Interview mit Sharlee D'Angelo von Witchery

Vier Jahre nach ihrem letzten Streich melden sich WITCHERY mit ihrer nächsten Thrash-Bombe, „Witchkrieg“, auf der Bildfläche zurück – und mit Legion (ex-Marduk, ex-Devian) hinter dem Mikrofon. Bassist Sharlee D’Angelo steht uns bereitwillig Rede und Antwort, erzählt uns Wissenswertes über die neue Scheibe, Gastmusiker wie Kerry King, den Sängerwechsel und Vieles mehr.

Hey Sharlee! Wie steht die Kunst?
Hier ist alles bestens, danke dir.

Man muss euch zu eurem neuen Album „Witchkrieg“ beglückwünschen – ist wirklich toll geworden, die Scheibe. Wie sind die ersten Reaktionen soweit ausgefallen?
Vielen Dank, freut mich, dass es dir gefällt! Die Reaktionen von Presse und Freunden sind bisher wirklich sehr gut ausgefallen. Das Material unterscheidet sich zwar ein wenig von unseren alten Sachen, kommt bisher aber ziemlich gut an.

Für das Mixing und Mastering hat sich mal wieder Tue Madsen in seinen Antfarm Studios verantwortlich gezeigt. Es scheint so, als würde man in Sachen aktueller Metal-Produktion nicht mehr an ihm vorbeikommen.
Tue ist sowas wie der neue Andy Sneap, wenn du mich fragst. Wie du schon sagtest: Er macht aktuell wahnsinnig viele Alben und das beweist letztendlich ja nur, wie gut er in dem ist, was er tut. Hinzu kommt, dass er absolut auf dem Boden geblieben ist. Er kommt mir manchmal so vor wie der sympathische, ein wenig verplante Rocker von nebenan. Tue weiß, worauf es musikalisch ankommt und was der Sinn der ganzen Sache ist.

Und trotzdem war Tue nicht eure erste Wahl, nicht wahr?
Wir wollten tatsächlich zuerst mit Jonas Kjellgren von Scar Symmetry zusammenarbeiten und wir gaben auch ein paar Pre-Mixes bei ihm in Auftrag – allerdings noch ohne Gesang und viele andere Parts. Es kam leider zu Verzögerungen, wodurch er nicht mehr rechtzeitig an unserem Material arbeiten konnte, weil er dann wieder mit Scar Symmetry unterwegs war. Wir mussten uns also nach einem anderen Mann für das Mixing und Mastering umschauen und wussten dann sofort, dass wir Tue dafür brauchten.

Der seinerseits zu diesem Zeitpunkt aber praktisch ausgebucht war. Wie habt ihr denn doch noch dazu überredet?
Wir mussten ihn gar nicht überreden. Er hatte so große Lust darauf, unser Material zu veredeln, dass er uns anbot, in seiner „Freizeit“ an „Witchkrieg“ zu arbeiten – immer dann, wenn er zwischendrin oder am Abend mal ein wenig Zeit dazu fand. Das funktionierte überraschend gut und war natürlich auch gut für unser Ego. Wir wussten so, dass er die Scheibe nicht des Geldes wegen machte, sondern weil er wirklich auf die Band und ihre Musik steht.

Das Coverartwork ist ein richtiger Hingucker. Wurde es wieder von eurem Freund Diaz entworfen?
Allerdings. Über die Jahre hinweg hat er sich praktisch zu unserem Stamm-Grafiker entwickelt. (lacht)

Ich könnte mir vorstellen, dass das Artwork bei einigen mehr oder weniger intelligenten Querdenkern wieder für wilde Mutmaßungen herhalten wird – der Aufmachung mit der Uniform und des Albumtitels wegen.
Dass einige Leute das als einen Fingerzeig in Richtung der Nazis verstehen, hätte uns eigentlich klar sein sollen. Irgendwo liegt der Vergleich vielleicht nahe – wenn auch nicht unbedingt für Schweden. Wir haben nämlich nicht auf diese Art und Weise gedacht, weswegen uns das im Entstehungsprozess auch nicht aufgefallen ist. Wir sind natürlich keine Nazis, was auch jeder weiß – zumal die Uniform eine russische ist, was die Angelegenheit für uns nur lustiger macht. Das Artwork hat rein gar nichts mit Deutschland zu tun, das Album als Gesamtwerk wohl auch nur insofern, als dass es das Wort „Krieg“ im Titel hat. Alles, was darüber hinaus geht, sind wilde Spekulationen ohne jede Grundlage oder Berechtigung.

Euer Sänger Tony „Toxine“ Kampner hat die Band Anfang des Jahres verlassen. Gab es einen speziellen Grund für seinen Ausstieg?
Ihm sind einige Dinge – oder besser gesagt die Anhäufung davon – über den Kopf gewachsen, was man auch an seiner Konzentration auf und seiner fehlenden Arbeitsbereitschaft für die Band gemerkt hat. Während der ersten Gesangsaufnahmen merkten wir dann, dass er absolut nicht mehr bei der Sache war und fragten ihn, ob er überhaupt noch den Wille hatte, in der Band zu bleiben. Er merkte zum Glück selbst, dass das keinen Sinn mehr machte und es Zeit war, getrennte Wege zu gehen. Das hat sich dann mehr oder weniger glücklich ergeben, weil es kein böses Blut zwischen uns gab – wir sind heute noch genau so mit ihm befreundet wie früher, trinken zusammen ein Bier und treffen uns privat; persönliche Differenzen gab es ja nie, musikalische ebenso wenig. Es war letztendlich einfach eine Frage der Zeit und wir mussten uns nach jemandem umsehen, der die richtige Portion Enthusiasmus mit in die Band brachte und zu 100% bei der Sache sein würde. Der Name „Legion“ kam auf und jeder von uns kannte ihn ohnehin schon. Wir fragten ihn einfach geradewegs, er war Feuer und Flamme und wollte den Job unbedingt machen. Nach einem anderen Kandidaten mussten wir uns also gar nicht umsehen.

Und damit habt ihr genau den Legion verpflichtet, der praktisch unmittelbar davor seinen Ausstieg bei den schwedischen Devian bekannt gab – aufgrund mangelnder Zeit, weil er sich auf seinen Job als Tattoo-Arist konzentrieren wollte. Lustige Zufall, oder nicht? (lacht)
Ja… Na ja, gut… Ach, Scheisse – das passiert halt manchmal. (lacht) Legion ist wirklich ein verdammt vielbeschäftigter Kerl, ist als Tätowierer im Grunde ständig ausgebucht. Als er uns zusagte, wusste er deswegen natürlich auch, dass WITCHERY ihn keine 365 Tage im Jahr in Anspruch nehmen würde. Und da er den Job bei uns wirklich machen wollte, reichte ihm das wohl an Gründen.

Ihr habt satte sechs Gast-Gitarristen auf die neue Scheibe gebannt. Kerry King auf Titelkrieg „Witchkrieg“ beispielsweise. Wie hat sich das abgespielt? Hattet ihr schon von Anfang an ein paar Namen im Kopf, mit denen ihr gerne was machen wolltet oder kam das erst während des Schaffensprozesses, a là: „Hmmm, ein Solo von Lee Altus oder Gary Holt würde sich hier echt gut anhören“?
Im Grunde genommen war es wirklich so, wie du gerade gesagt hast. Der Song „The Reaver“ wirkte im Nachhinein beinahe schon wie eine Hommage an Exodus, wodurch uns der Gedanke kam, dass ein Solo von Gary Holt wirklich perfekt zu diesem Track passen würde. Als wir ihn gefragt haben, waren wir ziemlich überrascht, weil er sofort dabei war. Wir haben ihn dann getroffen, als er mal mit Exodus im Land war – und uns dann nicht nur ihn, sondern auch gleich noch Lee Altus geschnappt und schon hatten wir anstatt einem zwei Soli. (lacht) Die Jungs von In Flames haben uns kurzfristig ihr Heimstudio geliehen, so dass wir Lee und Gary ihre Soli dort gleich einspielen konnten.

Durch diesen reibungslosen Ablauf wurdet ihr scheinbar beflügelt und habt euch gleich an den nächsten großen Namen heran gewagt.
So kann man das sagen, ja. „From Dead To Worse“ war das nächste Stück, für das wir einen bekannten Gitarristen im Sinn hatten – Andy Sneap. Andy produzierte damals unsere 1999er EP „Witchburner“ und war ebenfalls sofort mit von der Partie. Ein paar Tage, nachdem wir ihm den Song geschickt hatten, kam auch schon ein komplett produziertes und mit Effekten versehenes Solo zurück.

Wodurch dann auch der Weg zu Kerry King kein allzu weiter mehr war?
Wir fanden, dass „Witchkrieg” einfach ein Slayer-Solo brauchte. Da wir ja mit den anderen Gastmusikern nur gute Erfahrungen gemacht hatten, trauten wir uns auch, Kerry nach einem kleinen Beitrag zu fragen. Als er mit Slayer in Dänemark war, hatte er die Gelegenheit, den Titelsong zu hören und war schnell begeistert. Während der Aufnahmen zu „World Painted Blood“ hatte er noch ein wenig Zeit im Studio frei und konnte das Solo problemlos dort aufnehmen. Viele Musiker basteln sich sowas wie Slayer-Soli in ihre Songs – die aber nicht mal im Entferntesten an die Originale heran kommen. Ab der Sekunde, in der Kerrys Pick die Saite berührt, hört man sofort, wer am Werke ist.

Einen ebenso beachtlichen Wiedererkennungswert habt ihr musikalisch auch mit WITCHERY – und seit geraumer Zeit auch mit eurem eigenen kleinen Handzeichen, nicht wahr?
Es war eigentlich nie auch nur im Ansatz als ein besonderes Zeichen für uns gedacht – auch wenn es später von einigen Leute dazu gemacht wurde. Tatsächlich entstand das Ganze mehr aus Zufall, war eigentlich ziemlich lustig. Anstatt einer normalen Pommesgabel wird auch der Mittelfinger noch ausgestreckt, wodurch ein „W“ entsteht. Während der Aufnahmen zu unserem ersten Album wollte ich irgendwem die Teufelshörner zeigen, hatte aber eine Zigaretten in den Finger – dadurch entstand das ganz ungewollt. Mit der Zeit hat sich das innerhalb der Band eingebürgert und wurde schnell auch von unseren Fans und anderen Leute übernommen. Aber mehr hat es damit auch nicht auf sich.

Dafür scheint es aber durchaus etwas mit den Gerüchten auf sich zu haben, dass Kerry King auch im Video zu eurem Titelsong zu sehen sein wird. Kannst du das bestätigen?
Kerry wird im Video zu sehen sein, ja. Der Plan war, seine Rolle im Video in London zu filmen – weil The Haunted ja passenderweise dort mit Slayer gespielt haben und die nötige Zeit hatten. Ich weiß zwar nicht, wie genau das bewerkstelligt werden sollte, gehe aber davon aus, dass ein Bluescreen zur Hilfe genommen wurde. Es ist eine großartige Sache, Kerry im Video zu haben – vor allem, weil er daraus keinen kommerziellen Nutzen zieht; ebenso wenig, wie wir. Wir werden nicht mit ihm und er kann seinerseits auch nicht damit werben, weil er keine zentrale Rolle im Clip spielt.

Trotzdem scheinen euch – und insbesondere auch dir – die Aufnahmen selbst keinen allzu großen Spaß bereitet zu haben.
(Lacht) Das kann man so sagen… Viele Leute denken, dass es eine wahnsinnig spannende Angelegenheit ist, einen Videoclip zu drehen – aber das ist es nicht. Im Grunde genommen sitzt du den größten Teil der Zeit einfach nur herum und wartest, bis du wieder was zu tun bekommst. Als ich am Drehort ankam, war ich ohnehin schon total übermüdet, hatte nicht geschlafen und saß stundenlang im Zug Richtung Stockholm. Wir freuen uns natürlich, wenn es ein neues Video für einen unserer Songs gibt – aber es gibt wirklich spaßigere Dinge, mit denen man sich die Zeit vertreiben kann.

Zum Beispiel mit wilden Spekulationen darüber, ob „Witchkrieg“ euer letztes Album sein soll. Zumindest kamen einige Fans darauf, als sie „Witchery return for Witchkrieg“ auf eurer MySpace-Seite gelesen haben und deswegen dachten, dass nach dieser Scheibe Schluss sei.
Es ist lustig zu sehen, was Leute alles aus ein paar Worten herauslesen. Wenn wir sagen, dass wir für „Witchkrieg“ zurückkehren, bedeutet das nicht, dass wir nicht mehr für etwas anderes zurückkehren werden. (lacht) Auf eine gewisse Art und Weise steht der Satz aber auch exemplarisch für unser letztes Album – wir kamen nämlich eigentlich nur zum Album selbst und hatte keine Zeit, großmächtig auf Tour zu gehen oder sonst irgendwie aktiv zu sein. Das wollen wir dieses Mal unbedingt ändern und mit unserer ersten bestätigten Show – hier in Göteborg – befinden wir uns da auch auf einem guten Weg. Zum ersten Mal seit acht Jahren wieder zusammen als WITCHERY auf der Bühne zu stehen… das wird interessant. Ein paar Proben gehen da sicherlich klar, bevor wir uns vors Publikum wagen… (lacht)

Eine Tour seid ihr euren Fans definitiv schuldig – „Witchkrieg“ als Album schreit ebenfalls danach. Wie stehen die Chancen, euch noch in diesem Jahr als WITCHERY irgendwo zu Gesicht zu bekommen?
Derzeit sind wir zwar mehr oder weniger alle mit unseren eigenen Bands beschäftigt, aber so wie es ausschaut, hat jeder von uns im Spätherbst und Winter Lücken in seinen Terminkalendern, was den Weg für eine WITCHERY-Tour ebnet. Zum jetzigen Zeitpunkt hat noch nichts Hand und Fuß, aber wir sind trotzdem sehr zuversichtlich, dass wir da was auf die Beine stellen können. Wenn auch keine komplette, mehrwöchige Tour, dann auf jeden Fall genügend Einzelgigs über Europa verteilt und natürlich auch bei euch in Deutschland.
Wir wollen auf keinen Fall, dass das Album nach wenigen Monaten wieder in Vergessenheit gerät – und das erreicht man eben am besten durch Liveaktivitäten. Das beim letzten Mal verschlafen bzw. nicht mit unseren anderen Bands unter einen Hut gebracht zu haben, tut uns heute noch leid.

Dann dürfen wir gespannt sein! Zum Schluss darfst du gerne noch in unserem traditionellen Brainstorming teilnehmen. Was fällt dir zu folgenden Begriffen ein?

Oil: Glitschig
Dio: Gentleman und Legende
Eurovision Song Contest: Ein bisschen Frieden
London: Dreckige Partys
Metal1.info: Du, Bürschlein (lacht)

Sharlee, besten Dank für deine Zeit! Machs gut!
Ich danke dir für das Interesse! Schönen Abend noch!

Geschrieben am von Metal1.info

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