Konzertbericht: Scala & Kolacny Brothers

2011-05-11 Carl-Orff-Saal, München

Was würden Rammstein sagen, wenn sie 15 Mädchen auf einer Bühne sehen, die in Reihe und Glied aufgestellt und von einem Klavier begleitet den ersten großen Bandhit „Engel“ singen? Oder wie würde Marilyn Manson reagieren, so er die sehr spezielle Chor-Version von „The Beautiful People“ kannte? Dies sind nur zwei exemplarische Fragen für zahlreiche Gedanken, die Anhänger der etwas härteren musikalischen Gangart bei einem Auftritt von SCALA & KOLACNY BROTHERS beschäftigen.
Die meisten unserer treuen Metal1-Leser werden bei diesem Namen nun mit den Schultern zucken. Deswegen kurz zur Erklärung: Scala & Kolacny Brothers ist ein 1996 gegründeter Mädchenchor aus Aarschot in Belgien, der insgesamt aus mehr als 60 weiblichen Mitgliedern im Alter von 14 bis 24 Jahren besteht. Er wird von den Brüdern Stijn und Steven Kolacny geleitet. Live beschränkt sich Stijn meist auf seine Tätigkeit als Dirigent, während Steven an Klavier und Schlagzeug zu hören ist.

Am 11. Mai versammelten sich wie eingangs bereits erwähnt exakt 15 der insgesamt 60 Scala-Mädchen zum Auftakt der diesjährigen Deutschlandtour im Carl-Orff-Saal des beinahe ausverkauften Münchener Gasteigs. Jüngste Bekanntheit erlangte das Ensemble dadurch, dass eine große deutsche Bank das Chor-Cover von Mias „Hungriges Herz“ für einen Werbespot verwendete. Außerdem war im Trailer von des Kinofilms „The Social Network“ die Scala-Adaption von Radioheads „Creep“ zu hören. Beide Songs durften natürlich beim Deutschlandabstecher nicht fehlen, ebenso wenig wie Unheiligs „Geboren um zu leben“ vom neuesten Scala-Werk „Circle“, nach dem die gesamte Tour benannt wurde.
Neben diesen Coverversionen sangen die Mädchen und jungen Frauen auch einige von Steven Kolacny selbst geschriebene Lieder, die jedoch mit Ausnahme des trance-artigen Konzertabschlusses ein wenig eintönig daher kamen. Erwartungsgemäß durfte man im Hinblick auf die Bühnenshow nicht zu viel erwarten, denn singende Frauen sind nun einmal singende Frauen und kein Starlight Express. Nur bei KT Tunstalls „You’re Not The One For Me“ kam etwas (Tanz-)Bewegung auf die Bühne. Ansonsten versuchten Stijn und Steven viel, um durch ihre teils lustigen Ansagen für etwas Abwechslung und Auflockerung zu sorgen. So 100%ig gelingen mochte ihnen das nicht, denn die deutsche Aussprache zählt nicht unbedingt zu den Stärken des Brüderpaars. Dazu wirkte die Situationskomik ein wenig einstudiert.
Weitaus interessanter waren hingegen andere kleinere Nuancen, wie z.B. der identische Ablauf zu Beginn und am Ende des Konzertes, sowie ein kurzer Ausflug der Mädchen in das Publikum, der für einen kleinen „Live-Surroundeffekt“ sorgte.

Insgesamt funktionierte das Scala-Konzept der ruhigen Chorballaden bekannter Rock- und Popsongs leider nicht toujours. Natürlich ist der Sprung bei „Geboren um zu leben“ ein etwas kleinerer als z.B. bei „When doves cry“ von Price, doch ab und an traf der mehrstimmige Gesang die Grundstimmung der Songs nicht im Kern, u.a. bei „Creep“ von Radiohead, welches in gewisser Weise von der vertonten Einsamkeit des melancholisch-depressiven Sängers lebt.
Leider wurden ausnahmslos alle Lieder auf eben dieses einheitlich ruhige Grundkonzept mit einem klaren Fokus auf den weiblichen Stimmen herunter gebrochen. Ein klares Makel der Liveauftritte, da die CDs ungleich virtuoser wirken. Dass dies vielleicht nicht 1:1 auf der Bühne umgesetzt werden kann, steht hierbei auf einem anderen Blatt. Allerdings muss sich ein Chor mit dieser Kragenweite an so etwas wie Abwechslungsreichtum messen lassen. Dieser blieb leider vereinzelt auf der Strecke. Außerdem störten die besonders bei den Eigenkompositionen viel zu auffällig eingesetzten Synthesizer-Effekte erheblich.
Dass die Mädchen singen können und dabei spielerisch mit den verschiedenen Sprachen umgehen, steht außer Frage und beeindruckt mit einer entsprechenden Akustik wie in München nachhaltig. Besonders reizend wurde der stets hörbare Akzent beim „Arschloch“-Part aus „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten. Leider ließ die Scala-Interpretation abgesehen vom Niedlichkeitsfaktor zu wünschen übrig, zumal sich bereits verschiedene deutsche Künstler wie z.B. Laith Al-Deen gemeinsam dem Stück bereits vor einigen Jahren auf ähnliche Art angenommen haben.
Diesen Vorwurf kann man glücklicherweise nicht auf die übrigen Lieder übertragen, so dass Scala aus musikalischer Sicht ein interessantes Experiment sind, welches ähnlich wie The Gregorians den musikalischen Horizont erweitern und gleichermaßen bereichern kann. Nur gibt es klar gesteckte Grenzen und nicht immer ist der Ausgangssong für derlei Interpretation geeignet.

Publiziert am von und Uschi Joas

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