Betrachtet man sich die Musikmagazine der letzten Jahre, könnte man den Eindruck haben, dass viele der „guten“ Bands tatsächlich nur deswegen als gut gelten, weil sie sich in einer Traditionslinie bewegen und an die oder die Band erinnern. Innovation scheint zu Beginn des 21. Jahrhunderts also nicht mehr gefragt zu sein. Vor allem in den letzten Jahren hat sich in vielen Musikrichtungen allerdings scheinbar eine Tendenz entwickelt, die ausgetretenen Pfade durch Input aus anderen Genres ein wenig auszuweiten und nicht nur stumpf eine Genretradition fortzuführen. Zugegeben, in den 90er Jahren gab es dieses Phänomen auch schon. Man nannte das Crossover. Während sich das „crossing“ hier allerdings weitestgehend auf Rock und Hip Hop beschränkte, zeigen nicht zuletzt Bands aus dem Metal Sektor wie Liturgy, Deafheaven, Wolves In The Throne Room oder Alcest, dass auch innerhalb verschiedener Spielarten der Gitarrenmusik genügend Anknüpfungspotential vorliegt. Mit der Veröffentlichung ihres Debüt-Albums „Aut Caesar Aut Nihil“ kann nun auch die französische Band SEKTEMTUM in diese Reihe aufgenommen werden.
Wie die anderen eben genannten Bands kann man auch im Falle der vier Franzosen eine Einordnung in das Genre des Black Metal wagen. Diese Spielart eignet sich nicht zuletzt deswegen gut für eine Verschmelzung mit anderen Musikstilen, da hier (mal mehr, mal weniger gelungen) auf Atmosphäre gesetzt wird. Atmosphäre wird auch auf „Aut Caesar Aut Nihil“ großgeschrieben. Zwar ist diese, dem Musikstil angepasst, meistens aggressiv, manchmal böse und eigentlich durchgehend negativ – doch wird dies eben nicht nur durch die genre-üblichen Muster erzeugt, sondern durch ein spannendes Wechselspiel verschiedener Untergattungen. Klassische High-Speed-Teile dienen meistens nur als punktuelle Anreicherungen und drängen sich nie in den Mittelpunkt der Songs. Sludge-Attacken wechseln sich immer wieder mit fiesem Geballer ab, geachtelte hohe Gitarren werden von tonnenschweren Riffgewittern abgelöst, und wenn es passt, dann stört es die Band auch nicht, wenn an Hardcore erinnernde Breaks eingesetzt werden oder ein klassischer Half-Time-Teil eingeschoben wird. Der sehr tiefe Gesang erinnert nur gelegentlich an die fiesen Tonlagen anderer Genre-Vertreter und wird an einigen Stellen unfassbar stimmig durch mehrere Stimmen ergänzt oder verhallt.
Während der unglaublich mächtige Title-Track (inklusive sehenswerten Videoclip, welcher auf Youtube bereits für eine Klassifikation der Band als „Hipster Black Metal“ gesorgt hat) teilweise von der Attitüde an Satyricon erinnert, kommen im Laufe der Platte häufig Vergleiche mit ihren französischen Landsmännern von Celeste oder den Black’n’Rollern von Kvelertak in den Kopf. Dass besonders in „The Average, The Ordinary“ quasi ununterbrochen zwischen den Musikstilen hin und hergesprungen wird, gibt dem Ganzen eine durchaus erheiternde Note, und die sehnsüchtigen Akkordfolge im Abschlusstrack „Low Spread“ reißt noch einmal alle emotionalen Türme ein.
Das wirklich Schöne ist aber, dass all diese Vergleiche letztendlich immer noch zu kurz greifen, und SEKTEMTUM mit ihrem Debüt-Album eine wirklich individuell geprägte Platte vorlegen, welche zwar auf Grund ihrer vielen „traditionellen“ Elemente noch in die Black-Metal-Schublade gesteckt werden kann, dieses Genre allerdings absolut spannend erweitert. Wenn Crossover im 21. Jahrhundert so klingt, dann gerne mehr davon.
Wertung: 8 / 10