Review Nightrage – The Puritan

Um die komplette Besetzungsliste der schwedisch-griechischen Melodic Deather NIGHTRAGE zu entschlüsseln, braucht man beinahe ein Mathematikstudium: Fast 30 Musiker haben sich in den 15 Jahren Bandgeschichte die Ehre gegeben und sogar die Basis des Trios hat insgesamt dreimal gewechselt. Aktuell ist man (mal wieder) in Göteborg stationiert und hat mit „The Puritan“ das sechste Album am Start.

Ronnie Nyman, bislang noch kein festes Bandmitglied, gibt mit der vorliegenden Platte seinen Einstand. Mit ihm kehrte frischer Wind ins Spiel der Truppe ein, die sich durch kürzere Songs auszeichnet, die schneller auf den Punkt kommen. Auf gerade einmal 38 Minuten kommen die elf Songs, die allesamt konsequent durcharrangiert sind. Das Songwriting unterliegt dabei einem ähnlich scharfen Fokus wie die schneidenden Riffs. Scheinbar macht sich der Wechsel ins Dug-Out-Studio unmittelbar bemerkbar.
Dabei hecheln NIGHTRAGE aber nach wie vor keinen Trends nach, sondern geben sich kompromisslos wie eh und je. Vor allem beim aggressiven Gesang machen die drei Herrschaften keine Gefangenen, Ronnie erinnert dann ein wenig an Peter Tägtgren zu „The Arrival“-Zeiten. Ansonsten klingt „The Puritan“ auch 2015 bemerkenswert eigenständig und die Band schafft den Spagat zwischen einer nicht allzu limitierten Genre-Zuordnung und einem gänzlich eigenen Stil.
Reiner Melodic-Death wird also nicht geboten, Gitarrist und Hauptsongwriter Marios Iliopoulos besticht mit einer erfreulichen Variabilität, mal ein Thrash-Riff, dann klingen Anleihen aus dem schwarzmetallischen Bereich durch, nur um unmittelbar, aber ohne großen Bruch, wieder zum Ursprung zurückzukehren. Zugute kommt NIGHTRAGE dabei tatsächlich der opulente Sound, die Drums knallen und die Gitarre walzt, dass es eine Freude ist. Sicherlich würden die Songs wesentlich weniger gut wirken, wenn man sich mit einer 08/15-Produktion zufrieden gegeben hätte.
Eigentlich ist „The Puritan“ ein schickes Stück aggressiv-melodische Metal-Musik geworden, es fehlt aber (wie bei so vielen Bands) an ein paar richtig hervorstechenden Nummern. Anhören kann man sich jedes der elf Lieder und auch der Gesamtgenuss wird nicht durch Langeweile getrübt. Ist die Scheibe aber ins Ziel gelaufen, ist man auch beim fünften Durchgang kaum in der Lage, eine Melodie auch nur innerlich nachzupfeifen.

Also nur ein negativer Punkt, aber der wiegt schon einiges. Man kann NIGHTRAGE sicher ganz gut beim Autofahren im sommerlichen Sonnenschein hören, wenn die Bude mal wieder geputzt werden muss oder auf dem Weg zum Bäcker. Nebenbei also, das richtig hochklassige Vergnügen stellt sich leider trotz der vielen gelungenen Ansätze nicht ein. Dennoch ist „The Puritan“ ein gefälliges Werk, welches zumindest Freunde des melodischen Death Metals und der angrenzenden Spielarten durchaus mal antesten können.

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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