Review Karies – Alice

Auf „Es geht sich aus“ präsentierten KARIES ihre Musik zuletzt als kalten, sterilen Post-Punk mit unterschwelligen experimentellen Tendenzen. In den meisten der Tracks wussten die Deutschen zu überzeugen, die Platte hatte nur wenige geringfügige Durchhänger. Mit ihrem dritten Album „Alice“ wagt die vierköpfige Band nun den Aufbruch ins stilistische Neuland: Bunter und lebhafter sollen die Songs klingen, die KARIES in ihrem kreativen Streben erdacht haben. Schon das von grellem Orange dominierte Cover macht in dieser Hinsicht neugierig, aber auch skeptisch. Spielen KARIES womöglich gar keinen Post-Punk mehr?

Nein, ganz so weit hat es KARIES dann doch nicht von der musikalischen Heimat fortgetrieben. Neuartige Einflüsse sind auf „Alice“ zwar nicht zu überhören, doch den Kern bilden nach wie vor stoischer, nur vereinzelt ausgelassener Gesang, schwungvolle, verwaschene Gitarrenläufe, brummender Bass und simple, peppige Drums. Die Art und Weise, auf welche KARIES diese Stilmittel in Szene setzen, unterscheidet sich jedoch deutlich von der des Vorgängeralbums. Wo „Es geht sich aus“ bedrückend und scharfkantig klang, versprüht „Alice“ trotz der nach wie vor nahezu durchwegs präsenten Melancholie eine anschmiegsame Leichtigkeit, die mitunter fast schon an Pop-Appeal grenzt („Reden über was“).

Künstlerische Kompromisse mit dem Zweck, mehr Leute anzusprechen, kann man KARIES jedoch mit Sicherheit nicht unterstellen. Anstatt sich einfach nur stumpfsinnig dem Mainstream anzuschließen, machen sich die Deutschen ihre frischen Ideen völlig ungezwungen zunutze und erweitern damit ihr Ausdrucksvermögen. Ihren Punk-Schneid haben KARIES darüber hinaus keineswegs verloren, wie man etwa am fetzigen „Pebbo“ oder am unterkühlten „Bruch“ hören kann, das auch auf „Es geht sich aus“ nicht fehl am Platz gewesen wäre.

Eine interessante Neuerung bekommt man in Form von Electro-Sounds geboten – insbesondere im hypnotischen Titeltrack und im hypermodernen Refrain von „1987“, dessen lässige Strophen hingegen ebenso gut The Cures „Three Imaginary Boys“ entkommen sein könnten. Neben der nuancierten, kristallklaren Produktion ist außerdem die Dynamik der Songs lobend hervorzuheben. Mühelos wechseln KARIES ruhige, nachdenkliche Passagen mit überraschend rasanten Exzessen ab, ohne dass die Übergänge jemals unpassend oder beliebig erscheinen („Nebenstraßen“).

Schon mit „Es geht sich aus“ haben KARIES klargestellt, dass sie offensichtlich nicht daran interessiert sind, sich zu wiederholen. „Alice“ lässt diese Vermutung nunmehr zur Gewissheit werden. Wirkten die Kompositionen auf der erstgenannten Platte vereinzelt noch ein wenig unausgegoren, so ist die Neuausrichtung diesmal vollends geglückt. In nicht einmal 40 Minuten meistern KARIES die Gratwanderung zwischen Post-Punk und Post-Rock sowie einer Prise Pop und elektronischer Musik. Die doppeldeutigen, aber durchaus gut interpretierbaren Texte und der makellose Sound runden „Alice“ letztlich zu einem in sämtlichen Aspekten hervorragenden Album ab.

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Wertung: 8 / 10

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