Konzertbericht: Corey Taylor

02.10.2020 Inglewood (Kalifornien, USA), The Forum (Stream-Show)

COREY TAYLOR ist kein Mann für halbe Sachen. So wundert es wenig, dass er sein Soloalbum – der Corona-Pandemie zum Trotz – pünktlich zum Release-Termin auf die Bühne bringt. Und ebenso wenig, dass er sich nicht mit irgendeiner Bühne zufrieden gibt. Statt dessen lädt COREY TAYLOR seine Fans virtuell ins legendäre The Forum in Inglewood, Kalifornien ein, das schon Acts wie Iron Maiden, Madonna, Prince, Red Hot Chili Peppers und The Rolling Stones füllen durften. Letzteres bleibt COREY TAYLOR – der Corona-Pandemie sei Dank – allerdings verwehrt: Der erste Auftritt mit seiner neuen Band findet als Streamshow ohne einen einzigen Fan statt.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Corey Taylor Stream

Entsprechend gespenstisch wirkt die riesige Halle mit ihren bis auf den letzten Platz leer gebliebenen Rängen dann auch. Was das Publikum durch geschickte Kameraführung, eine gewöhnliche Bühne mit einem beleuchteten „CMFT“ im Hintergrund, Nebel, Scheinwerfern und sogar Pyro die meiste Zeit ausblenden kann, bleibt für die Band die gesamte Show über präsent: Was für ein Gefühl es sein muss, vor ein paar Technikern in einer gähnend leeren Halle diesen Formats zu spielen, kann man sich nur schwer ausmalen – man glaubt Corey Taylor aber aufs Wort, dass dies die sonderbarste Show sei, die er je gespielt habe.

Dass Taylor seine Ansagen tatsächlich durchzieht, als sei die Halle brechend voll, und statt in eine Kamera zu blicken, den Blick über die (leeren) Ränge schweifen lässt, wirkt zunächst irritierend – durch die einzelnen Klatscher und Lacher von den Technikern und Coreys Reaktionen darauf löst sich die Stimmung jedoch zusehens – etwas mehr „Interaktion“ mit dem Zuschauer zuhause hätte jedoch dem DVD-Charakter der Show entgegengewirkt.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Corey Taylor Stream

Technisch steht die Übertragung einer Live-DVD nämlich tatsächlich in nichts nach: Der Sound ist perfekt ausgepegelt, die (wohl aus technischen Gründen etwas zu hell ausgeleuchtete) Bühne wird aus allen möglichen Winkeln von stationären und mobilen Kameras eingefangen, und selbst die (vielleicht einen Tick zu hektischen) Schnitte wirken erstaunlich professionell auf die Musik abgestimmt.

Auch die Darbietung selbst ist an Professionalität kaum zu überbieten: Die Musiker, die COREY TAYLOR auf seinen Solopfaden begleiten, sind nicht nur absolute Profis – sondern auch eine in diesem Ensemble perfekt aufeinander eingespielte Band, die sich in nichts von einer „regulären“ Rockband unterscheidet: Mit drei Gitarren sorgt die Truppe so für kräftiges Rock-Feeling. Dazwischen nimmt COREY TAYLOR immer wieder Tempo und Lautstärke raus – etwa, wenn er für „Home“ und den Stone-Sour-Song „Zzyzx Rd.“ erstmalig live am Flügel sitzt und Klavier spielt, oder gewohnt gefühlvoll den zu Slipknot verirrten Quasi-Stone-Sour-Song „Snuff“ oder die tatsächlichen Stone-Sour-Songs „Through Glass“ oder „Bother“ darbietet.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Corey Taylor Stream

In all dieser Perfektion und Professionalität unterscheidet sich der Auftritt dann tatsächlich kaum noch von einer Stone-Sour-Show. Spontaneität und Lockerheit, die essenzieller Bestandteil von COREY TAYLORs bisherigen, tatsächlichen Solo-Auftritten waren, finden keinen Platz mehr im Showkonzept. Das ist insofern schade, als etwa der auf Youtube gestellte Auftritt in London die vielleicht dynamischste, sympathischste Show zeigt, die COREY TAYLOR je gespielt hat. Zugegebenermaßen regen 17.500 leere Plätze aber wohl ebenso wenig zu Blödeleien an wie der Druck einer Stream-Aufzeichnung.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Corey Taylor Stream

Die große Rock-Show beherrscht COREY TAYLOR aber bekanntermaßen mindestens ebenso gut, sodass man als Rockfan hier 100 Minuten lang auf höchstem Niveau unterhalten wird: Die Songs sitzen so gut wie die Posen, die Cover sind gelungen gewählt und zum knackigenCMFT Must Be Stopped“ gibt es statt dem Hip-Hop-Feature der Album-Version ein Feature der Showtänzerinnen von Cherry Bombs (inklusive COREYS Frau Alicia Dove). Das ist fraglos sexistisch, aber eben auch: Rock ’n‘ Roll. Und am Ende steht auf COREYs Shirt „Rock Against Racism“ (sehr löblich!) und nicht „Rock Against Sexism“.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Corey Taylor Stream
  1. HWY 666
  2. Meine Lux
  3. Halfway Down
  4. Silverfish
  5. Shakin‘ (Eddie-Money-Cover)
  6. Song #3 (Stone Sour)
  7. Everybody Dies on My Birthday
  8. Snuff (Slipknot)
  9. Taciturn (Stone Sour)
  10. Culture Head
  11. The Maria Fire
  12. Home
  13. Zzyzx Rd. (Stone Sour)
  14. All This And More (Dead-Boys-Cover)
  15. Already Gone (Eagles-Cover)
  16. Kansas
  17. Black Eyes Blue
  18. Samantha’s Gone
  19. Through Glass (Stone Sour)
  20. On The Dark Side (John Cafferty & The Beaver Brown Band-Cover)
  21. Bother (Stone Sour)
  22. European Tour Bus Bathroom Song
  23. CMFT Must Be Stopped
  24. Watchin‘ You (Kiss-Cover)

Mit „Forum Or Against ‚Em“, wie die Show betitelt ist, liefert COREY TAYLOR nicht nur eine 1-A-Rockshow als perfekte Präsentation seines neuen Albums, sondern zeigt auch, worauf sich Fans nach der Corona-Pandemie freuen dürfen. Denn dass diese Band nicht eines Tages auf Tour gehen wird, ist eigentlich unvorstellbar. Neben Stone Sour kann diese schon jetzt absolut eingegroovt wirkende Truppe definitiv bestehen – verglichen mit COREY TAYLORs bisherigen Solo-Shows fehlt dem großen Rock-Feuerwerk aber leider etwas der Charme und die Lässigkeit.

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