Konzertbericht: Philip H. Anselmo And The Illegals

03.07.2019 München, Backstage (Halle)

Wenn in den letzten Jahren über Phil Anselmo geredet wurde, dann selten gut. Zu oft hatte man den Ex-Pantera-Sänger betrunken auf der Bühne gesehen, zu viel war schief gelaufen zwischen ihm und den Pantera-Fans, und ja, dann war da noch die Sache mit dem „white (power) wine“, die zum zwischenzeitlichen Aus von Down führte. Mit anderen Worten: Viel Kredit ist verspielt – Zeit, sich wieder etwas zu erarbeiten. Gelegenheit dazu bietet sich auf der ersten Europa-Tour von PHILIP H. ANSELMO AND THE ILLEGALS.

30€ Eintritt und keine Vorband – das Selbstvertrauen scheint Herrn Anselmo jedenfalls noch nicht abhanden gekommen zu sein. Stolze 30€ für ein Bandshirt passen dazu ebenso wie das Auftreten des stämmigen Amerikaners: Breitbeinig, mit fieser Visage. Und immer wieder mit geballte Faust. Und doch ist alles anders als erwartet. Phil wirkt völlig klar, fokussiert und vor allem: gut gelaunt. Der eine oder andere Scherz kommt dem volltattoowierten Fronter über die Lippen, ansonsten lässt er die Musik sprechen. Und die spricht im Falle von PHILIP H. ANSELMO AND THE ILLEGALS deutliche Worte. Los geht es mit „Little Fucking Heroes“, dem Opener des aktuellen Albums „Choosing Metal Illness As A Virtue“ (2018). Zwar dauert es noch ein, zwei Songs – spätestens dann tobt in der gut gefüllten Backstage Halle aber der Mosphit.

Brutal und groovig ist das Material von PHILIP H. ANSELMO AND THE ILLEGALS allemal – und doch sind die wohlwollenden Reaktionen des Publikums nichts im Vergleich zu der Euphorie, die sich wenig später in Sekundenbruchteilen in der Halle breit macht. Als Phil nämlich nach sieben Songs ankündigt, dass es jetzt mit etwas anderem weitergehen wird. Und tatsächlich: Schon erklingt das charakteristisch rhythmisierte Riffing von „Mouth Of War“ der unvergessenen PANTERA. Jubelstürme, Gesang aus hunderten Kehlen und ein Moshpit von einer ganz neuen Dimension sind die Reaktion – und der Beweis, dass PHILIP H. ANSELMO AND THE ILLEGALS hier keine Leichenschändung begehen, sondern genau das Richtige tun.

„Becoming“, „Yesterday Don’t Mean Shit“, und die Kombi aus „Domination“/„Hollow“: Hit folgt auf Hit und die Zeit – am Ende werden es 90 Minuten sein – vergeht wie im Flug. Nicht zuletzt, weil Anselmo gerade in diesem Teil alles richtig macht: Eine bescheidene Widmung an Dime und Vinny hier, ein paar markige Worte da. Und zuletzt, zur Feier der letzten Show in Deutschland, ein kleines Wunschkonzert. Nach wildem Durcheinanderrufen beschert das den Fans die drei Klassiker „Walk“, „A New Level“ und „I’m Broken“ als krönenden Abschluss dieses von vorne bis hinten grandiosen Auftritts.

Dass Phil zwischendurch ziemlich pissy wirkt, eine auf der Bühne gelandete Uhr einfach einsteckt und den Fans in der ersten Reihe zum Ende der Show seinen Kaugummi „schenkt“? Geschenkt – als Schwiegermutters Liebling stand Phil H. Anselmo schließlich auch nicht auf dem Programm. Für seine Verhältnisse – gemessen an allem, was man in den letzten Jahren zu sehen bekommen hat – liefert er heute jedenfalls eine nachhaltig beeindruckende Show ab. Nicht nur, aber doch vor allem, weil er sich an die heiligen Thrash-Hymnen von PANTERA wagt. Muss das sein? Darf man das? PANTERA-Songs 2019 live, und dann auch noch mit zwei Gitarren? Ja, ja, und verdammt noch mal: Ja!

  1. Little Fucking Heroes
  2. Choosing Mental Illness
  3. The Ignorant Point
  4. Bedridden
  5. Photographic Taunts
  6. Walk Through Exits Only
  7. Mixed Lunatic Results
  8. Mouth Of War (Pantera-Cover)
  9. Becoming (Pantera-Cover)
  10. Yesterday Don’t Mean Shit (Pantera-Cover)
  11. Domination / Hollow (Pantera-Cover)
  12. Walk (Pantera-Cover)
  13. A New Level (Pantera-Cover)
  14. I’m Broken (Pantera-Cover)

Natürlich bleiben es am Ende THE ILLEGALS, die diese unsterblichen Riffs als Coverband mit Originalmitglied PHILIP H. ANSELMO spielen. Doch so respektvoll und authentisch, wie sie dies tun, muss man schon arg verbitterter Retro-Purist sein, wenn einem dabei nicht das Herz aufgeht. Diese Riffs wollen, ja: müssen live gespielt werden. Und wer, wenn nicht PHILIP H. ANSELMO AND THE ILLEGALS, sollte dieser Pflicht nachkommen und diese Stücke noch einmal zum Leben erwecken? In Kombination mit der brachialen Darbietung des neuen Materials von PHILIP H. ANSELMO AND THE ILLEGALS definitiv ein Abend, den man so schnell sicher nicht vergisst.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert