mächtig Druck – in den Doublebass-Passagen flattern einem davon aber auch in der zehnten Reihe noch die Hosenbeine. Für den doch auch in den härteren Parts noch recht gemäßigten Sound von ALCEST wirkt das dann bisweilen doch etwas zu aufdringlich und nimmt so die ansonsten absolut stimmige Atmosphäre der Songs regelrecht unter Beschuss.
Sieht man von diesem Detail ab, gibt es heute jedoch kaum etwas zu beanstanden: Gewohnt sympathisch führt Neige durch das Set, das wirklich keinen Hit aus der Banddiskographie missen lässt. Den einen oder anderen kleinen Ausrutscher an der Gitarre verzeiht man da gerne – schließlich spielen die Franzosen heute auch erst die zweite Show der Tour. Mit dem auch das Album abschließenden „Délivrance“ schließen ALCEST den Bogen nach fast eineinhalb Stunden den Kreis elegant und verlassen zum minutenlangen Ausklingen des Songs nacheinander die Bühne.

Setlist ALCEST:
— Wings (Intro)
01. Opale
02. Summer’s Glory
03. L’Eveil Des Muses
04. Là Où Naissent Les Couleurs Nouvelles
05. Voix Sereines
06. Shelter
07. Beings Of Light
08. Autre Temps
09. Sur L’Océan Couleur De Fer
10. Percées De Lumière
11. Souvenirs D’Un Autre Monde
12. Délivrance

Wenn das Konzertjahr 2014 auf diesem Niveau weiter macht, darf man sich noch auf einige großartige Konzerte gefasst machen – wenn nicht, wäre das allerdings auch keine Schande und der heutige Abend bereits jetzt ein Anwärter auf das „Konzert des Jahres“.

Grade die Kombination aus den stets großartigen Alcest sowie einer Live-Rarität wie Hexvessel, funktioniert heute beeindruckend gut, ergänzen sich die beiden Bands doch quasi perfekt, ohne sich stilistisch zu überschneiden – und auch die Wahl der Vorband ist im Kontext stimmig.

Vielleicht hätte man sich von Alcest wie auch Hexvessel etwas mehr Mut zur „Metal-Verleugnung“ gewünscht – hätten beide Bands doch durchaus das Material und Potential, auch ohne übermäßig viel Verzerrung zu funktionieren. Vielleicht dauert es aber auch einfach noch ein paar Jahre (und Alben), bis dieser Punkt erreicht ist. Doch auch so war der Konzertabend eine mehr als runde Sache, die den Eintrittspreis von etwas über 20€ allemal rechtfertigt.

Live-Photos mit Freundlicher Genehmigung von EmotionalPhotoArt

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