Review Todtgelichter – Apnoe

(Post-Rock/Metal / Gothic-Rock / Black Metal)
Da sind sie wieder: Drei Jahre nach ihrem Durchbruch mit „Angst“ melden sich die Hamburger TODTGELICHTER zurück. „Apnoe“ heißt das Album und wenn man eines bereits während dem ersten Durchlauf feststellen kann, dann, dass von „zurückmelden“ vielleicht doch nicht ganz die Rede sein kann. Denn viel von dem, wofür TODTGELICHTER einst – und damit meine ich die bisherige Diskographie einschließlich des für sich genommen schon aus dem Rahmen gefallenen letzten Albums – standen, ist 2013 nicht mehr übrig geblieben. Was das für Fans der Frühwerke „Schemen“ und „Was bleibt…“ heißt, dürfte klar sein. Doch auch Verehrer ihres Durchbruchsalbums „Angst“ könnten von „Apnoe“ überrascht werden.

Der Sprung, den TODTGELICHTER mit diesem Album gewagt haben, mag zwar vielleicht nicht so groß sein wie zwischen „Schemen“ und „Angst“, jedoch nicht minder riskant. Denn auch wenn „Apnoe“ in einigen Aspekten noch hörbar in Tradition des Vorgängers steht, ist das, was TODTGELICHTER hier darbieten, bisweilen weit von allem entfernt, was man mit dieser Band bislang in Verbindung brachte.
Los geht es mit dem sehr post-rockigen Einstieg von „Embers“, der im weiteren Verlauf an Enslaved mit Frauengesang erinnert. Bereits hier deutet sich die tragende Rolle an, die Marta mittlerweile im Bandgefüge spielt: Statt als gelegentlicher Effekt nimmt der weibliche Gesang auf „Apnoe“ die Rolle eines fast gleichwertigen Partners für Sänger-Neuzugang Tobias ein. Eine sehr ansprechende Entwicklung, gehört Martas vergleichsweise tiefe Frauenstimme doch zu den charakteristischsten und schönsten im Metal-Sektor.
Könnte man diesen Opener wie auch der darauf folgende Titel „Lights Of Highways“ noch in der Tradition von Songs wie „Café Of Lost Dreams“ sehen, ist damit bereits beim stellenweise fast poppigen „Expectations“ Schluss, in welchem sich Sänger-Neuzugang Tobias mit viel Klargesang hervorzutun versucht. Dabei heimst sich „Apnoe“ leider seinen ersten Minuspunkt ein. Denn so sicher er auch beim treffen der Töne ist, so glatt klingt seine Stimme – für meinen Geschmack einen Tick zu glatt und charakterlos. Das kann über den Gastauftritt von Lake-Of-Tears-Sänger Daniel Brennare in „Beyond Silence“ zwar nicht behauptet werden. Ob man mit der Gothic-Note, die er dem Song verleiht, jedoch etwas anzufangen weiß, ist Geschmackssache.
Wer denkt, damit schon den gewagtesten Versuch der Hamburger, Genregrenzen auszuloten, gehört zu haben, täuscht sich gewaltig: Mit dem melancholischen „Soil“ und dem fast schon Chanson-inspirierten „Until It All Begins“, deren Instrumentierung in beiden Fällen lediglich als Basis für Martas grandiosen Gesang zu dienen scheint, sowie dem dazwischen eingebetteten „Odem“, dessen Gesangsspuren auch einem Alternative-Rock-Stück entstammen könnte, zeigen TODTGELICHTER allen Genre-Polizisten ein weiteres Mal die lange Nase.

Für alle, denen das noch nicht genug war, haben TODTGELICHTER noch eine letzte Kugel im Lauf, bevor „Torn“ das Album versöhnlich-bandtypisch beendet: „Tiefer Fall“. Denn mögen sich an dem Album als Ganzem auch die Geister scheiden, dürften sich die Diskussionen auf dieses Stück, zu dem Allen B. Konstanz (The Vision Bleak) den männlichen Part des Gesangs beisteuerte, fokussieren. Obschon man dem Song Ohrwurm- und damit wohl auch Hit-Qualitäten nicht absprechen kann – dass TODTGELICHTER dereinst nach deutschem Gothic-Rock wie der Letzten Instanz klingen würden, hätte ich mir wirklich nicht träumen lassen.

„Apnoe“ ist als Album extrem schwer zu greifen: Immer, wenn man denkt, sich ein Urteil erlauben zu können, bringen TODTGELICHTER einen neuen Aspekt ins Spiel, der die gesamte Argumentationskette über den Haufen wirft. Vielseitig ist es ohne Frage. Und doch folgt es über weite Strecken einer sehr klaren Ausrichtung. Einer Ausrichtung, die aufgrund des stets im Mittelpunkt stehenden Klargesangs, des nicht zu verleugnenden Kitschfaktors und der mehrfach anklingenden Gothic-Attitüde nicht jedermanns Sache sein dürfte. Wer TODTGELICHTER deshalb aber in die Gothic-Kitsch-Ecke zu schieben versucht ist, macht es sich etwas zu einfach – ist das Album dafür musikalisch schlichtweg zu komplex und anspruchsvoll.
Auch wenn „Apnoe“ mich nicht auf ganzer Linie überzeugt, beeindruckt mich das Album dennoch nachhaltig. Schon allein der Kaltschnäuzigkeit wegen, auf ein umjubeltes Album wie „Angst“ einen derart grundlegenden Stilwechsel folgen zu lassen.

Wertung: 8 / 10

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