Review Frost* – Day And Age

Auf der EP „Others“ und insbesondere auf ihrem letzten Album „Falling Satellites“ haben FROST* ein beeindruckendes musikalisches Feuerwerk gezündet. Kaum eine Band spielt Progressive Rock im 21. Jahrhundert so modern, kreativ, facettenreich und rasant wie Jem Godfrey, John Mitchell und Nathan King. Das Schöne dabei: Trotz allem stehen die Melodien im Mittelpunkt – und setzen sich unweigerlich im Ohr fest.

Mit „Day And Age“ präsentieren die Briten jetzt ihren vierten Longplayer. Der Vorgänger war über weite Strecken instrumental ausufernd arrangiert und quoll vor Spuren beinahe über. Die neue Scheibe ist deutlich entschlackter ausgefallen, songdienlicher und leichtfüßiger. Selbst der fast zwölfminütige Titeltrack ist im Grunde ein einfacher Fünfminüter, der darauffolgende Instrumentalpart ist der längste der Platte und im Vergleich zu den Frickel-Eskapaden auf „Falling Satellites“ beinahe simpel und eintönig – und ein wenig zu lang. Zu allem Überfluss wird er am Ende lieblos ausgeblendet. Als Opener funktioniert der Song dennoch hervorragend: Er rockt luftig los, die Melodien zünden sofort, der Unterhaltungsfaktor ist hoch.

Nach dem Ausstieg von Drummer Craig Blundell haben sich FROST* dazu entschieden, mit verschiedenen Gastschlagzeugern zusammen zu arbeiten: Hinter der Schießbude nehmen Pat Mastelotto (King Crimson, Mr. Mister), Kaz Rodriguez (Chaka Khan, Josh Groban) und Darby Todd (The Darkness, Martin Barre) Platz. Sehr charakteristische Drummer, die mit ihrem Spiel mehr als nur Duftmarken in den Liedern hinterlassen. „Skywards“ oder „Repeat To Fade“ etwa werden durch das kraftvolle Drumming von Pat Mastelotto erst richtig lebendig.

Auffällig ist ein höherer Anteil an typischen John-Mitchell-Momenten. Seine Handschrift ist in Tracks wie „Terrestrial“, „Island Life“ oder „Skywards“ unverkennbar: Die Gesangsarrangements wecken sofort Erinnerungen an seine Projekte Lonely Robot, It Bites oder Kino. Immerhin hat sich das Trio bemüht, sie nach FROST* klingen zu lassen, was Hörer*innen bei „Terrestrial“ ab der dritten Minute gut nachvollziehen können. Der hohe Wiedererkennungswert von FROST* leidet nichtsdestotrotz. Außerdem haben diese Nummern eine verhältnismäßig kurze Halbwertszeit. Schlecht im eigentlichen Sinne des Wortes sind sie deshalb noch lange nicht; nur ein wenig konservativ und dröge im Vergleich zu den rasanten Prog-Achterbahnfahrten, für die die Combo bisher bekannt war.

Deutlich kreativer wird es bei „The Boy Who Stood Still“, dem Highlight der Platte. Getragen von der Erzählstimme eines gewissen Jason Isaacs und stark groovender Bass- und Schlagzeugarbeit ist das Lied einzigartig im Oeuvre der Band. Für zweieinhalb Minuten wird Spannung aufgebaut; dann wird es ruhig, nur damit der Track wenig später mit treibendem Synthi-Lead und fetten Drums richtig Fahrt aufnehmen kann. Im letzten Drittel des Siebenminüters erwartet uns ein episches Crescendo und Finale mit Chorgesängen, 80er-Elektrodrums, allerlei Soundeffekten und Produktions-Gimmicks, die es heute so nur bei FROST* zu hören gibt.
Von allen Songs auf „Day And Age“ erinnert diese Nummer am ehesten an Großtaten wie „Towerblock“ auf dem Vorgänger, auch wenn der Vibe ein gänzlich anderer ist. Stellt Euch ein Sound-Design wie bei Yes zu Zeiten von „Union“ und „Talk“ vor, gemischt mit dem Sprachsample-Teil aus Rushs „Roll The Bones“. Richtig stark!

Auch die letzten beiden Tracks lassen die Boxen in bester FROST*-Manier wummern und machen Spaß. „Kill The Orchestra“ nimmt dabei einige Motive aus vorherigen Songs wieder auf und geht direkt in „Repeat To Fade“ über, den wuchtig groovenden Abschluss, der wiederum einige Takte zu lang geraten ist.

Fassen wir zusammen: In der bisherigen Diskografie der Band ist „Day And Age“ das zugänglichste Werk, was den Einstieg erleichtern mag. Für FROST*-Maßstäbe ist es damit aber auch erstaunlich konventionell, erst recht im Vergleich zu „Falling Satellites“. Solospots wurden auf ein absolutes Minimum reduziert. Das schafft eine Bühne für das vitale Spiel der drei Gastschlagzeuger.
Insgesamt ist es ein gutes, unterhaltsames und perfekt produziertes Album, mit dem sich Jem Godfrey, John Mitchell und Nathan King aber dennoch unter Wert verkaufen – vor allem mit Blick auf ihre eigenen Veröffentlichungen. Ganz ähnlich wie schon beim Zweitling „Experiments In Mass Appeal“, der sogar noch ein Stück spannender war.

Der Titeltrack in der editierten Fassung (leider ohne Instrumentalteil):

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Wertung: 7 / 10

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