Konzertbericht: Eisheilige Nacht 2012

2012-12-15 München, Tonhalle


20 Jahre Subway to Sally – für manche klingt dies wie eine bittere Drohung, für andere geht damit ein Traum in Erfüllung. In erster Linie wohl für die sieben Musiker selbst, die seit ihrem letzten Album „Schwarz in Schwarz“ endgültig auf sich allein gestellt sind. Doch nicht nur labelseitig kommen Eric Fish und Co. inzwischen ohne prominente Unterstützung aus: Auch die Eisheiligen Nächte liegen nun komplett in der eigenen Verantwortung der Folkrockgrößen. 2012 wird die Veranstaltungsreihe erstmals bundesweit durchgeführt. Dazu warten Subway mit einem mutigen Line-Up auf, welches härteren Folkrock mit russischer Polka und traditionellen schwedischen Rhythmen mixt. In München geht diese Rechnung auf – unter anderem weil manchmal für einen kurzen Moment die Musik nur den Rahmen für etwas viel Besonderes bietet.


Den Anfang machen die schwedischen Mittelaltermusiker FEJD. Hierzulande sind die fünf Norddeutschen kein unbeschriebenes Blatt mehr, waren sie doch bereits mehrfach auf dem Feuertanz Festival zu sehen und als Support für Saltatio Mortis unterwegs. Dass sie diese Vorschusslorbeeren nicht zu unrecht eingestrichen haben, beweisen FEJD umgehend. Traditionelle Instrumente wie Nyckelharpa, Bouzouki und schwedische Sackpfeife mischen die Nordeuropäer mit E-Gitarre und Schlagzeug. Nach kurzen Startschwierigkeiten hat die Mischung ordentlich Pfeffer und heizt der Tonhalle ein. Die schwedischen Texte rücken dabei ähnlich wie bei Folkstone und Co. merklich in den Hintergrund, spricht die hervorragend arrangierte und wuchtig eingespielte Musik doch ihre eigene Sprache. Zwar verweisen FEJD in rudimentärem Englisch auf das ein oder andere neue Stück, doch feiertauglich ist das Gesamtpaket auch ohne tieferen Bezug zu Schweden, der nordischen Mythologie und auch FEJD selbst. So vergeht das 30-minütige Set mit dem Höhepunkt „Yggdrasil“ als Abschluss wie im Flug. Einzig und allein etwas Bühnenlicht hätte man den Schweden spendieren dürfen.

Über die folgende Zeitreise von SUBWAY TO SALLY durften die Fans vorab via Onlinevoting selbst mitbestimmen. Folglich ist es keine große Überraschung, dass die Songauswahl wie „Sag dem Teufel“, „An der Zeit“ oder „Die Hexe“ auf breite Zustimmung stößt. Allgemein gelingt es STS tatsächlich, eine gänzlich andere Show auf die Beine zu stellen, die wirklich an die Irish & Scottish Folk-Anfänge der Band Mitte der 90er erinnert und sich nicht nur als billige Fassade entpuppt. Lediglich Eric Fish erweist sich als leidlich talentierter Schauspieler, als er sich in seinen Ansagen vor dem Münchner Publikum pseudonervös gibt. Die Kostüme und Instrumente tragen hingegen zum Retrofeeling bei – genau wie eine Fackel, die Eric besonders beim eingangs erwähnten „Sag dem Teufel“ wie ein Derwisch schwingt, sowie kurze Feuerspuckeinlagen. Trotz erkennbarer stilistischer Unterschiede zu den letzten Jahren schaffen es SUBWAY TO SALLY auch die jüngere Fangeneration für ihre ersten drei Werke namens „Album 1994“, „MCMXCV“ und „Foppt den Dämon“ zu begeistern. Selbst manch englischsprachige Perle verirrt sich in die Setliste und für neuere Subway-Fans ganz ungewohnt hört man neben Eric auch Gitarrist Simon allein am Mikro. Somit trägt der mit rund 30 Minuten ebenfalls recht kurze Block seinen Namen „Zeitreise“ völlig zurecht. Lediglich die Causa „Erdbeermund“ bleibt nach 20 Jahren Subway to Sally weiterhin ungeklärt. Aber manches scheint sich nie zu ändern.


Mit RUSSKAJA beginnt anschließend das russische Roulette – im wahrsten Sinne des Wortes. Vor allem im Kreis des Subway to Sally-Publikums besitzt die russische Ska-Formation im Vergleich zu Fejd und anderen genreähnlichen Combos kein nennenswertes Standing. Mit den Eisheiligen Nächten 2012 wird sich dies ändern: 2005 versammelte Georgij Alexandrowitsch Makazaria einige erfahrene österreichische Musiker, die mit Saxophon, Trompete und Tuba für gänzlich andere Akzente sorgen als Sackpfeife, Flöte und Schalmei. Die russische Turbo Polka startet zunächst instrumental, ehe Georgij als letzter die Bühne betritt und sich mit ausufernden Gesten sofort dem Publikum widmet. Dieses ist besonders für Münchner Verhältnisse erstaunlich kontaktfreudig und so schlägt die russische Folklore ein wie anno domini Perestroika und Glasnost. Die Menge in der bayerischen Landeshauptstadt singt, tanzt und springt – besonders beim „Psycho Traktor“-Spiel, der einer abgeschwächten Version des Circle Pits entspricht. Den passenden Song liefern RUSSKAJA dazu. Ebenso wie Erklärungen zur russischen Denkweise: So fordert Georgij die Zuschauer auf, sich durch lauten Jubel all ihrer Probleme zu entledigen. Nachdem ihm der Jubel zunächst zu verhalten ausfällt, erklärt der charismatische Fronter mit messerscharfem Akzent, dass es in Russland ein Rezept dafür gibt: Wenn man keine Probleme hat, denkt man sich einfach kurzfristig welche aus. Und so einfach wie diese Denke, so simpel funktioniert auch der russiche Partysound von RUSSKAJA über die gesamte Dauer. Die Eisheiligen Nächte dürften besonders diesem mittel- bzw. osteuropäischen Achter eine Menge Türen öffnen. Russian Voodoo ganz ohne Puppen und sonstigen Hokuspokus.


Wer die APOKALYPTISCHEN REITER zu einem solchen Anlass bucht, weiß im Gegensatz zu Russkaja im Vorhinein was er bekommt: Metalpublikum und -programm auf einem Folkfestival. Mangels Neuveröffentlichungen spielen Fuchs & Co. bei den Eisheiligen Nächten größtenteils jenes Material, was die eingefleischten Fans spätestens seit der „The Greatest Of The Best“-Tour kennen. In der vollgepackten Tonhalle gestaltet sich der Auftritt der Reiter im erweiterten Folk-Kontext wesentlich stimmiger als auf dem Feuertanz Festival 2012. Dafür sorgen kleinere Auflockerungen in der Songauswahl wie „Der kleine Wicht“ statt „Reitermania“, die das Gesamtpaket ungleich melodischer wirken lassen als die monotone Metalmania auf Burg Abenberg. Zwar scheppern „Es wird schlimmer“ und die bereits früh ausgerufene „Revolution“ auch in München anfangs etwas blechern über die Lautsprecher, dennoch zieht die Menge mit, da die Szeneveteranen wieder einmal durch ihre Spielfreude überzeugen und Fuchs stimmlich einen hervorragenden Tag erwischt. Wie schon auf der letzten Best Of-Tour dürfen Songs wie „Der Adler“, „Nach der Ebbe“ und „Seemann“ nicht fehlen. Wo sich viele Folkfans mit Grauen abwenden, erlebt der Metalanteil im Publikum sein Eldorado – und doch scheinen die APOKALYPTISCHER REITER mit ihrer Songauswahl eine größere Schnittmenge denn je zu erreichen. Allerdings ist es letztlich nicht die Musik oder die Setliste, die von diesem Auftritt hängen bleibt, sondern ein wahrlich erhebender Moment, als ein junger Mann im Rollstuhl unter ohrenbetäubendem Jubel auf den Armen der Anwesenden von hinten nach vorne getragen wird. Auf diesen großartigen Moment darf jeder Besucher der Eisheiligen Nächte in München 2012 wahrlich stolz sein. Ohne Worte, dafür mit Gänsehautgarantie.

Hier sind sie also nun, nach 20 Jahren: SUBWAY TO SALLY, Schwarz in Schwarz. Und im Vergleich zu den „Kreuzfeuer“/“Bastard“-Tagen hat sich im Bandkonzept einiges getan: „Schwarz in Schwarz“ lautet nicht nur der Titel des neuesten Album der Potsdamer, sondern er spiegelt auch die dahinterliegende Attitüde bzw. die Rückbesinnung auf die früheren Jahre wider. Diesen Weg zurück zu den Wurzeln verkaufen Eric Fish, Bodenski und Co. in ihrer Hauptshow nicht so deutlich wie im Zeitreiseblock zuvor oder auf den diesjährigen Sommerfestivals. So spielen SUBWAY TO SALLY zwar zum ersten Mal „Bis in alle Ewigkeit“ von ihrem aktuellen Album live, doch die gesamte Jubiläumssetliste ist bunt gemischt und nicht mehr merklich auf die neueste Schaffensphase ausgerichtet. Viele ältere Perlen der Szeneurgesteine wie „Falscher Heiland“, „Ohne Liebe“ und „Veitstanz“ sind nun Teil von langen Medleys, die hervorragend abgestimmt und arrangiert sind. Die Bühne bleibt dabei fernab einiger Pyroeffekte und Feuereinlagen größtenteils in Schwarz gehüllt. Im Vergleich zum Festivalsommer 2012 wirken STS musikalisch wieder melodiöser, dafür instrumental nicht mehr ganz so brachial und metallisch. Nach einer Art „Eisblumen“-Intro nimmt Eric Fish direkt beim Opener „Das schwarze Meer“ sein bekanntes Bad in der Menge, ehe früh das erste Medley einen weiten Bogen über die letzten 20 Jahre SUBWAY TO SALLY schlägt. Zwischen Älterem und Neuerem werden mit „Tanz auf dem Vulkan“ und „Besser du rennst“ zwei stärkere Kompositionen aus den letzten Jahren geschickt eingeflochten, wenngleich Circle Pit-ähnliche Publikumsläufe trotz gestiegenem Metalanteil bei STS immer noch zu gewollt anmuten.


Die Stimmung im weiten Rund gibt den Musikern und ihrer Songauswahl weitestgehend Recht, besonders da der Sound auch in den Randbereichen konstant überzeugt. Sein Ende findet die Show abermals mit dem unvermeidlichen „Julia und die Räuber“. Bereits zu Beginn haben einige Subway-Fans das bandinterne Evergreen immer und immer wieder angestimmt, doch ihre Rufe werden erst ganz am Ende erhört. Selbst wenn es musikalisch und inhaltlich vermutlich nicht mehr dem Hauptaugenmerk von STS entspricht, besitzt DIE SUBWAY TO SALLY-Nummer schlechthin noch einen gewissen Charme.

Und so schließt sich die Eisheilige Nacht in München, die insgesamt eine mehr als gelungene Veranstaltung bietet. Viele unterschiedliche Facetten von traditionellem Folk über russische Polka und (Folk-)Metal finden zu einem großen Ganzen zusammen, in dessen Rampenlicht jede Band auf ihre eigene Weise scheinen kann. Der Abwechslungsreichtum und die Qualität dahinter erweist sich als das größte Plus. Im kommenden Jahr scheinen Subway to Sally diesen Pfad weiter verfolgen zu wollen, sind doch bereits rund 12 Monate vorher namhafte Acts wie Lordi und Korpiklaani bestätigt. Dazu gesellen sich die Hamburger Newcomer Lord Of The Lost. Man darf mit Fug und Recht gespannt sein, wen Subway noch aus dem Hut zaubern – und wohin dies die Eisheiligen Nächte führt.

Publiziert am von und Uschi Joas

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