Review Karg – Traktat

  • Label: AOP (Art Of Propaganda)
  • Veröffentlicht: 2020
  • Spielart: Black Metal

Nachdem J.J., den man als Post-Black-Metal-Hörer vor allem als Frontmann von Harakiri For The Sky kennt, 2016 mit „Weltenasche“ das vielleicht herausragendste Album seines Soloprojekts KARG herausgebracht hatte, legte der österreichische Musiker zwei Jahre danach mit „Dornenvögel“ eine ebenfalls starke, im Vergleich jedoch etwas zu überladene und weniger einprägsame Platte nach. Wiederum zwei Jahre später liegt mit „Traktat“ nunmehr die nächste Veröffentlichung vor, die ihren Titel als Full-Length-Album erneut mit Recht trägt: Ganze 77 Minuten an neuem Songmaterial, verteilt auf acht siebeneinhalb bis elfeinhalb Minuten lange Tracks, bilden die Leinwand, auf der KARG seine unverändert triste Klangmalerei betreibt.

Dass es nicht gerade ein Leichtes ist, ein Album, das beinahe schon Spielfilmlänge hat, frei von Filler-Material zu halten, versteht sich eigentlich von selbst. Daher ist es nicht verwunderlich, dass „Traktat“ leider den gleichen Mangel an Prägnanz aufweist wie sein Vorgänger. So unterbricht KARG die überwiegend von schmerzvoller Rastlosigkeit getriebenen Longtracks so manches Mal für eine kurze Verschnaufpause in Form von stimmungsvoll verhallenden, schwermütigen Clean-Gitarren, nur um die Musik alsbald wieder intensiv aufwallen zu lassen.

Mag dies mitunter auch in einer mitreißenden Dynamik resultieren, so wird dieses erneute Aufbäumen auf Dauer doch arg vorhersehbar und erscheint in manchen Tracks sogar überflüssig – um diese Parts hätte KARG das Album problemlos kürzen können. Weitaus bedauerlicher ist jedoch der Umstand, dass die drängenden Gitarrenriffs, die stürmischen Drums und die tristen Clean-Gitarren, wenn sie einander überlappen, manchmal wirr erscheinen und dass sich ein paar der Tracks kaum ins Gedächtnis brennen („Alaska“). Auch mit seinem heiseren Schreigesang, der an manchen Stellen klingt, als würde J.J. jeden Moment die Stimme verlieren, zeigt sich der Solokünstler nicht gerade in Höchstform.

Nun muss man KARG bei aller Kritik nichtsdestotrotz zugutehalten, dass an „Traktat“ auch sehr vieles positiv zu werten ist. So glänzt die Platte etwa durch ihre gekonnt abgerundete Produktion, die die griffigeren Passagen nicht ganz so spröde erscheinen lässt wie etwa noch auf „Weltenasche“, und durch die Texte im Salzburger Dialekt, die zugleich berühren und erschüttern. Zudem finden sich zwischen den eher mittelmäßigen Nummern auch einige deutlicher herausstechende Stücke, wie etwa der treibende Opener „Irgendjemand wartet immer“ mit seinem herzzerreißenden „Inception“-Sample, das von schluchzenden Geigen begleitete „Stolperkenotaphe“ und das kantige „Abgrunddialektik“, in dem KARG die Melancholie der Melodien mit einem unerwartet sinistren Unterton versieht.

Würde man „Traktat“ bloß an seinen stärksten Momenten messen, könnte man durchaus argumentieren, dass KARG sich damit selbst übertroffen hat. Sound und Performance lassen keine Wünsche offen, die gelegentlich eingearbeiteten Besonderheiten wie Streicher und Samples verstärken die emotionale Wirkung der Songs ungemein und allein aufgrund der Texte steht außer Frage, dass J.J. hier abermals all sein Herzblut hineingesteckt hat. Leider können in der Gesamtbetrachtung aber auch die weniger mitreißenden Passagen sowie die gesanglichen und strukturellen Schwachpunkte nicht unberücksichtigt bleiben, sodass KARG hiermit letztlich ein zwar zufriedenstellendes, jedoch nicht überragendes Album geschaffen hat.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert