Konzertbericht: Staubkind /w Mundtot

04.10.2013 Kantine, Augsburg

StaubkindMit einem berühmten, aber kontroversen Künstler zu touren ist manchmal  eine gefährliche Entscheidung. Hat man Pech, verliert man eine Menge Fans. Im Falle von STAUBKIND aber hätte es besser nicht laufen können. Der ehemalige Unheilig-Support mit erstaunlichen zehn Jahren Bandgeschichte konnte nun diverse Male das Wort „Ausverkauft!“ neben seine Tourdaten schreiben. Und das völlig zu Recht.

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Die Kantine in Augsburg ist definitiv keine schöne Location für ein Konzert. Beengt, verwinkelt und dunkel wirkt sie nicht wirklich einladend. Der Eindruck wurde durch den Auftritt der Vorband MUNDTOT leider auch nicht besser. Der Sound war viel zu laut und blechern, Band und dementsprechend die Stimmung waren auch eher mäßig. Wen genau MUNDTOT mit ihrer Musik begeistern wollen ist mir nicht ganz klar. Mich überzeugt es jedenfalls nicht, wenn der Schlagzeuger das Sample einzählen muss und ein maskierter (mundtot gemachter?) schwarz gekleideter Keyboarder durchgehend komische, gekrümmte Hops- und Nickbewegungen auf der Bühne vollführt. Mir persönlich ist diese Musik zu monoton, zu gleichförmig, und macht mich hauptsächlich depressiv. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen Support, der ja eigentlich das Publikum zum Kochen bringen soll. Die (aus dem Bandlogo aufgegriffene) Ananas, die dann noch mit auf die Bühne gebracht wurde, wirkte dann noch zusätzlich absurd. Und für mich ein Grund, mir Zerstreuung zu suchen, bis MUNDTOT nach ungefähr 30 Minuten die Bühne zusammen mit der Ananas wieder verließen.

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Das genaue Gegenteil: STAUBKIND. Kaum standen sie vor ihrem Publikum, wandelten sich Stimmung und Atmosphäre. Ich glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich Sänger Louis Manke als den vielleicht sympathischsten Musiker bezeichne, den ich je live sehen durfte. Er wirkte fast ein wenig zerbrechlich neben den großen, langhaarigen Bandkollegen, doch der Eindruck täuschte. Mit seiner gefühlvollen, samtig-kratzenden Stimme konnte Louis die Songs zum Leben erwecken und jeden Songtext glaubwürdig werden lassen. Der Sound in der Kantine war nun überraschend gut, sodass man die Texte auch problemlos verstehen und mitsingen konnte. Was das Publikum bei Liedern wie das fast jahrzehntealte „Dein Engel schweigt“ oder beim sehr eingängen „Irgendwann“ auch fleißig tat. Bei den Ansagen konnte der Berliner seinen Charme besonders entfalten, gehört er wohl jener seltenen Gattung Musiker an, die erzählen können, ohne zu labern. So gab es durchaus die ein- oder andere längere Story vor dem nächsten Stück, die aber nie aufgesetzt und künstlich wirkte. Und die auch nicht langweilte. Am sympathischsten wurde Louis jedoch gerade in einem Moment kurzer „Schwäche“ – hatte er doch mitten im Song einen Texthänger, den er so herzhaft und selbstironisch weglachte, dass man einfach mitgrinsen musste.

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STAUBKIND spielten an diesem Abend einen Großteil der Setlist, die sie mit anderer Instrumentierung schon bei ihrer Akustik-Tour im Gepäck hatten. Songs wie „Königin“, „Fühlst du“ oder „Nur ein Tag“ sind kraftvolle Beispiele dafür, wie gut geschriebene Musik in diesem Genre zu klingen hat. Mein persönlicher Höhepunkt war jedoch ein Moment der Ruhe in der zweiten Hälfte des Konzerts, als nur das Keyboard Louis‘ Stimme bei „Kleiner Engel“ begleitete und es fast still wurde im Raum. Das hochemotionale Stück, das vom Verlust eines Kindes handelt – es ist ein Gebet an die viel zu jung verstorbene Seele – rührte nicht wenige zu Tränen. Und auch wenn zu dem Lied selbst nichts gesagt wurde, bin ich mir recht sicher, dass es auf persönlichen Erlebnissen beruht, so intensiv, so zerbrechlich wie Louis es vorträgt.

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Nach eineinhalb Stunden verließen STAUBKIND die Bühne, ließen sich jedoch nicht lange um den Zugabenblock bitten. Ein Geburtstagsständchen für alle Geburtstagskinder wurde gespielt, eine wunderschöne Interpretation des Stückes „Als ich fortging“, im Original von Dirk Michaelis. Auch an „Ohne dich“ von Selig wagten sich die Deutsch-Rocker, mit dem Hinweis, wie schön es doch sei, als Musiker die Chance zu bekommen, die eigene Lieblingsmusik anderen Menschen näherbringen zu können. Und so glaubt man Louis wirklich, wenn er vor „Paradies“ und „Angekommen“ davon schwärmt, in seinem persönlichen Traum gelandet zu sein und ihre Fans STAUBKINDS Wunschheimat sind.

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Autenthisch sind sie, sympathisch und unverbogen. STAUBKIND machen auch nach zehn Jahren noch die Musik, die ihnen aus dem Herzen spricht, was viele andere nicht mehr von sich behaupten können, die ihre Integrität für den Erfolg geopfert haben. Und bei der immer noch wachsenden Fangemeinde scheint diese Unverfälschtheit anzukommen. So war für mich das STAUBKIND-Konzert in Augsburg sicherlich einer der besten Auftritte, die ich dieses Jahr gesehen habe. Ob ich Wiederholungstäter werde? Darauf können die Jungs sich verlassen.

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4 Kommentare zu “Staubkind /w Mundtot

  1. Jeder Konzertbericht bzw. jede Konzertkritik ist im Kern subjektiv. Trotzdem lassen sich auch bei unterschiedlichen Geschmäckern gewisse objektive Kriterien nicht wegdiskutieren. Im Falle von Mundtot kann es gut sein, dass wir mit dem Bandkonzept nicht vertraut sind. Aber muss sich jeder erst mit dem Texter zusammensetzen, bevor er erstmals ein Konzert besucht? Auf dem aktuellen Bekanntheitsgrad von Mundtot wäre dies ein fragwürdiger Ansatz. Zum jetzigen Zeitpunkt muss diese Musik für die Jungs genau eines: funktionieren, am besten live und egal ob depressiv oder lebensbejahend. Gemessen an den mehrheitlichen Reaktionen sowohl bei ASP in München als auch bei Staubkind in Augsburg war dies nicht der Fall. Deinem letzten Satz kann ich hingegen nur beipflichten.

  2. Ich habe mir den Bericht zweimal durchlesen müssen und dennoch hab ich mich an meinem Kaffee verschluckt!
    Ich war bei diesem Konzert anwesend und finde die Wortwahl und Beschreibung zum Auftritt von Mundtot absolut deplaziert und falsch! Sollte ein Berichterstatter nicht absolut neutral und NICHT bewertend schreiben? Das Gefühl habe ich bei den Bewertungen für den Mundtot Auftritt weder hier noch bei dem Auftritt beim ASP Konzert!
    In meinen Augen hat der Schreiber weder das Konzept noch die Message der Band verstanden! Vielleicht sollte er sich einmal mit dem Songwriter zusammensetzen und sich alles erklären lassen… ?!
    Ich, und auch meine Freunde die Mundtot ebenfalls schon live gesehen haben, waren von dem Auftritt angetan! Und wir sind in keinster Weise depressiv oder dergleichen!!! Im Gegenteil, wir sind sehr lebensbejahend!!!
    Was ich als sehr verstörend an diesem Abend wahrgenommen habe, waren die unter 16 Jährigen, die in Anwesenheit der Mutter stockbesoffen rumhüpften und gegröhlt haben als wären sie auf dem Ballermann!!

  3. Der Text beschreibt eindeutig das was jeder Fan von Staubkind fühlt nicht nur Louis und die anderen Band Mitglieder sind endlich Angekommen sondern viele ihrer Fans. Ich hoffe es werden noch viele schöne Jahre folgen

  4. Sehr klasse geschrieben,es kommt selten vor das ich beim lesen Gänsehaut bekomme,aber als ich das hier laß,bekam ich eine nach der anderen! Vielen lieben Dank für dieses tolle Stagemant von Staubkind!

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