Review Nachtmystium – The World We Left Behind

„The World We Left Behind“ ist ein Album mit einer schwierigen Vorschichte. Blake Judd, der Kopf von NACHTMYSTIUM, litt unter schweren Drogenproblemen und saß zeitweise sogar im Gefängnis. Nachdem er die Band letztes Jahr offiziell aufgelöst hatte, entschied er sich jedoch, noch ein allerletztes Abschiedsalbum zu schreiben, in dem er auch ganz offen mit seinen Drogenproblemen abrechnet. Viel mehr ins Detail gehen braucht man  nicht.

Das Ergebnis ist nun dieses Album mit dem leicht kitschigen, scharlachroten Cover, das eigentlich schon sehr viel darüber aussagt, in welche Richtung sich NACHTMYSTIUM musikalisch wenden. „The World We Left Behind“ ist ein zutiefst emotionsgeladenes Album, das das ausstrahlt, was in der Musikwelt als „Finnische Melancholie“ bekannt ist. Tatsächlich erinnert die Musik an Bands wie etwa Insomnium, auch wenn die Black-Metal- und Psychedelic-Wurzeln der Band immer noch präsent sind. Aber NACHTMYSTIUM sind eingängiger und melodiöser geworden. Wenn man sich darauf einlässt, kann einen „The World We Left Behind“ tief berühren, besonders die wunderschönen Gitarrensoli bohren sich einem geradezu ins Herz. Die Aggression, der raue Gesang und die gelegentlichen Blast-Beats scheinen nur eine Fassade zu sein, die einen wesentlich weicheren und sanfteren Kern verbirgt. Man könnte das Ganze zynisch mit „Horrorfilm-Regisseur dreht plötzlich Melodrama“ betiteln. Natürlich spaltet so etwas die Fangemeinde, natürlich polarisiert es. Die Frage, die sich dem Kritiker stellt ist aber vor allem: „Ist es denn dann wenigstens ein gutes Melo-Drama?“ Die Antworten darauf ist ein klares, aber nicht uneingeschränktes „ja“.

Eine Schwäche von „The World We Left Behind“ ist die vergleichsweise flache Produktion. Drucklos hält sie die Musik auf durchgehend gleichem Niveau, differenziert kaum. So gehen nicht nur die psychedelischen Elemente stellenweise sang- und klanglos unter, auch kommt irgendwie das Gefühl auf, die Musik würde „vor sich hin plätschern“. Das kann gewollt sein, verstärkt es doch die melancholische Ausstrahlung, trägt aber auch zum wohl größten Manko der Platte bei: Fehlende Langzeitmotivation. Die Eingängigkeit führt zu einem Verlust an Tiefe; die gleichförmige Produktion und die unveränderte Stimmungsfarbe lassen „The World We Left Behind“ viel zu schnell abnutzen. Rückblickend wird so der erste Hördurchlauf auch gleich zum besten – danach geht es leider bergab.

Trotzt alledem bleibt „The World We Left Behind“ eine starke Platte mit tollen Momenten und Judd ein begnadeter Songwriter. Entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung wird das Album jedoch doch nicht sein letztes Werk sein, das unter dem Namen NACHTMYSTIUM erscheint. Es bleibt also abzuwarten, ob nach diesem vermeintlichen Abschiedsalbum ein neues musikalisches Kapitel in der Geschichte der Band beginnt, oder ob „The World We Left Behind“ mit seinem neuen Stil nicht vieleicht schon den ersten Akt dieser neuen Phase darstellt.

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Tobias Schultz

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