Interview mit Samavayo

Mit ihrem live eingespielten Album „Dakota“ legen die Stoner-Rocker SAMAVAYO aus Berlin ihr erstes Album als Trio vor. Ein Gespräch über Zusammenhalt, Ost-Berliner Prägung und persische Songs zum Thema Freiheit.

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Ihr seid derzeit unter anderem mit Toundra und Deadsmoke unterwegs durch Europa – wie kam es dazu?
Für Toundra haben wir das Konzert in München eröffnet und mit Deadsmoke haben wir ein zweites Konzert in Salzburg gespielt. Das kam über Kontakte. Wir buchen unsere Konzerte selbst und über zwei, drei Ecken haben wir dann das Angebot bekommen, Toundra in München zu supporten. Viele unserer Konzerte auf dieser Tour spielen wir mit Mother Engine. Wir haben aber auch mit Shotgun Valium zwei Konzerte gespielt oder spielen zum Beispiel in unserer Heimatstadt in Berlin mit Tschaika, Neume und Android Empire. Das wird eine riesen Sause.

Gibt es schon die eine, witzige Tour-Anekdote zu erzählen, oder lässt die noch auf sich warten?
Oha, Tour-Anekdoten? Da kann mal ein Buch mit gefüllt werden. Ein Highlight war bisher definitiv das Konzert in Würzburg. Ein Abend mit viel Alkohol und gemeinsamen Feiern mit Shotgun Valium und den Veranstaltern. In Brno konnten wir aufgrund von „legal issues“ nicht im Club selbst spielen, so dass die Bühne improvisatorisch vor dem Club auf der Staße aufgebaut wurde. Auf unserer Facebook-Seite kann man ein paar Bilder davon sehen. Der Abend endete dann damit, dass wir im Zick-Zack-Kurs nach einer Runde Absynth gegen 5 Uhr in unserer Unterkunft landeten.
Ansonsten gehen wir mal lieber nicht ins Detail, aber zerbrochene Bilderrahmen, Missbrauch von Türrahmen und Barhockern sowie eine geplatzter Gig wegen Backline-Problemen sind ein paar Stichpunkte in diese Richtung.

Samavayo-10Ihr spielt generell verhältnismäßig viele Shows. Gerade für kleine Bands stellt sich oft die Frage, wie man das mit dem Alltag vereint …
Wir haben unsere Leben so ausgerichtet, dass wir möglichst viel Zeit für die Musik haben. Sprich man arbeitet als Selbstständiger oder ist in den Arbeitszeiten flexibel. Sicherlich machen wir auch Kompromisse. Wenn noch mehr zeitlich möglich wäre, würden wir auch noch mehr spielen!

Was bedeutet euer Bandname, SAMAVAYO, oder wie seid ihr darauf gekommen?
Samavayo kommt aus dem Sanskrit und bedeutet „Einheit“ oder „Zusammenkommen“. Den Namen hatte unser ehemaliger Gitarrist Marco in einem Buch über Sonnenmythologie gefunden. Das fanden wir als Bandnamen sehr passend. Wir sind eine musikalische Einheit und auch mit dem Publikum will man ja verschmelzen und zusammen einen geilen Abend haben.

Seit drei Jahren seid ihr als Trio unterwegs. Wo siehst du die Vorteile, vielleicht aber auch Nachteile dieser Bandkonstellation?
Von Nachteilen kann man in dem Sinne nicht reden. In unserem Falle ist der rhythmische Aspekt in der Besetzung als Trio einfach mehr in den Fokus gerückt. Der Gesamtsound ist dadurch noch eindeutiger, definierter und druckvoller geworden, wenn man den Stimmen der Zuschauer glauben darf. Der Besitzer vom H2O Recordstore in Würzburg sagte vor kurzem, dass er Trios mag, weil sich kein Instrument zurücklehnen oder verstecken kann.  Alle sind gefordert. Das bringt es auf den Punkt.
Abgesehen von den musikalischen Vorteilen gibt es aber auch die logistischen. Man kann kleinere Transportmöglichkeiten wählen, braucht weniger Schlafplätze und Essen. Auf der Bühne benötigt man weniger Platz und auch der Drummer wird optisch nicht mehr verdeckt. Bei internen Entscheidungen entsteht bei drei Personen immer eine Mehrheit, es gibt keine zwei-gegen-zwei-Meinungen mehr, wodurch die Entscheidungsfindung beschleunigt wird.

Ihr seid in Ost-Berlin aufgewachsen, euer Sänger ist zudem politischer Flüchtling aus dem Iran. Wie stark hat euch das eine wie das andere geprägt?
Samavayo-04Aus aktuellem Anlass wird auf unserem neuen Album “Dakota” die Thematik der Flüchtlinge, der Heimat und des Krieges aufgegriffen. Das kommt sicherlich auch daher, dass das Thema ein Teil von Behrangs Geschichte ist. Ein Paradebeispiel dafür ist der Song „Arezuye Bahare“, mit dem wir nun unseren zweiten Song mit persischem Text veröffentlicht haben. Behrang besingt darin einen Appell an die Freiheit. Er selbst war mit seinen Eltern in den 90ern ja ein politischer Flüchtling und musste auch Bombenangriffe live miterleben. Als ehemaliger Asylbewerber in Deutschland hatte er aufgrund seiner eigenen Erfahrungen, das Bedürfnis sich diesem Thema auch textlich anzunehmen.
Zum Thema Ost-Berlin: Andreas und Stephan sind dort geboren und alle Bandmitglieder sind dort aufgewachsen – und zwar in den benachbarten und dennoch konträren Bezirken Lichtenberg und Friedrichshain. Musikalisch hat diese Zeit natürlich auch sehr geprägt. Berlin hat sich nach dem Mauerfall nach außen geöffnet, wodurch internationale Einflüsse an Bedeutung gewannen. Das eher alternative Friedrichshain hat uns durch seine kulturelle Vielfalt geprägt und uns Zugang zu vielseitigen und internationalen musikalischen Einflüssen gegeben. Es entstanden sehr viele Musik- und Jugendclubs. Auch in besetzten Häusern fanden abends in Kellern Konzerte statt. Eine riesige bunte Vielfalt. Eine tolle und wilde Zeit. Der Nachbarbezirk Lichtenberg, indem wir ebenfalls aufwuchsen bzw. das Immanuel-Kant Gymnasium besuchten, war dem entgegengesetzt. Es war partiell rechtsradikal unterlaufen, was dazu führte, dass Behrang als Ausländer und Andreas und Stephan als “Zecken” von den Nazis wegrennen mussten oder sogar in körperliche und verbale Auseinandersetzungen verwickelt wurden. Auch die Teilnahme an antifaschistischen Demos gehörte dazu. Wir sind daher eine Band, die auch mal zu politischen Themen Stellung bezieht (nicht nur musikalisch).

Euer neues Album heißt „Dakota“. Warum der Titel „Dakota“ und hat der Titel im Sinne eines Konzepttitels konkreten Bezug zu den Texten?
Während der Songwritingphase gab es, in dem jetzt so benannten Song „Dakota“ einen Part, den wir mit dem Arbeitstitel Indianerpart benannten. In unserem Umfeld wurde zu diesem Zeitpunkt viel nach Babynamen gesucht. Einer davon war Dakota. Die Übersetzung ist: Freund, Verbündeter. Außerdem ist es auch die Bezeichnung für einen nordamerikanischen Ureinwohner-Stamm. Wir sehen uns als Freunde und eben auch musikalische Verbündete, die über die Jahre zu einer musikalischen Einheit zusammengeschmolzen sind. Und das wiederum ist die Übersetzung des Bandnamens Samavayo. Einheit. Es lag also nahe, auch das Album Dakota zu nennen.

Samavayo – DakotaWie interpretiert ihr das Artwork, was sehen wir und in welchem Bezug steht das Artwork zur Musik und den Texten?
Das Artwork steht im Einklang mit unserem Stil und unserem Sound: ausufernd, weit, erdig, düsterer als bisher. Tief, staubig usw. Zum einen geht es um eine karge Landschaft, vielleicht irgendwo in Dakota (lacht). Zum anderen geht es um die Suche nach Heimat. Ein Mann, der in die Ferne schaut. Gestaltet wurde das Artwork von Dark Jordao, dem Gitarristen einer befreundeten Band namens Fuzzly, die wir während unserer Tour in Brasilien (2014) kennengelernt haben.

Für alle, die euch noch nicht kennen: Wo liegt der Unterschied zwischen dem neuen Album und seinen Vorgängern?
„Dakota“ ist unser Debütalbum als Trio und der Sound ist näher an unserem Live-Sound dran. Wir haben versucht den einzelnen Songparts die gebührende Zeit zur Entfaltung ihrer Atmosphäre zu geben, um die Stimmung auszukosten und atmen zu lassen. Das Besondere an Dakota ist außerdem die Mischung aus progressiven Instrumentalparts mit harten Moshparts, welche den Rocksound der 70er und 90er mit ungewöhnlichen Rhythmen und einem orientalischen Touch verbinden.

Entscheidender Bestandteil eurer Musik ist der drückende, volle Sound. Wo habt ihr das Album aufgenommen, wer ist für Mix und Mastering verantwortlich?
Das Album haben wir mit Richard Behrens (Live-Soundengineer von Kadaver, Ex-Samsara Blues Experiment, Ex-Heat) in den Big Snuff Studios in Berlin produziert und gemixt. Gemastert wurde das Album von Nene Baratto, der ebenfalls in den Big Snuff Studios arbeitet.

Samavayo-Band

Ihr habt das Album live ohne Klick eingespielt. Eine heutzutage ungewöhnliche Variante, die das Aufnehmen nicht eben leichter macht. Lief trotzdem alles wie geplant?
Ja, das ist richtig. Mit Dakota haben wir nach dem Vorbild der 70er Jahre gehandelt und alle Basic Tracks – also Drums, Gitarre und Bass – gleichzeitig eingespielt. Auf Hilfsmittel, wie ein Metronom oder digitale Korrekturen, haben wir bewusst verzichtet, um den Songs das gewisse Live-Feeling zu bewahren. Das Unbändige, das Raue, also das, was Samavayo ausmacht. Es war immer unser Ziel dieses Live-Feeling einzufangen!
Wir haben uns diesmal mehr Zeit für das Songwriting gelassen und auch explizit für die Aufnahmen geprobt und einige Songs bereits live erprobt, so dass wir es dann tatsächlich ohne große Probleme geschafft haben, ohne die benannten Hilfsmittel auszukommen. Oldschool halt.

Auf dem Album findet sich mit ein Song auf Persisch, in dem ihr die Freiheit besingt. Im Kontext mit den Zuständen im Iran ein hochpolitisches Thema und eine gute Idee. Gibt es den Text für nicht-persisch-sprechende Fans auch auf Deutsch oder Englisch?
Es gibt eine Übersetzung des Textes, den wir dir gerne zukommen lassen können. Wir planen ihn auch bald zum Nachlesen auf die Homepage zu packen.

Wie seht ihr die politische Entwicklung im Iran? Habt ihr Kontakte zu Iranern?
Samavayo-01Der aktuelle Präsident sorgt für eine Entspannung der Zustände. Siehe Atomabkommen, Abbau der Sanktionen usw. Dennoch ist das Mullah-Regime sehr gefestigt und nicht mal eben weg. Es gibt im Iran unzählige Musiker und Untergrund-Bands, meist Metal-Bands. Die haben es sehr schwer, weil sie nicht live spielen können und auch Releases nicht erlaubt werden. Wir stehen mit vielen Iranern in Kontakt, dennoch ist es auch schwer, immer in Kontakt zu bleiben, weil Facebook, Bandcamp, YouTube etc. geblockt werden und das gedrosselte Internet sehr langsam ist und die Iraner daher nicht mehr so stark in diesen Netzwerken sind. Einer unserer Träume ist es aber irgendwann vor den Leuten im Iran zu spielen. Unser Sound wäre dort eher neu, weil im Iran nicht viel zwischen Poprock und Thrash-Metal stattfindet. Also im Bereich Stoner und Heavy Rock gibt es da nicht viel. Warten wir es mal ab …

Besten Dank für Zeit und Antworten. Zum Abschluss ein Brainstorming: Was fällt dir spontan zu folgenden Begriffen ein?
Crowbar: Fetter Sound, aber nicht so ganz unser Ding.
Donald Trump: Gefährliche Pfeife.
Flüchtlingskrise: Humanität zeigen und dafür sorgen, dass die Geflüchteten die Möglichkeit haben sich vernünftig zu integrieren.
Kadaver: Zurzeit sehr in. Was wir an der Band am meisten schätzen ist allerdings ihr Live-Tonmann, Richard Behrens, bei dem wir unser aktuelles Album aufgenommen haben.
Fußball: Kann integrativ und unterhaltsam sein, aber leider sind viele komische Leute in den Stadien unterwegs
Berlin: Heimat. Freunde. Familie. Kultureller Schmelztiegel. Mittlerweile sehr viele Touris und Hipster unterwegs, was manchmal nerven kann.
Hipster: Braucht kein Mensch.

Die letzten Worte gehören dir – gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Geht (weiterhin) zu Konzerten, das Erlebnis ist unersetzlich!

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Live-Fotos: Afra Gethöffer

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