Review Hypocrisy – A Taste Of Extreme Divinity

So lange wie noch nie ließ Mastermind Peter Tägtgren auf ein Comeback-Album von HYPOCRISY  warten – vier Jahre zogen ins Land, seit die letzte Langrille „Virus“ die Szene infizierte. Zwar überbrückte Tägtgren im vorigen Jahr die Durststrecke mit einer überarbeiteten Neuveröffentlichung des 2002er Albums „Catch 22“, jedoch war er hauptsächlich mit seiner Zweitband Pain beschäftigt, mit der er sich in besagtem Zeitraum wiederholt ins Studio verzog und ausgiebig tourte. Dass der Workaholic auch noch als angesehener Produzent seine Brötchen verdient, ist allgemein bekannt. Diese Vollbelastung wirft die Frage auf, warum Tägtgren vor lauter Stress noch keinen Herzkasper gekriegt hat und es immer wieder schafft, erstklassigen Death Metal abzuliefern. Doch um jeglichem Zweifel Einhalt zu gebieten, gleich eines vorweg: „A Taste Of Extreme Divinity“ klingt nicht wie eine Scheibe, die mal eben so in den Klopausen komponiert und nebenbei schnell im Studio eingeholzt wurde. Vielmehr ist sie eine lautstarke und überzeugende Rückmeldung der schwedischen Metal-Institution, die beweist, dass HYPOCRISY auch nach fast 20 Jahren Bandgeschichte ihren Zenit noch nicht überschritten haben. Textlich hat sich neben der allseits bekannten Science-Fiction-Alien-Thematik und dem gelegentlichen Religions-Bashing diesmal auch ein wenig Sozialkritik eingeschlichen.

Den fulminanten Einstieg bietet „Valley Of The Damned“, eine kompromisslose Uptempo-Nummer, die den Hörer unvermittelt ins Geschehen wirft und ihm die peitschenden Blastbeats von Horgh um die Ohren drischt. Zur Songmitte hin entwickelt sich der Opener zu einem melodischen Doublebass-Stampfer, während am Ende das Gaspedal wieder durchgetreten wird. Mit der etwas gemäßigteren Nummer „Hang Him High“ folgt einer der wohl kurzweiligsten Songs des neuen Albums, der mit einem hymnischen Refrain besticht und live sicherlich ein Knaller wird. Auch „Solar Empire“ regt im Refrain zum Mitgrölen an und zeigt Tägtgren und seine mittlerweile wieder nur zwei Mitstreiter von ihrer typischen Seite. Spätestens bei „Weed Out The Weak“ bemerkt man, dass die im Vergleich zu den vorherigen Alben schnellere, brutalere Gangart von „Virus“ konsequent fortgeführt wird. Hier machen die Schweden kein Geheimnis daraus, dass sie mit dem Immortal-Drummer einen echten Knüppelknecht hinter den Kesseln sitzen haben. Die Nummer erfrischt zudem in der zweiten Hälfte (ebenso wie „Alive“) mit für Bandverhältnisse untypischen Breakdowns. Wenn HYPOCRISY auch nie eine Band war, die sich dem traditionellen Death Metal der alten Schule verschrieben hat, so ist man solche Sounds doch eher von moderneren Acts ausgewöhnt, vornehmlich aus dem Metalcore-Lager. „No Tomorrow“ setzt dann wieder mehr auf Groove und ein getrageneres Tempo und erinnert sowohl durch seine Struktur als auch durch seine Atmosphäre an „Fractured Millennium“, einer der Übersongs der Schweden schlechthin.

Auch auf der zweiten Albumhälfte widmen sich HYPOCRISY weiter dem, was sie am besten können – einer Mischung aus düsteren, von atmosphärischen Keyboards unterstützten Bangern („Global Domination“) und fiesem, von animalischen Growls durchsetztem Geknüppel („Taste The Extreme Divine“). Das anfänglich gesetzte Niveau kann dabei nur bedingt gehalten werden – hier und da tauchen Wiederholungen auf, wodurch die Abwechslung etwas auf der Strecke bleibt. Von aufkommender Langeweile kann jedoch keineswegs die Rede sein. Mit „The Quest“ liefert das Trio nochmal einen epischen Wutbrocken ab, bei dem es auch nicht weiter stört, dass er stellenweise die schmalzigsten Melodien aus dem Melodic-Death-Bereich in sich vereint. Diese Nummer wäre ein idealer Rausschmeißer gewesen, jedoch folgen mit dem durchschnittlichen „Tamed (Filled With Fear)“ und dem Nackenbrecher „Sky’s Falling Down“ noch zwei weitere Tracks, die zwar definitiv nett anzuhören sind und Spaß machen, doch insgesamt nichts Neues mehr bieten. Weniger ist eben manchmal mehr; auf Gedeih und Verderb unvorhersehbar zu wirken, hat noch keinem Album gut getan.

Unterm Strich ist „A Taste Of Extreme Divinity“ trotz kleiner Schwächen ein verdammt starkes Stück Schwedentod mit vielen Ohrwürmern geworden, das zusammen mit dem Output von Asphyx zu den Top-Releases des Jahres 2009 im europäischen Death-Metal-Bereich gehört. Es mag etwas sauer aufstoßen, wie oft das Trio die einfallslose Methode des Fade-outs benutzt, um Songs zum Ende zu bringen (ein Merkmal, das man auch auf den von Tägtgren produzierten Alben des Öfteren bemerkt), doch dies sei nur eine Bemerkung am Rande. HYPOCRISY-Fans können hier blind zugreifen und allen Genre-Sympathisanten sei empfohlen, der Scheibe mal ein Ohr zu leihen. Für die Special-Edition-Fans bietet Nuclear Blast außerdem das obligatorische Digipak mit Bonustrack.

Wertung: 8.5 / 10

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