Festivalbericht: Monster Bash 2013

24.04.2013 München, Zenith & Kesselhaus


Aller guten Dinge sind drei, wie es so schön heißt. Nachdem das MONSTER BASH die letzten zwei Jahre mit einem mehr als amtlichen Line-Up zwischen Punkrock und Hardcore Berlin in Schutt und Asche gelegt hat, drehen die Veranstalter dieses Jahr so richtig auf: Zum einen wird das Festival in der Hauptstadt auf zwei Tage ausgedehnt, zum anderen findet es eintägig erstmals auch in München statt. Dass dementsprechend einige Bands exklusiv in Berlin auftreten, versteht sich von selbst – das ändert aber nichts daran, dass an diesem sonnigen Freitag 17 Bands (!) mit nur minimalen Überschneidungen ununterbrochen die Bühnen im Zenith und dem benachbarten Kesselhaus bespielen. Neben dem Headliner RISE AGAINST, der (partiellen) Reunion der Hardcore-Legende (BLACK) FLAG und diversen Highlights aus der (Post-)Hardcore-Szene wie TITLE FIGHT und A WILHELM SCREAM haben die Veranstalter für die sicher notwendigen Pausen auch einen Skateboard-Contest, Autogrammstunden sowie unterschiedliche Fressstände und Unterstützung von politischen Organisationen wie Peta oder Viva con Agua organisiert. Einem langen Tag voll treibender, mitreißender Musik steht demnach nichts mehr im Weg.

Das mit dem langen Tag darf man durchaus wörtlich nehmen: Warum die Veranstalter das Festival einen Tag vor dem Berlin-Wochenende geplant haben, anstatt darauf zu setzen, die München-Ausgabe auf den Samstag zu legen und die Bands entsprechend in Berlin am Sonntag spielen zu lassen, wird seine Gründe haben. Dass der Einlass an einem normalen Werktag bereits um 12 Uhr erfolgt und die erste Band um 13 Uhr die Bühne betritt, kann allerdings für viele Bands ein enormer Nachteil sein, was die Anzahl der Anwesenden betrifft. Immerhin spielt das Wetter mit und heißt die Besucher bei blauem Himmel und angenehmen 25 Grad willkommen, so dass auch bei der anfangs noch geringen Zuschauerzahl schnell Festivalatmosphäre aufkommt.
[Bernhard Landkammer]

Für uns beginnt der ereignisreiche Nachmittag mit AC4. Letztes Jahr standen die beiden Musiker Dennis Lyxzén und David Sandström noch mit Reunion-Heldenstatus als Headliner des Monster Bash 2012 mit Refused im Rampenlicht. Dieses Mal liegen die Schweden am anderen Ende des Zeitplans. Der Unbekannheitsgrad rührt daher, dass die Band keine Interviews mit größeren Magazinen führt, sondern sich nur mit kleinen Fanzines abgibt. Bereits fünf vor zwei beackern AC4 die große Bühne im Zenith. Auch wenn die minimalistische Ausrüstung auf der geräumigen Stage eher verloren wirkt, staunen die Zuschauer über die Energie, Lockerheit und vor allem Bühnenpräsenz der nicht ganz so jungen Männer. Dennis Lyxzén springt durch die Luft, wirbelt sein Mikrofon in alle Richtungen und stört sich kein bisschen an der so gut wie leeren Halle. Dass der Sound im Zenith mal wieder ziemlich bescheiden ist, überrascht niemanden mehr. Unbeeindruckt davon zockt die sympathische Band aggressiven Hardcore im Stile der frühen Achtziger – immer wieder aufgelockert von den ungezwungenen Scherzen des Sängers, der sich gerne mal über seine Bandmitglieder lustig macht. Kurz und knapp ist nach 35 Minuten alles gesagt.
[Michael H.]

Zu ungewohnt früher Stunde scheint das Licht durch die grauen Vorhänge des Kesselhauses auf die knapp 200 Zuschauer, die sich hier eingefunden haben, um die jungen US-Folk-Punker THE FRONT BOTTOMS bei einem ihrer ersten Auftritte in Deutschland zu sehen. Die Band ist im Livekostüm um zwei Mitglieder erweitert: Zu Matt Uychich am Schlagzeug und Brian Sella an der Akustikgitarre und am Gesang gesellen sich Tom Warren am Bass und Ciaran O’Donnell hinzu, der zwischen Synthie und Trompete hin und her wechselt. Brian, dessen Stimme stark an eine weniger schiefe Version von Blink-182-Gitarrist Tom Delonge erinnert, stellt nach dem ersten Song in einer der wenigen Ansagen fest, dass seine Band noch nie so laut geklungen hat – der Sound im Kesselhaus ist dabei druckvoll und – abgesehen von dem Hall in der noch recht spärlich gefüllten Industriehalle – klar und gut abgemischt. Die Mischung aus Indie Rock, Folk und treibendem Punk bringt bereits einige Zuschauer zum Tanzen, ein paar Fans in der ersten Reihe singen die Texte der alten Songs sogar lauthals mit. THE FRONT BOTTOMS selbst haben sichtlich Spaß auf der Bühne, Matt am Schlagzeug ist extrem energetisch und ständig in Bewegung und schließlich springt auch noch ein Roadie kurz am Synthie ein, um den poppigen, treibenden Songs noch mehr Energie zu verleihen. Insgesamt ein ziemlich starker Auftritt einer vielversprechenden jungen Band, die Ende Mai ihr zweites Album veröffentlicht.


Leider fällt der letzte Song von The Front Bottoms dem nicht zu unterschätzenden Weg vom Kesselhaus ins gegenüberliegende (durch diverse Irrgänge und Fressstände dennoch umständlich zu erreichende) Zenith zum Opfer, denn hier betritt jeden Moment das erste Highlight des noch sehr frühen Tages die Bühne: TITLE FIGHT. Warum die Veranstalter diese Band, die derzeit in diversen Musikmagazinen einhellig als Next-Big-Thing im großen (Post-)Hardcore gepriesen wird, so früh auf der größeren Bühne … ja, verheizt, ist unverständlich. Zum Konzertbeginn sind zwar tatsächlich um die 1000 Leute im Zenith, der Sound ist dementsprechend allerdings unter aller Kanone, und mit einer Mischung aus Brei, Matsch und Echo noch sehr höflich umschrieben, wie Bassist und Sänger Ned Russin in einer seiner wenigen Ansagen zu Beginn des Konzerts feststellt: „Hey, check that one out: ECHO!“ Dennoch lassen sich Band und Publikum nicht den Spaß verderben: Ganz, wie man es von ihnen gewohnt ist, prügeln sich die vier Jungs aus Kingston, PA durch ihr Set voller melodischer und aggressiver Songs zwischen Hardcore, Post Hardcore und Punk und nutzen den Platz auf der riesigen Bühne im Zenith voll aus. Dass dabei nicht jeder Ton bombensicher sitzt, ist geschenkt, macht die Band dies (ebenso wie den grausigen Sound) durch ihre natürliche Art und den Einsatz auf der Bühne doch vollständig wett.
Bereits beim Opener „Secret Society“ zeigt sich auch das Publikum voll auf der Höhe, schreit von hier ausgehend jede Zeile des 35-minütigen Sets mit und startet einen veritablen Mosh Pit. Der Abschluss, bestehend aus den Hits „Shed“ und „27“, sorgt dann noch einmal für mehr Bewegung im Publikum und zeigt: Egal wie widrig die Umstände auch sind, TITLE FIGHT sind und bleiben live eine Klasse für sich.


Da Title Fight ihr Set ein bisschen zu früh beendet haben, ist das Kesselhaus nach einem amtlichen Sprint noch während dem ersten Song der Kalifornier von NOTHINGTON erreicht – glücklicherweise. Denn das, was die vier Jungs hier abliefern, ist eine Punkrock-Show aller erste Güte. Irgendwo zwischen Hot Water Music und diversen Skatepunk-Bands der späten 90er Jahre angesiedelt, steckt die Band mit ihrer guten Laune schnell das schon etwas ansehnlicher gefüllte Kesselhaus an. In den vorderen Reihen finden sich erneut einige textsichere Fans, was die Band sichtlich erfreut, die sich nach jedem Song bedankt und diesen Abend schnell als bisher bestes Deutschlandkonzert einstuft. Dass die Musiker in jeder kurzen Pause ihren Namen sagen, so dass das Publikum auch wirklich weiß, wer da nun auf der Bühne steht, ist zwar auf die Dauer etwas anstrengend, wird allerdings so sympathisch vorgetragen, dass es nicht weiter ins Gewicht fällt. Auch wenn die Band hierzulande erst mit ihrem dritten Album „Borrowed Time“, welches letztes Jahr erschienen ist, größere Aufmerksamkeit erfahren hat, fokussieren sich die vier Jungs auf ihre älteren Songs. Dennoch werden die neuen Hits, wie das mitreißende „The Escapist“ bedingungslos abgefeiert und während des letzten Songs, „St. Andrews Hall“, bildet sich sogar noch ein kleiner Pit, der von einem einzelnen Crowdsurfer, der allerdings den gesamten Song durchhält, untermalt wird. Verschwitzt, glücklich und Augustiner trinkend beklatscht die Band noch einmal das Publikum und verabschiedet sich danach.
[Bernhard Landkammer]

Dass mit LESS THAN JAKE nun der erste im Mainstream erfolgreiche Act am Zeitplan steht, ist überdeutlich an der Menge abzulesen. Erstmals heute zeigt sich, wie groß (und überraschend jung) die Zuschauermasse ist. Mindestens drei Mal so viele Menschen als noch bei Title Fight stehen jetzt in der Halle. Neben dem gefüllten Zenith, dem Sonnenschein und der guten Atmosphäre auf dem Festival sorgt nun auch die Band aus Florida mit ihrem Gute-Laune-Ska-Punk für ausgelassene Feierstimmung. Mit überdimensional großen Backdrop im Rücken wildern die fünf Amis pausenlos über die Bühne und machen ordentlich Dampf. Allen voran Trompeter Peter „JR“ Wasilewski scheint heute besonders gute Laune zu haben, weil er es sich nicht nehmen lässt, haufenweise Blödsinn auf der Bühne zu veranstalten.Wie man es von Ska-Punk-Bands kennt, steht der Spaß am Auftritt im Vordergrund, sodass Stageacting und Spielchen mit den Zuschauern zum Standartrepertoire gehören. Sänger Roger Manganelli schmeißt einem Mädchen in der ersten Reihe ein Bier in die Hand, um sich danach lustig über sie zu machen, weil sie es nicht mit einem Zug leer bekommt. Ein anderes Mal müssen sich alle mit „Justin-Bieber-Haircut“ verarschen lassen. So etwas kommt gut an und wirkt erfrischend authentisch und zugleich routiniert – kein Wunder, denn der Kern der Band ist seit zwanzig Jahren derselbe. Die Setlist ist größtenteils in den älteren Werken der Diskografie angesiedelt. Mehr als die Hälfte der Songs stammt von den Neunziger-Alben, allen voran von den beiden erfolgreichen Major-Alben „Hello Rockview“ und „Losing Streak“. Die LESS-THAN-JAKE-Fans sind zufrieden, auch weil inzwischen der Sound halbwegs brauchbar geworden ist.
[Michael H.]

Da der Tag zu diesem Zeitpunkt schon etwas fortgeschritten ist und die Sonne wärmend vom Himmel brutzelt, fallen die nun folgenden GRADE leider für uns aus – ist doch ein wenig körperliche Stärkung allmählich dringend notwendig. So kann man sich mit einer Pizzaschnitte und einem kühlen Bier ein wenig die Leistung der Skateboarder auf der kleinen Halfpipe ansehen und den riesigen Merchandisestand im Spiegelzelt in Augenschein nehmen, bis die Kräfte wieder ein wenig aufgefüllt sind.


Ehe man sich versieht, geht es schließlich schon wieder weiter und THE STORY SO FAR entern die Bühne. Trotz ihres hohen Bekanntheitsgrads, den man am erstmals sehr ansehnlich gefüllten Kesselhauses feststellen kann, ist dies der erste Aufenthalt der Band in Deutschland. Das Publikum scheint sich dieser Tatsache voll bewusst zu sein, und ist dementsprechend von der ersten Sekunde an dabei, singt alle Songs laut und deutlich mit, startet einige Mosh Pits und hat einfach Spaß. Den Musikern auf der Bühne geht es nicht anders. Der poppige Punk, den THE STORY SO FAR angereichert durch Hardcore- und Emoeinflüsse darbieten, schallt satt und großartig abgemischt aus den Boxen und die Temperaturen im Kesselhaus werden allmählich etwas dampfiger. Man bemerkt, dass die Highlights des Abends sich allmählich in Startposition bringen, was sich auch an der stetig wachsenden Zuschauerzahl bemerkbar macht, die das ehemalige Industriegelände bevölkert.
[Bernhard Landkammer]

Als Nächstes steht mit MILLENCOLIN eine der wenigen nicht-amerikanischen Skatepunk-Größen auf dem Programm. Kaum eine andere Band schafft es, durch ihren mitreißend-überschwänglichen Sound solche Nostalgiegefühle auszulösen. Mit den Kumpels abhängen, die ersten Sauftouren, verflossene Liebe, stundenlanges Tony-Hawk‘s-Pro-Skater-Zocken. Unvermeidlich für mich die Combo aus Örebro von diesen Dingen zu trennen. Mit großer Leichtigkeit gelingt dem sympathischen Glatzkopf Nikola Sarcevic mit seinen extrem beweglichen Mitstreitern diese Stimmung auf die Bühne zu transportieren. Der Funke springt schnell über und zum ersten Mal ist heute in der Halle eine mitreißende Atmosphäre zu spüren. Vor allem die Hits vom 2000er Klassiker „Pennybridge Pioneers“ und dessen Nachfolger „Home From Home“ singen viele der zahlreichen Fans aus vollem Halse mit. Der trockene Sound, der die Schweden auszeichnet, leidet zwar wie der aller anderen Bands unter dem ekligen Hall im Zenith, doch es könnte schlimmer sein.Während zu Beginn des Sets die vier Männer noch reichlich die Bühne beackerten, bleiben sie mit andauernder Spieldauer immer mehr auf ihren Plätzen festgewurzelt und verlassen sich auf die Wirkung ihres Songmaterials. Weil die Band einen Tag zuvor erst in Dortmund zu Gast war, gibt’s zur Auflockerung ein paar Sprüche über den BVB und den FC Bayern. Ein äußerst dankbares Publikum frisst ihnen aus der Hand. Die enthusiastische Menge würde heute wohl jede Band bedingungslos abfeiern. Nach dem tollen Auftritt von MILLENCOLIN, ist es ihnen nicht zu verübeln.
[Michael H.]

Ursprünglich standen neben den heute anwesenden Bands auch noch die Hardcore-Punker Trash Talk auf dem Timetable – diese mussten allerdings ihre Auftritte in Deutschland kurzfristig absagen. Am meisten von diesem ansonsten sehr ärgerlichen Ausfall profitiert der Holländer TIM VANTOL: So war dessen Auftritt ursprünglich parallel zum Konzert von Rise Against vorgesehen. In Anbetracht der unvorstellbaren Anzahl an Rise-Against-T-Shirts auf dem Gelände hätte dieses Konzert wohl vor einer sehr überschaubaren Anzahl eingefleischter Fans stattgefunden. Nun rückt der sympathische Folk-Punker auf den Slot zwischen Millencollin und Flag, was nicht nur ihn, sondern auch seine Fans freuen dürfte. Ebenso erfreut bin auch ich, als ich – in Erwartung eines einzelnen Musikers, bewaffnet mit seiner Gitarre – auf der Bühne im Kesselhaus zusätzlich fünf Musiker an Schlagzeug, Banjo, Kontrabass, Geige und E-Gitarre erblicke. Ohne große Umschweife stellt TIM VANTOL sich und seine Band kurz vor und steigt direkt in ein energiegeladenes Set ein, welches sich schnell zum Highlight des Tages entwickelt. Die Lieder sprühen nur so vor Energie, TIM VANTOLs Reibeisen Stimme passt perfekt zu den rauen Folkpunksongs und schnell kann niemand im Publikum mehr stillstehen. Die Ansagen der Band, das Tanzbein zu schwingen, sind so beinahe überflüssig.Auch wenn die Reihen zu Beginn des Konzerts noch eher überschaubar gefüllt sind, ist der Applaus nach jedem Song unglaublich laut, was sich im Verlauf des Konzerts – ebenso wie die Zuschauerzahl – immer weiter steigert. Die Band selbst ist überwältigt von der positiven Resonanz, was besonders deutlich wird, wenn das Publikum immer wieder den Gesang übernimmt und TIM VANTOL kopfschüttelnd und lachend vom Mikrophon zurücktritt. Die 30 Minuten verstreichen demnach viel zu schnell – auch für die Band selbst, die eigentlich noch zwei Songs mehr eingeplant hatte. Eines dürfte nach diesem energetischen und packenden Auftritt klar sein: TIM VANTOL hat an diesem Tag sehr viele neue Fans hinzugewonnen. Ganz ganz groß.
[Bernhard Landkammer]

Ergibt die Reunion einer Band, die vor mehr als 25 Jahren ihr letztes Album veröffentlicht hat, wirklich Sinn? Als voriges Jahr Negative Approach, ebenfalls eine Hardcore-Legende der frühen Achtziger, ihre Wiedervereinigungstour starteten, geriet so manch alter Hase in Wallung, wurde aber letztendlich aufgrund der extrem schwachen Live-Performances enttäuscht. Auch heute weiß man nicht, was man erwarten darf. Eine der ersten und wichtigsten Hardcore-Bands überhaupt steht wieder auf der Bühne. Sogar in zweifacher Ausgabe. Während einige Mitglieder unter Black Flag touren, sind andere von der langen Liste ehemaliger Mitstreiter als FLAG unterwegs. Letztere spielen hier und heute auf dem Monster Bash. Dabei handelt es sich um den ersten Black-Flag-Sänger Keith Morris ( Nervous Breakdown (1978)), Descendents-Gitarrist Stephen Egerton, Bassist Chuck Dukowski (bis ’83 in der Band) und Descendens-Schlagzeuger Bill Stevenson (1983 – 85).Zwar ist der ehemalige Kopf und Songwriter Greg Ginn nicht dabei, trotzdem haben alle Mitglieder von FLAG auch ihre Vergangenheit bei Black Flag. Alle Klarheiten beseitigt? Nun zum Wesentlichen: Ja, der Auftritt war dreckig, räudig und laut. Während am Bühnenrand viele Musiker und Roadies der anderen Bands standen, ist dem Großteil der Besucher nicht bewusst, wer hier auf der Bühne steht. Deshalb bleibt die Halle fast leer ist. Kein Wunder – reisen die meisten nur wegen den äußerst erfolgreichen Rise Against hier nach München. Diejenigen, die geblieben sind, haben ihren Spaß und feiern eine verdammt spielfreudige und wütende Band textsicher ab. Das Set besteht zum Großteil aus der frühen Phase mit einem großen „Damaged“-Anteil. „Rise Above“, „Six Pack“, „Gimmie Gimmie Gimmie“ sind absolute Killer von einem der beste Hardcore-Alben aller Zeit. Für einen Teil der Songs kommt Dez Cadena (Gitarrist auf jenem Album) auf die Bühne. Wäre das Ganze länger als 40 Minuten, der Sound besser und fände der Gig in einem kleinen Club statt, müsste ich wohl zum wahnsinnigen „My War“ völlig ausrasten. Das beste Songmaterial des Abends gepaart mit einer powervollen Performance machen FLAG zum Höhepunkt des Monster-Bash-Festivals.
[Michael H.]


Nach dieser vollen Ladung klassischen 80er-Jahre-Hardcores geht es flugs ins Kesselhaus, um eine ordentliche Prise New-School-Hardcore mitzunehmen. Da Flag ihr Set in Rekordtempo beendet haben, ist auch kein Gerenne notwendig, um rechtzeitig zum Konzertbeginn von A WILHELM SCREAM im Kesselhaus zu sein. Nach der Absage von Trash Talk darf die Band aus New Bedford, MA sich wohl den Stempel als härteste Band des heutigen Festivaltags abholen. Das Licht erlischt, und Sänger Nuno Pereira begrüßt das Publikum auffordernd mit „This isn’t our first time in Bavaria but let’s make it the best one!“, bevor die Hölle auf und vor der Bühne losbricht: A WILHELM SCREAM wissen mit ihrer explosiven Mischung aus straightem Hardcore-Punk, eingängigen Melodien, umwerfenden Hooklines und hochkomplexen Rhythmen und Fingertappings vollauf zu begeistern. So ist es dann auch weiter nicht verwunderlich, dass das Publikum vollständig durchdreht, eine aufblasbare Couch vom Monster-Energy-Stand über die Köpfe des Publikums hinweg segelt und auf einmal ein Fan mitten im Mosh Pit beginnt, Feuer zu spucken (nur um kurz darauf von der Security durch die gesamte Halle gejagt zu werden). Der Spaß, den die Band auf der Bühne versprüht, lässt sich in den ununterbrochen breit grinsenden Gesichtern der Bandmitglieder ablesen. Ihr halbstündiges Set gönnt dem Publikum keine Ruhepausen und geht durchwegs voll auf die Zwölf. Verschwitzt und glücklich verabschiedet sich die Band schließlich vom Kesselhaus – wenn das nicht die beste Show von A WILHELM SCREAM in Bayern bisher war, dann weiß ich auch nicht mehr. Hoffentlich gibt es bald die Gelegenheit, das wieder in einem kleinen Club zu überprüfen.
[Bernhard Landkammer]


PENNYWISE‘ „Bro Hymn“ ist eh schon ein totgenudelter, unbändiger Ohrwurm. Dennoch (oder gerade deshalb) nutzen viele Menschen auf dem Gelände jede Gelegenheit, genau diesen Song anzustimmen. Mittags, Nachmittag und erst recht Abend, während das volle Zenith auf die Kalifornier wartet. Als die vier notorischen Schirmmützenträger auf die Bühne stürmen und zu spielen beginnen, kratzt die Soundqualität leider an einem neuen Tiefstniveau. Breiig, undifferenziert, hallend. Darüber hilft auch nicht hinweg, dass PENNYWISE, wie heute fast alle Bands, auf ein Set voller Klassiker zurückgreifen. Zumal das starke 2012er Album „All Or Nothing“ es sicher verdient hätte, auch live vertreten zu werden und allemal besser ins Set passen würde, als ein abgelutschtes „TNT“-AC/DC-Cover oder die tausendste Interpretation von „Stand By Me“.Sänger Jim Lindberg im strahlend blauen Adolesence-Shirt zollt zwischen den Songs den anderen Bands des Festivals Respekt, allen voran Black Flag. Im Zuge dessen startet er ein kleines Spielchen und nennt eine Reihe namhafter Band, um rauszufinden, auf was denn das Publikum so abfährt. Warum hier ausgerechnet Nirvana den größten Jubel erntet, kann ich auch nicht beantworten. Fairerweise möchte ich mir aufgrund des miserablen Sounds kein allzu schlechtes Urteil über die Band erlauben. Dafür kann sie ja nichts. Insgesamt ist der Auftritt enttäuschend.
[Michael H.]


Die Hitdichte an diesem Abend ist beängstigend hoch, weswegen auch zwischen den beiden Headlinern in Form von Pennywise und Rise Against keine Zeit zum Durchatmen bleibt. Pünktlich um 22 Uhr betritt dementsprechend niemand Geringeres als POLAR BEAR CLUB die Bühne, um den Abend im Kesselhaus würdig abzuschließen. Bekannt für ihre packenden Liveshows, macht die Band aus Upstate New York von Anfang an keine Gefangenen und bringt das Publikum – welches leider nicht ganz so zahlreich vor der Bühne steht – sofort zum Mitsingen, Tanzen und Klatschen. Immer wieder unterbrochen von kurzen, sympathischen Ansagen von Sänger Jimmy Stadt zeigt die Band, dass sie es wie kaum eine zweite versteht, poppige und eingängige Melodien mit harten Gitarren zu verbinden und gleichzeitig altbekannt und dennoch frisch und unverbraucht zu klingen. Kaum zu glauben, dass POLAR BEAR CLUB bereits seit fünf Jahren regelmäßig in Europa spielen und trotzdem immer noch den Ruf als Geheimtipp innehaben. Damit auch möglichst alle Fans in den Genuss des direkt anschließenden Konzerts von Rise Against kommen, verzichtet die Band auf übertrieben viele Worte und setzt stärker auf ihre beeindruckende Bühnenpräsenz. Ehe man sich versieht, sind die letzten 30 Minuten im Kesselhaus auch schon wieder vorbei und ein Tag voller eher kleinerer Bands aus dem Spektrum zwischen Folk, Post-Hardcore und Punkrock nimmt sein vorläufiges Ende, um gegenüber im Zenith mit dem großen Knall wirklich zum Abschluss gebracht zu werden.
[Bernhard Landkammer]


Wer nicht schon direkt nach Pennywise vor der Bühne stehen blieb, musste mit einem Platz weit hinten vorlieb nehmen. Kurz bevor sich RISE AGAINST die Ehre geben, strömen so gut wie alle Festivalbesucher in die Halle. Die Amis sind inzwischen eine der kommerziell erfolgreichsten Bands ihres Genres. Der auffallend große Frauenanteil (eigentlich sollten wir von Mädchen sprechen) lässt sich einfach erklären: Tolle mitreißende Refrains eines hoch emotionalen Sängers Tim McIlrath treffen auf High-Speed-Punk-Riffs. Soft genug für deine Freundin und trotzdem verdammt viel Klasse.
„Collapse (Post-Amerika)“ eröffnet das knapp anderthalb stündige Set. Gleich von Beginn an hat Frontröhre Tim McIlrath das Publikum voll im Griff und auf seine Seite gezogen. Sein Stageacting erinnert ein bisschen an Bruce Dickinson – ein großes Kompliment. Potential, das er in der Form nicht lange zeigen kann, weil er nach zwei Songs selbst Hand an seine Gitarre anlegt. Die Show ist die aufwendigste des ganzen Abends. Endlich ist der Sound mal okay (besser spät als nie), die ansonsten sporadisch eingesetzte Lichtanlage wird ausgereizt und die Bühne in Nebel gehüllt. Das trägt seinen Teil zur Atmosphäre bei, obwohl auch ohne technischen Firlefanz Hits wie „Ready To Fall“ die Fans zum Ausflippen bringen. Schade (aber verständlich), dass sich RISE AGAINST fast ausschließlich bei den letzten drei Alben bedienen, denn die Stärke der Band liegt für mich ganz klar in den schnellen, hardcore-lastigen Hits wie dem großartigen „Heaven Knows“. Zu glatt und brav wurde die Band mit dem letzten Album. Wer den Auftritt sieht, muss zugegeben, dass sich die Amis inzwischen ganz gut als Stadion-Rock-Band machen würde. Die Texte sind zwar immer noch stark, aber Wut und Leidenschaft lässt sich mit Dreck unter den Fingernägeln glaubwürdiger vermitteln als mit glattgebügelten Produktionen und soften Akustik-Schmusesongs wie „Hero Of War“. Das Raue und Unangenehme geht dem Auftritt der Amis fast komplett ab. Dementsprechend professionell und routiniert zocken sie sich durch ihr Set. Ob das für eine Punkband als Kompliment aufzufassen ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Setlist RISE AGAINST:
01. Collapse (Post-Amerika)
02. Re-Education (Through Labor)
03. The Good Left Undone
04. Long Forgotten Sons
05. Heaven Knows
06. Help Is on the Way
07. Prayer of the Refugee
08. Survive
09. Drones
10. Satellite
11. Audience of One
12. Ready to Fall
13. Hero of War
14. Swing Life Away
15. Make It Stop (September’s Children)
15. Give It All
16. Savior

FAZIT: Dann ist es also vorbei. Das Monster Bash gleicht mit 17 Bands in zwölf Stunden einer förmlichen Reizüberflutung. Während im Zenith die Skatepunk-Größen in der Überzahl sind, nehmen die jüngeren Post-Hardcore Bands das Kesselhaus auseinander. Zwar gibt es keine Totalausfälle, aber der fast durchgängig mittelmäßige Sound in der riesigen Halle kann einem schon die Stimmung versauen. Dafür sind im Kesselhaus fast nur Highlights zu sehen und es zeigt sich einmal mehr, dass Popularität nicht zwangsläufig Qualität bedeutet und Punkrock für die kleinen Bühnen und Clubs dieser Welt gemacht ist. Herausstechende Highlights sind A Wilhem Scream und die alten Männer von Flag, die der alten Legende wieder Leben einprügeln. Zurecht erklärt Rise-Against-Frontmann Tim McIlrath mehrmals, dass ohne Black Flag ein Großteil der Punkszene in der heutigen Form nicht existieren würde.
Auch nächstes Jahr wird das Monster Bash sicher wieder ein klasse Lineup aus dem Hut zaubern. Doch die Veranstalter sollten sich gut überlegen, ob für den Münchener Ableger eine Alternative zum Zenith irgendwie möglich ist.
[Michael H.]

Publiziert am von und Michael

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