April 2011

Review Ulver – Wars Of The Roses

ULVER ist eine der wenigen Bands, die man immer noch als Visionäre im groben Umfeld des Metals bezeichnen kann. Über den Werdegang von einer Black Metal-Band, die als solche vom rotzigen Geknüppel bis hin zu Akustik-Alben alles abarbeitete, was in den frühen 90ern zum guten Ton gehörte, bis zur heutigen musikalischen Identität irgendwo zwischen Trip Hop, verquerem Pop/Rock und einer guten Portion psychedelischem Feeling müssen eigentlich keine Worte verloren werden. „Wars of the Roses“ wurde als pragmatisches, live-basiertes Album angekündigt, was zum sehr Ambient-lastigen Vorgänger „Shadows of the Sun“ durchaus Kontrastprogramm darstellt.

Wer aufgrund des Stichwortes „livetauglich“ auf ein norwegisches „Ace Of Spades“ hofft, ist aber natürlich schief gewickelt. Die einzige Nummer die halbwegs Gas gibt stellt der Opener „February MMX“ dar, der von geschäftigem Schlagzeug und groovendem Bass getrieben wird, die die Grundlage für sphärische Keyboards bilden, die sich in Kombination mit Ryggs Gesang, der sich mehr als beispielsweise auf „Blood Inside“ auf nachvollziehbare, konventionelle Melodien konzentriert, in ein mitreißendes, annähernd hektisches Finale steigern.
Das war es dann aber auch wieder mit Action, der Rest des Albums konzentriert sich voll auf das entspannte, geschmackvolle Experiment. Dabei ist es innerhalb dieses Rahmens erstaunlich, wie homogen ULVER es schaffen, in einem Song wie „Norwegian Gothic“ durch Streicher erzeugte Horrorfilm-mäßige, pechschwarze Stimmung zu schaffen, um diese im folgenden „Providence“ mit perlendem Klavier in erhabene, meditative Sphären zu übersetzen. Der letztere Song kann aber noch weit mehr, verwandelt er sich doch in seiner zweiten Hälfte in ein finsteres Improvisationsstück, in welchem sich vor allem die Bläser-Fraktion der Gastmusiker scheinbar frei von Strukturen austobt, um nach einer kurzen Erholung in Form eines Refrains in ein schrulliges Ambient-Stück voll gähnender musikalischer Leere zu wechseln. Und nicht zuletzt, um schlussendlich für ein weitere Perle namens „September IV“ Platz zu machen, das durch seine Kombination aus Gitarren/Keyboard-Melodie und göttlichen Gesangslinien an die Großtaten Anathemas erinnert un mit diesen mindestens gleichzieht.Stellen „Providence“ und „September IV“ wohl an musikalischer Freiheit und musikalischer Schönheit wohl die beiden Extreme dar, pendeln die restlichen Nummern irgendwo dazwischen. Allen gemeinsam ist, dass sie mit einer dicken Portion Abwechslung aufwarten und sich dennoch nicht scheuen, ein Motiv auch mal langsam zu entwickeln und es durch Wiederholung wirken zu lassen. Handeln ULVER damit ohnehin schon im Geiste der 70er Progressive und Psychedelic Rock-Bands, scheinen sich immer mal wieder relativ direkte Bezüge auf den Sound Pink Floyds oder King Crimsons einzuschleichen, erweitert durch die Möglichkeiten aktueller Elektronika, die dem Sound eine weitere Facette einhauchen, die, wären sie vor 40 Jahren bereits so weit entwickelt gewesen, vermutlich genau so angewendet worden wären, wie ULVER es heute tun.

Man darf „Wars of the Roses“ nicht falsch auffassen. Es ist nicht das relativ mundgerechte „Shadows of the Sun“, aber auch nicht das völlig abgedrehte, bisweilen sehr vollgepackte „Blood Inside“. Gerade durch die Gastmusiker wird ein subtiler Detailreichtum im Sound geschaffen, der erst erschlossen werden will, bevor man „Wars of the Roses“ so hören kann, wie es vermutlich gemeint ist. Alle aktuelleren ULVER-Releases haben gemeinsam, dass sie sich oberflächlich mehr oder minder gut anhören lassen (hier sticht dieses Album sicher positiv heraus), dass die wirkliche Genialität aber doch im Songwriting liegt, wodurch die Platten erst wirklich funktionieren. Bei „Wars of the Roses“ besteht die Faszination vor allem darin zu erkennen, wie bewusst eigentlich improvisiert oder zumindest experimentiert wirkende Passagen in einem Song in Szene gesetzt werden. Obwohl viele Sequenzen in einem Jam entstanden zu sein scheinen, ist alles doch viel zu weit durchhirnt, um direkt aus dem Proberaum (den ULVER auch gar nicht benutzen) auf die Scheibe gewandert zu sein.

Wer ULVER aufgrund der Kompromisslosigkeit der letzten Alben abfeierte, sollte vielleicht erstmal reinhören, „Wars of the Roses“ ist klassischer und zahmer umgesetzt als die Vorgänger. Wer aber auf den erwähnten 70er Prog/Psychedelic Rock steht und diesen in moderner Form mit gleichen Anteilen von Experiment und Melodie hören will, kann kaum etwas falsch machen. Sieben Songs, die jeweils für sich Wege beschreiten und dennoch als großes Ganzes zusammengehören. Das macht ein Album, das nicht direkt einem Konzept unterliegt, aus, und die Norweger setzen dies schlichtweg perfekt um. Nicht zuletzt Inspiration ist das Stichwort, das diese Band von vielen ihrer Kollegen sehr weit abhebt.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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