Konzertbericht: Electric Citizen w/ Idle Hands

27.05.2019 München, Backstage (Club)

Dass „retro“ das neue „modern“ ist, mag keine neue Erkenntnis sein. Die Europatour der Vintage-Rocker ELECTRIC CITIZEN mit den Post-Punk/Dark-Rockern IDLE HANDS macht das einmal mehr eindrucksvoll deutlich: Junge Menschen spielen und feiern Musik, die so auch die Generation ihrer Eltern schon gespielt und gefeiert hat.

Den Anfang machen im für einen Montagabend mit gut 60 Fans gar nicht so schlecht besetzten Club IDLE HANDS aus Portland. Dass die Band erst im Februar in München war, dürfte sich heute eher positiv auf die Besucherzahl ausgewirkt haben: Im Publikum stehen diverse Fans mit Black-Metal-Shirts, die vermutlich durch die gemeinsame Tour der Rocker mit Tribulation und Gaahls Wyrd auf die Band aufmerksam geworden sind. War Sänger Gabe Franco damals noch zugleich als Gitarrist aktiv, tritt die Band heute um einen Gitarristen verstärkt als Quintett an. Dass dieser die hohen Saiten oben und die tiefen unten aufgezogen hat, ist nicht nur optisch irritierend, sondern wirkt sich auch direkt auf den Sound der Akkorde aus.

Die neu gewonnene Bewegungsfreiheit nutzt Fronter Franco zwar nicht für viel Action – dafür wäre auf der kleinen Bühne des Backstage Club allerdings eh kein Platz. Vielmehr weiß er gerade durch sein abgeklärtes Stageacting die Coolnes zu untermauert, die auch seinen Gesang ausmacht. Dass dieser heute im Mix eine Nuance zu leise ist und so stellenweise fast unterzugehen droht, ist zwar schade, da die Songs stark auf die Gesangslinien ausgerichtet sind. Da der Sound ansonsten aber perfekt austariert ist, kommen die grandiosen Gitarrenmelodien der Songs schön zur Geltung. Dass die beiden Gitarristen noch nicht perfekt aufeinander eingespielt wirken, machen die Jungs durch ihre offensichtliche Spielfreude vergessen. Nach gut 45 Minuten dürfen sich IDLE HANDS deswegen vom Publikum für einen rundum gelungenen Auftritt feiern lassen.

Ein technisches Missgeschick – das Löschen aller Einstellungen im Mischpult – zwingt ELECTRIC CITIZEN zu einem neuerlichen Soundcheck, ehe es um 21:15 Uhr schließlich losgeht. Dass der zuständige Techniker das Bühnenlicht dann auch noch erst nach einem halben Song von heller Bühnenausleuchtung auf Konzertlicht umschaltet, macht den misslungenen Einstieg ins Set komplett. Auch sonst tun sich ELECTRIC CITIZEN nicht ganz leicht, für Stimmung zu sorgen – was vielleicht aber auch an ihrem entspannten Stil liegt, der bei weitem nicht so böse ausfällt, wie der aktuelle Albumtitel („Helltown“) klingt.

Der souverän vorgetragene, kompositorisch aber recht unspektakuläre Vintage-/ Psychedelic-Rock der erst 2013 gegründeten Truppe läd nicht eben zum Mitgehen ein. Das Gleiche gilt leider für das quasi nicht vorhandene Stageacting der auch äußerlich voll auf retro getrimmten Musiker: Gerande Fronterin Laura Dolan in ihrem 70er-Jahre-Lederoutfit bleibt stimmlich wie auch vom Auftreten her eher blass. Mit starken Einzelleistungen an den Instrumenten und einer astreinen Darbietung erspielen sich ELECTRIC CITIZEN dennoch Sympathien und ordentlich Applaus – den bleibenderen Eindruck dürften heute (zumindest anhand der neu gekaufen Bandshirts gemessen) dennoch Idle Hands hinterlassen haben.

Selbst, wer nur für eine der beiden stilistisch in sehr unterschiedlichen Ecken des Rock angesiedelten Gruppen gekommen ist, kann bei fairen 15€ Eintritt nicht meckern. Da man mit dem Geld bei IDLE HANDS wie auch ELECTRIC CITIZEN eine junge, ambitionierte Band auf dem harten Weg zu internationaler Bekanntheit unterstützt, gibt es heute für jeden Besucher drei Karmapunkte extra.

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