Review Leprous – Melodies Of Atonement

Was die norwegischen Progressive-Meister von LEPROUS angeht, ist wohl eine Sache klar: In den letzten sieben Jahren hat sich bei der Band hinsichtlich Sound und Ausrichtung so einiges getan. Das 2017 erschienene „Malina“ markierte diesen Umbruch. Weiches Riffing traf auf zutiefst melancholische Cello-Arrangements und einen gewissen Pop-Appeal. Den eingeschlagenen Weg gingen LEPROUS mit den nachfolgenden Alben „Pitfalls“ und „Aphelion“ konsequent weiter, zuletzt erschien mit „Melodies Of Atonement“ das nun achte Album der Norweger.

Gleich vorweg, über die Maße progressiv agieren LEPROUS auch auf ihrem aktuellen Longplayer nicht. Natürlich gibt es kleine polyrhythmische Schlenker, im Wesentlichen spielen diese sich aber auf düster-träumerischen Synthie-Sphären ab, die immer wieder von vergleichsweise straffen Gitarrenarrangements durchbrochen werden.

Der Opener „Silently Walking Alone“ zum Beispiel weiß mit einem einfachen, aber wunderbar griffigen Refrain direkt für sich einzunehmen, während das anschließende „Atonement“ durch straighte Rhythmen und schmissige Electronica begeistert. Den Wellencharakter von „Melodies Of Atonement“ bringt das anfänglich sacht groovende „Like A Sunken Ship“ mit einem furiosen wie brachialen Finale auf den Punkt. Die über die Maßen eingängige Nummer „Limbo“ hingegen führt aus progressiver Verschrobenheit in vollkommene Simplifizierung. Fans vertrackter Spielereien werden hier wohl die letzte Träne der Hoffnungslosigkeit vergießen.

Im Zentrum der Stücke von LEPROUS steht selbstverständlich Einar Solberg. Mit seiner durchdringenden Stimme bildet er auf Songs wie „My Specter“ und „I Hear The Sirens“ den theatralischen Mittelpunkt. Die Musik scheint wie ein Mantel, der um die Stimme des Ausnahmesängers komponiert wurde. Das gerät dem großen Ganzen aber in keinem Fall zum Nachteil. Es ist einfach erstaunlich, welche Atmosphäre die Band so erreichen kann. Ein Song wie „I Hear The Sirens“, der mit seinem schleichenden Aufbau in der Strophe träumerische Stimmungen aufsetzt, kulminiert im Refrain durch schweres Riffing und beschert den einen oder anderen „The Congregation“-Gedächtnisschauer.

„Melodies Of Atonement“ steckt voller großer Momente. Sei es der schmissige Build-up im zweiten Drittel von „Faceless“, die schiere Tragik eines „Starlight“ oder der erschütternde wie erhabene Refrain des herausragend inszenierten Album-Closers „Unfree My Soul“. Es ist tatsächlich sehr schwer, aus diesem Longplayer einzelne Highlights hervorzuheben, schlicht, weil es keine nennenswerten Abfälle in der Spannungskurve gibt. LEPROUS gehen auf „Melodies Of Atonement“ überraschend vehement, beinahe brachial zu Werke, ohne dabei die sanften Zwischentöne der letzten Jahre zu veruntreuen. Was ist also das achte Album der Schweden? Progressive? Pop? Rock? Metal? „Melodies Of Atonement“ ist alles davon, dargeboten auf einem kompositorisch wie spielerisch derart hohen Niveau, dass alles unterhalb der Höchstnote eine Frechheit wäre.

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Wertung: 10 / 10

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