Silent Skies - Nectar

Review Silent Skies – Nectar

Tom S. Englund hat sich als Sänger von Evergrey einen mehr als nur guten Namen gemacht und gilt zurecht als einer der besten und emotionalsten Vertreter seines Fachs. Für SILENT SKIES hat sich der Schwede mit dem amerikanischen Pianisten, Multiinstrumentalisten und Produzenten Vikram Shankar zusammengeschlossen. Die beiden haben bereits 2020 mit „Satellites“ ihr erstes Album veröffentlicht und legen nun mit „Nectar“ die zweite Scheibe nach. Dem gemeinen Metaller mag das Projekt bisher durch die Lappen gegangen sein: Das Debüt erschien über das Label Sweet Lemon und damit außerhalb der metallischen Community, nun hat sich Napalm Records aber die Combo gekrallt.

Mit Metal haben SILENT SKIES bis auf das Label und die Verbindungen des Sängers aber nichts am Hut. Englund und Shankar zaubern auf „Nectar“ traumhafte Melodien und zauberhafte Ambient-Klänge. Durch die ruhige Instrumentierung und Konzentration auf den Gesang erinnern SILENT SKIES stilistisch sehr an Singer-songwriter, durch den melancholischen Grundton ließe sich die Musik wohl am ehesten als neoklassischer Dark Pop bezeichnen.

“I feel like I can’t breathe
Feels like I’ve lost control.”

Bei SILENT SKIES geht es vor allem um Emotionen, Englund und Shankar scheinen genau dafür das perfekte Gespann zu sein. Die zerbrechlichen und sanften Pianoklänge harmonieren wundervoll mit dem sehnsüchtigen und schmerzerfüllten Gesang. Piano und Gesang sind tatsächlich auch die Hauptdarsteller auf „Nectar“: Zur Unterstützung werden Keyboard, Synthesizer und elektronische Elemente eingesetzt, außerdem steuert mit Raphael Weinroth-Browne (u.a. Leprous) ein ausgebildeter klassischer Musiker in fast jedem Song wehmütige Cello-Klänge bei. Mehr ist es nicht, was SILENT SKIES brauchen. Auch wenn sich das auf dem Papier sehr simpel liest, sind die Kompositionen vielschichtig und tiefgründig. Beeindruckend wie berührend ist vor allem das Zusammenspiel zwischen Gesang und Instrumentierung: Sind die Pianotöne leise und zurückhaltend, singt Englund umso fragiler und trauriger, bei reicherer Soundkulisse mit zusätzlichen Elektronik-Klängen füllt sich seine Stimme mit mehr Kraft.

Dieses Zusammenspiel der musikalischen Komponenten ist es, das „Nectar“ neben der emotionalen Atmosphäre besonders auszeichnet. Wenn sich Englunds Stimme hebt und gleichzeitig dazu das Cello und die Synthesizer anschwellen oder die letzten Worte einer Zeile mit einem besonders intensiven Pianoton einhergehen, ist das ein wahrer Hochgenuss. Dass Shankar und Weinroth-Browne dabei oft keine präzisen Melodien erzeugen, sondern eher großflächig Atmosphäre erzeugen, ist dabei kein Nachteil. Es ist eben alles auf Englunds Gesang ausgelegt Egal, ob er nun Sehnsucht, Schmerz, Verzweiflung oder – in seltenen Momenten – sogar einen Funken Hoffnung transportiert: Der instrumentale Boden ordnet sich immer unter, auch wenn die Virtuosität immer wieder durchblitzt.

Eine besondere Erwähnung verdienen die Texte, denn durch diese geht die Musik noch tiefer unter die Haut. Wenn Englund beim eh schon melancholischen „Let It Hurt“ eine Zeile wie „Let it hurt, let the pain come“ schluchzt, kann das sehr tief gehen, wenn man sich als Hörer in empfänglicher Stimmung befindet. Ein grauer, verregneter Februartag, dazu die allgemein bedrückende und nie zu enden scheinende aktuelle Situation und ein ruhiger Moment, in dem die Gedanken zu kreisen beginnen sind genau das richtige Szenario, in dem SILENT SKIES so richtig wirken. Vielleicht als Bestätigung, dass man mit seinem eigenen Schmerz nicht allein ist, vielleicht als imaginäre Schulter zum Ausheulen, vielleicht als seelische Unterstützung. SILENT SKIES gehen tief unter die Haut, wenn man sie lässt.

Ist „Nectar“ kitschig, theatralisch, schwülstig? Ja freilich, und das nicht zu gering. Das mag nicht jedem Metaller gefallen und überhaupt auch nicht jeden interessieren – und das ist völlig in Ordnung. Wer sich jedoch auf ruhige, atmosphärische und emotional aufgeladene Ambient-Musik einlassen kann und über seinen stählernen Tellerrand schauen möchte, der ist bei SILENT SKIES genau richtig. Englund und Shankar verzichten auf Gitarren, Härte und jegliches Brimborium. Mit sehr zurückgefahrener Instrumentierung erzeugen sie dafür die ganz großen Gefühle. Sie machen einfach gute Musik voller Emotionen. Und trotz der traurigen Grundstimmung geben SILENT SKIES ein wenig Hoffnung mit den den Weg: „I believe better days will come“.

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Wertung: 9 / 10

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