Review Antigone’s Fate – Insomnia

  • Label: Northern Silence
  • Veröffentlicht: 2018
  • Spielart: Black Metal

„Melancholic Black Metal“ – an sich ist mit diesem Terminus alles gesagt, was man über die Musik von ANTIGONE’S FATE wissen muss. Und doch ist „Insomnia“, das Debüt des deutschen Ein-Mann-Projekts, noch so viel mehr, als dass man es mit einer so eindimensionalen Genre-Variation zur Gänze erfassen könnte. Dass Einzelkämpfer Ruun seine vier ausschweifenden Kompositionen, die zwischen neun und siebzehneinhalb Minuten lang sind, erst Jahre nach den ersten Ideen und abseits seiner anderen Projekte veröffentlicht, da sie für diese zu außergewöhnlich seien, spricht vorab sehr dafür, dass sich der Mann viel dabei gedacht hat. Doch Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall und stilistische Vielfalt kann schnell zur Ziellosigkeit verkommen. Wie ist es also um das Schicksal von ANTIGONE’S FATE bestellt?

Die flinken Akustikgitarren, die dem Opener „In endlosen Eiswüsten“ eingangs den Weg bereiten, lassen sogleich hoffnungsvoll aufhorchen. Wer dadurch mit Blick auf das trostlose, naturmystisch anmutende Gemälde auf dem Cover auf die Idee kommt, es handele sich bei ANTIGONE’S FATE um herkömmlichen Folk Black Metal, wird jedoch kurz darauf eines Besseren belehrt. Alsbald schlägt die Stimmung nämlich um, als plötzlich schleppende Gitarren und Drums sowie tragische Keyboards den Track in Richtung Doom Metal treiben. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte klar sein, dass man bei „Insomnia“ auf alles gefasst sein muss.

Während in einer Minute noch beschwingte Akustikgitarren durch die Ohrmuscheln tänzeln („Monumente des Verfalls“), können ein paar Augenblicke später schon mehrstimmige, schwermütige Leadgitarren und treibende Double-Bass-Drums die Vorherrschaft an sich reißen. Ein Song kann bei ANTIGONE’S FATE mit brachialen Blast-Beats und Riffs anfangen und mit trübsinnigen, klassisch angehauchten Pianoarrangements sein Ende nehmen („Mauern aus Glas“) – ohne jedoch jemals seinen natürlichen Fluss zu verlieren. Ruun versteht sich als Songwriter nämlich nicht nur darauf, fantastische Melodiebögen zu konstruieren, sondern sie auch in den richtigen Momenten umzulenken oder abzubrechen.

Dass die 50-minütige Platte trotz ihrer großen musikalischen Bandbreite stets ihre zutiefst bedrückende Grundstimmung wahrt, ist jedoch ebenso auf den unglaublich emotionsgeladenen Gesang zurückzuführen. Gramvolle Growls und wütende Screams sind keine Seltenheit, doch letztlich sind es die klagenden und zugleich kraftstrotzenden, leicht an Horn erinnernden Clean-Vocals, die den Hörer innerlich ergreifen und mitreißen. Sämtliche für die Musik von ANTIGONE’S FATE charakteristischen Gefühlslagen wie Trauer, Wut und Sehnsucht („Insomnia 32.3.“) kommen im klaren Gesang authentisch zum Ausdruck, wodurch die Musik als Ganzes umso eindrucksvoller wirkt.

ANTIGONE’S FATE steht noch am Anfang seines Weges, das Ziel ist ungewiss. Seine ersten Schritte hat Ruun jedoch äußerst überlegt gesetzt: „Insomnia“ ist ein so abwechslungsreiches wie konsistentes und überwältigendes Album, das von Anfang bis Ende begeistert. Der wuchtige, ungeschliffene Sound mag noch ein wenig verbesserungswürdig sein, wie auch stellenweise die spielerische Performance, doch angesichts der immensen Wirkung, die „Insomnia“ auf emotionaler Ebene ausübt, sind diese winzigen Mängel absolut zu vernachlässigen. Ein monumentales Erstlingswerk, das ANTIGONE’S FATE als vielversprechendes neues Projekt präsentiert, das es trotz potentiell langer Wartezeiten auf den Nachfolger im Auge zu behalten gilt.

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Wertung: 9 / 10

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