Konzertbericht: Mittelalterlich Phantasie Spectaculum 2011

24.09.2011 - 25.09.2011 Schloss Maxlrain, Tuntenhausen

Seit 1994 zieht das MITTELALTERLICH PHANTASIE SPECTACULUM – kurz MPS – mit seinem umfangreichen Hofstaat quer durch die Bundesrepublik. Im Laufe der letzten 17 Jahre ist die Gefolgschaft merklich gewachsen. So ist das MPS auch 2011 das größte auf Reisen befindliche Mittelalter-Kultur-Festival der Welt. Getreu dem Veranstaltungsmotto geht es weniger um Authentizität, sondern vielmehr um eine fantastisches Erlebnis für die ganze Familie.

Die 6. Maxlrainer Ritterspiele im Süden Bayerns standen bereits vor dem Wochenende unter einem guten Stern: Der Wetterdienst versprach spätsommerliches Traumwetter für die gesamte Dauer des Marktes. Dazu wurden mit SALTATIO MORTIS, RAPALJE, FEUERSCHWANZ und SCHELMISH markterprobte wie trinkfeste Gruppen angekündigt, die allesamt mehrmals pro Tag mit ihrem Mittelalterprogramm auftraten. Während sich Veranstalter Gisbert Hiller in anderen Teilen Deutschlands mit stetig wachsender Bürokratie plagen muss, blieben die Vorzeichen in Maxlrain unverändert. So konnten alle Shows und Veranstaltungen wie geplant ohne zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden. Hiller und sein Team hatten für das Maxlrainer MPS ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, so dass selbst an beiden Tage kaum alles zu erleben war. Auf dem riesigen Areal mit drei Bühnen konnten edle Damen ihre Schmuckkästchen erweitern und Hobbyritter den passenden Helm zur Rüstung kaufen – immer begleitet von den beinahe obligatorischen Dudelsackklängen. Für das leibliche Wohl wurde natürlich ebenso gesorgt: Neben einer stattlichen Saubraterey gab es auch für vegetarische Besucher eine große Auswahl an fleischlosen Speisen. Dazu boten die Stände vieles mehr, von allerlei Gewandungen über süffigen Met bis zur größten Auswahl an gebrannten Mandeln (mit extravaganten Geschmacksrichtungen wie z.B. Red Bull).

Trotz bester Voraussetzungen ließ der Besucherandrang zur feierlichen Markteröffnung am Samstag zu wünschen übrig. Erst im Laufe des Tages füllte sich das Marktgelände zusehends. Auch die Bands ließen es anfangs eher gemächlich angehen und groovten sich mit ihren ersten Sets noch ein. Nur Saltatio Mortis gaben von Anfang an Vollgas: Wirkte manch Spielmann abseits der Bühne ein wenig missmutig, so war beim musikalischen Teil davon nichts zu spüren. Zahlreiche Stücke kündigte Trommler Lasterbalk der Lästerliche als Sprachrohr mit charmantem Wortwitz an: Die Auswahl reichte dabei von der obligatorischen Trinkhymne „In Taberna“ über „Ecce Gratum“ bis hin zu neuem Material wie „Der letzte Spielmann“. Angereichert wurden die hochklassig präsentierten Stücke mit launigen Geschichten wie der Aktion „Ein Herz für Luzi“, dem ach so einsamen Spielmann. Später am Tag packten Saltatio die fälligen Markthits wie „Prometheus“ oder „Dessous Le Pont De Nantes“ aus und lieferten fulminante Shows voller energiestrotzender Dudelsack- und Trommelrhythmen. Für regelmäßige MPS-Besucher mag dies keine Besonderheit mehr sein, doch besonders in Bayern, wo das Spectaculum nur sehr selten seine Zelte aufschlägt, entfachten Saltatio eine ungeahnte Begeisterung für akustische Spielmannsmusik traditioneller Natur.
Ähnliches gelang Rapalje mit der ausdrucksstarken Stimme von Sänger William: Besonders beim oftmals gespielten, aber selten so intensiv dargebotenen „Loch Lomond“ herrschte eine wonnige Gänsehautatmosphäre. Mit „Mary’s Wedding“ versteckten die Niederländer wiederum kleine Perlen gleich in ihrem ersten, eher gediegenen Auftritt. Das Programm von Feuerschwanz war derweil von der ersten Minute an auf Party getrimmt. Nur selten waren markterprobte Traditionals wie der „Bärentanz“ in der Setliste zu finden. Etwas überraschend erwiesen sich jedoch auch die neueren Songs wie „Wunsch ist Wunsch“ als durchaus markttauglich, wenngleich etwas mehr Abwechslungsreichtum über den Tag verteilt nicht geschadet hätte. Spätestens beim dritten Mal „Met und Miezen“ war der Bogen überspannt. Ein kleines Highlight lieferten der Hauptmann und Saltatio Mortis Sänger Alea beim Nachtkonzert mit dem Duett „Symposium“.

Apropos Highlight: Diese Bezeichnung trifft vollumfänglich auf alle drei Auftritte von Das Niveau zu. Auf der kleinsten der drei Bühnen überzeugten Martin Spieß und Sören Vogelsang dreimal mit ihrer Show, die vereinzelt sogar aus Songs ihrer beiden Alben bestand. Dazu kam sehr viel Situationskomik und Improvisationstalent. So wurde passend zum Sonnenuntergang aus „Wir bringen euch Feuer“ in Anlehnung an „Prometheus“ von Saltatio Mortis: „Wir bringen euch Schatten.“
Als schließlich ab 21.30 Uhr selbst die nicht jugendfreien Inhalte erlaubt waren, steigerte sich das Duo Spieß/Vogelsang nochmals. Gegen Ende ihrer Auftritte ließen sich die beiden jeweils eine Tonart und ein Schlagwort für improvisiertes Liedgut liefern. Als krönenden Abschluss lieferten die beiden Sprachakkrobarden nahe der deutsch-österreichischen Grenze über 12 Minuten eindeutig Zweideutiges zu vegetarischen Schnitzelsemmeln in C-Dur. Wer neugierig geworden ist, sollte YouTube konsultieren oder überlegen, was sich auf „vegetarisch“ reimt.

Summa summarum ist das Mittelalterlich Phantasie Spectaculum sowohl für Familien als auch für Marktmusikliebhaber die erste Adresse in Deutschland. Nirgends gibt es ein größeres Programm und nirgends sind bessere bzw. mehr Musiker am Werk. Dazu kommt eine Preisgestaltung, die gemessen an bayerischen bzw. Münchner Standards sehr human ist und ein hervorragendes Rahmenprogramm. Mögen diese Spiele für immer weitergehen!

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