Review Starcastle – Song Of Times

„Totgeglaubte Leben länger!“ – dieses Sprichwort bei STARCASTLE anzuwenden ist beinahe etwas makaber; „Song Of Times“ ist zwar das erste Studiowerk der Band seit 29 Jahren, Bassist Gary Strater verstarb jedoch während der Aufnahmen, kurz nachdem sich die Band wieder zusammengefunden hatte. Aus dem geplanten Wiederaufleben mit der neuen CD wurde so ein Nachruf, der Titel des Albums stammt von einem der letzten Songs, die Gary Strater geschrieben hatte, und dieser findet sich natürlich auch auf der CD.

Musikalisch mussten sich STARCASTLE bereits vor mehr als 30 Jahren anhören, sie seien ein lupenreiner Yes-Klon. Dieser Aussage mag ich mich dann auch durchaus anschließen, auch wenn ich das „lupenrein“ weglassen würde. Besonders die Stimme von Al Lewis lässt die Band beinahe durchgehend so erscheinen, als sei sie eine Yes-Coverband. Er klingt wirklich exakt wie Jon Anderson! Hinzu kommt, dass STARCASTLE ähnlich stark auf weltverbessernde, spirituelle Lyrics und naturverliebte Stimmungen setzen. Es wird jedoch nie die Komplexität und Verspieltheit von Yes erreicht, Lewis & Co. fühlen sich eher im Classic- und Symphonic Rock wohl, mögen analoge Synthesizer und hymnisch-ruhige Schwelgmelodien über alles, fahren ab und zu die 80er-Melodic Rock-Schiene. Nur selten spielt man wirklich progressiven Rock.

Tatsächlich schaltet die Band den Frickelmodus nur ein einziges Mal ein. „Islands“ ist schon das höchste der Gefühle, was die Band für den Progger zu bieten hat. Ausgerechnet diesem Song fehlt es komischerweise an melodischer Eingängigkeit, die sonst auf der Platte im Übermaß vorhanden ist. Nun ist es ja durchaus so, dass sich mein Musikgeschmack mit dem Sound der Band vereinbaren lässt, ich stehe ungemein auf symphonischen Melodic Rock mit „Schöne-Welt-Melodien“, pumpendem Bass, Moog-Sounds, solide aufspielendem Schlagzeug und verhalten eingestreuten Prog-Instrumentalparts. Ich höre schließlich Sachen wie Saga, Styx und Journey. Leider gelingt es der überaus großen Mannschaft auf „Song Of Times“ (weshalb man wohl kaum von einem „echten“ Band-Album sprechen kann) nicht, mich zu überzeugen. Das Songwriting erweißt sich in den meisten Songs als substanzlos, bereits der Opener „Red Season“ besteht zumindest gefühlt nur aus einem Keyboardmotiv und dem sich ewig wiederholenden, öden Refrain mit dem Text „Red season“. Das nachfolgende „Babylon“ ist beinahe durchgehend in 4/4 gehalten, dabei aber mit über neun Minuten der längste Song des Albums. Die Strophen sind endlos langweilig, der Refrain klasse, die Instrumentalparts ebenfalls. Sie klingen aber eher reingeschnitten, als logisch eingewoben. Wohl deshalb gibt es den Track am Ende des Albums noch mal als 4 ½ Minuten-Edit. Das titelgebende „Song Of Times“ mag in manchen Momenten wunderschön sein – mit der Liebsten im Arm, an einem ruhigen Ort sitzend; der grüne, reine See vor einem und die untergehende Sonne am Horizont. Auch hier passiert musikalisch aber sechs Minuten leider nichts. Keine Steigerung, nur eine schöne Grundstimmung. „Faces Of Change“ lässt mich genauso wie „Islands“ unbeeindruckt zurück. „Love Is The Only Place“ beginnt mit einem schönen Keyboardlead und fährt dann so richtig schönen 70ies-Sound mit Chorgesang und Akustikgitarre auf. Sehr nett! „Master Machine“ wird von massivem, fugischen Chorgesang eingeleitet, versucht dann Spannung aufzubauen, was allerdings nur leidlich gelingt. Die Strophenmelodie ist wieder ziemlich einfallslos, der Refrain könnte eins zu eins von Styx stammen, die übrigens wohl die zweite Band sind, die man benötigt, um den Sound von STARCASTLE erschöpfend zu beschreiben. Styx-Gesang und jubilierende Leadgitarren gibt es auch bei „All For The Thunder“, meiner Ansicht nach der einzige wirklich runde Song dieser Liedsammlung. Auch hier werden wir aber nicht von Einfallsreichtum überrollt. „Children Believe“ setzt einem Album einen harmonischen Schlusspunkt, das praktisch zu keiner Sekunde seine symphonisch-einlullende Stimmung verlassen hat.

Somit ist „Song Of Times“ zwar ein Werk, das mit originalgetreuer Seventies-Instrumentierung aufwartet, was ich immer hoch zu schätzen weiß, welches aber gleichsam auch den Eindruck hinterlässt, es sei unfertig, zusammengestückelt und unstimmig – was die lange Musikerliste ja nur bestätigt. An den instrumentalen Leistungen gibt es prinzipiell nichts auszusetzen, die Produktion ist ebenfalls gut ausgefallen und das Artwork zwar voll von Klischees, aber dennoch wunderschön. Fans von Yes und Styx sollten reinhören, werden „Song Of Times“ aber wohl enttäuscht im Laden liegen lassen – denn STARCASTLE erreichen nicht die Klasse ihrer beiden Vorbilder.

Wertung: 6 / 10

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