Konzertbericht: Nekrovault w/ TAV

13.08.2020 München, Backstage (Werk)

Zweifelsohne haben die Prog-Metaller Myrath und die Hardcore-Punker GBH grundsätzlich wenig gemeinsam. Was beide eint, ist ein allein den Umständen geschuldeter Zufall: Sie sind die letzten Bands, über deren echte, reale Shows vor Publikum auf Metal1.info berichtet wurde, ehe im März der gesamte Konzertsektor von der Corona-Pandemie und den dadurch nötig gewordenen Kontaktbeschränkungen hinweggefegt wurde. Seitdem hat sich viel getan, Bands haben die Möglichkeit der Stream-Show erprobt, eine Entertainmentform, die am Ende sogar den Festivalsommer „ersetzen“ sollte. Und so lobenswert alle Bemühungen, so beachtlich die Fortschritte in diesem aus dem Nichts geborenen Format auch sind – am Ende fehlt sie doch, im Angesicht der Konzerte auf dem Bildschirm vielleicht mehr denn je: die echte, reale Live-Show.

Im Rahmen des Möglichen hat das Backstage München nun die Initiative ergriffen und als einer der ersten Clubs in Deutschland den Livebetrieb wieder anlaufen lassen – mit einer weiteren, bislang ungekannten Entertainmentform, dem „Abstandskonzert“. Die Rahmenbedingungen sind denkbar ungewohnt: Statt im schwitzigen Club spielen selbst Underground-Bands im Werk, der größten verfügbaren Location, statt maximal 1400 Fans dürfen 200 kommen, statt zu stehen wird gesessen und wer sich abseits des Biertisches aufhält, muss – natürlich – eine Maske tragen. Auf der Haben-Seite steht dafür: Livemusik zum Niedrigpreis, etwas Umsatz für die Veranstaltungsbranche und das Gefühl, der deprimierenden Corona-Realität zumindest ein wenig „alte Normalität“ abgerungen zu haben, ohne sich dabei zum Covidioten gemacht zu haben.

Im Angesicht dieser Möglichkeit wundert es wenig, dass sich die Münchner Metalszene auf jede angebotene Show stürzt – und selbst Bands, die an einem Wochentag früher über 100 zahlende Gäste hätten froh sein müssen, vor „ausverkauftem Haus“ spielen dürfen. So auch an diesem Donnerstagabend: Während vor dem Werk das Geisterspiel RB Leipzig gegen Atlético Madrid auf Großleinwand läuft, sitzen drinnen 200 Metal-Fans artig auf ihren Plätzen und harren der Dinge, die da kommen.

Das sind zunächst die lokalen Newcomer TAV, gegründet 2017, die aber immerhin bereits für ihr selbstbetiteltes Debüt beim renommierten Underground-Label Ván Records untergekommen sind. Der Mix aus Dark Rock, wie ihn Secrets Of The Moon neuerdings spielen, Post-Rock und Depressive Black Metal im Stile von Bands wie Germ (allerdings ohne Screams) plus Synthesizer funktioniert trotz einer recht statischen Performance zunächst sehr gut. Direkt das ganze Album mit seiner Stunde Spielzeit darzubieten, wirkt jedoch übermotiviert: So atmosphärisch die Musik auch ist, wirkt sie in der Livedarbietung doch nach spätestens einer Dreiviertelstunde ob der vielfach ausgereizten Monotonie etwas langatmig. Ein Grund, nach 60 Minuten wutentbrannt die Gitarre auf den Boden zu schmettern und von der Bühne zu flüchten, wäre das dennoch nicht gewesen: Von einem missratenen Auftritt sind TAV mit ihrer heutigen Show weit entfernt – und echte Liveroutine dürfte das junge Quartett auch vor Corona noch nicht gesammelt haben.

Insgesamt etwas souveräner kommen die ebenfalls bei Ván Records unter Vertrag stehenden Headliner NEKROVAULT rüber: Zwar gibt es die Band aus dem schwäbischen Memmingen auch erst seit 2017 – allerdings konnten die vier MusikerInnen bereits bei diversen anderen Combos Bühnenerfahrung sammeln. Eingehüllt in massig Nebel und – passend zum Layout des Album-Debüts „Totenzug (Festering Peregrination)“ – blau-lilafarbenes Licht legen NEKROVAULT um 21:30 Uhr mit Death Metal der bösartigsten Sorte los: Mal doomig angehaucht wie eine räudigere Version der Ván-Veteranen The Ruins Of Beverast, mal unverkennbar vom Death Metal der alten Schule geprägt – NEKROVAULT wissen, wie man es scheppern lässt. Mit spielerischer Hingabe und einigen minimalistischen Ansagen gelingt es den Schwaben so locker, das Publikum im Werk zu begeistern. Die Fans quittieren die kraftvolle Darbietung mit kräftigem Applaus – ohne dabei jedoch die für das Projekt Abstandskonzert nötige Disziplin missen zu lassen. Geheadbangt wird im Sitzen, lautstark gejubelt nur selten. Dass NEKROVAULT nach knapp 45 Minuten bereits am Ende ihres Sets angekommen sind, ist fast schade, aber nicht wenig verwunderlich, entspricht das doch ziemlich genau der Laufzeit ihres Debütalbums.

Keine Frage, „Abstandskonzerte“ sind gewöhnungsbedürftig und eigentlich will man sich daran auch gar nicht gewöhnen müssen. Doch das Backstage München, das Publikum und die Bands des heutigen Abends zeigen zumindest, wie man diese Krise gemeinsam durchstehen kann: mit einem soliden Konzept, verantwortungsbewusstem Verhalten und dem unbändigen Willen, sich die Freude an Livemusik nicht durch die nun einmal notwendigen Sicherheitsvorkehrungen nehmen zu lassen.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert