Konzertbericht: Talco w/ The Dreadnoughts

2011-01-31 Hamburg

Sowas kommt von sowas: Als fleißiger St. Pauli-Stadiongänger wurde man einige Zeit von einer sehr spaßigen Pausenmusik berieselt, welche sich als die italienische Ska-Punk-Band TALCO herausstellte. Deren Gassenhauer, der nach dem Stadtteil/Fußballverein benannt ist, setzte sich sehr bald tief in meinem Gehörgang fest und löste Interesse an den lustigen Venezianern aus.
Dass meine bessere Hälfte und ich jedoch nicht die einzigen in der Hansestadt mit dieser Affinität sind, wurde diesen Januarabend doch sehr deutlich. Nicht nur, dass der eigentliche Tourtermin in Hamburg – zwei Tage zuvor – schon lange im Vorfeld restlos ausverkauft war und wir daher von Glück sagen konnten, dass ein Zusatzkonzert eingerichtet wurde. Auch dieser Auftritt dürfte das Knust an die Grenzen seines Fassungsvermögens gebracht haben.
St. Pauli hier, St. Pauli da. Kurzerhand wurde das Konzert auch mit einer DVD-Release-Party zusammengelegt, bei der die frisch zusammengestellten bewegten Bilder des „Jahr100“-Konzert im Millerntorstadion gezeigt wurden. So kamen wir und viele andere FC-Anhänger und Musikhungrige vor den ersten Live-Aktivitäten noch in den Genuss, Auftritte wie den des Seemanns-Chors Hannover zu bestaunen, der Fangesänge des frischgebackenen Bundesligisten zum Besten gab. Eine Gruppe von mehreren Dutzend graubärtigen Männern „Wir sind Zecken / asoziale Zecken / wir schlafen unter Brücken / oder in der Bahnhofsmission“ singen zu sehen, muss schon ein Erlebnis gewesen sein.
Auch wenn die Bühnendarbietungen des Abends so etwas auf sich warten ließen, kam wenig Langeweile auf. Nicht zuletzt soll auch einmal hervorgehoben werden, dass sich die schöne Sitte, Konzertberichterstattern freies Trinken zu bieten, gern weiter verbreiten darf.
Um etwa halb zehn waren THE DREADNOUGHTS als Anheizer an der Reihe. Die Kanadier spielen etwas in Richtung Celtic Punk mit Polka-Schlagseite, was sich ganz gut mit Flogging Molly oder Dropkick Murphys vergleichen lässt. Die Jungs von Übersee machten jedenfalls alles richtig und versetzten den bereits sehr vollen Saal mit punkigem Gefiedel in Wallung. Musik dieser Art muss kein bisschen Tiefgang haben um wirkungsvoll zu sein – was so in die Beine geht, hat schon seine Daseinsberechtigung. Rund eine halbe Stunde zockten die sympathischen Kanadier, die mit Spielfreude und viel Witz auf willige Zuschauer trafen, bis sie die Bühne räumen mussten.
Mit dem Hauptgang des Abends verhält es sich ganz und gar nicht anders, was die Wirkung der Musik betrifft. Wie es um die Texte der Italiener tatsächlich bestellt, bleibt mir der Sprachhürde wegen zwar verschlossen, außerdem bin ich ohnehin nicht näher mit dem Liedmaterial von TALCO vertraut.
Kein Hindernis aber, um ein sehr vergnügliches Konzert zu erleben. Von den ersten (Off-)Beats an hatten die sechs Burschen, mehrere davon in FC-Klamotten gehüllt, mich und die ganze Halle in ihren Bann gezogen. Schnell entwickelte sich ein sehr angenehmes Herumgehüpfe – kein aggresiver Pogo, wie er sonst auf Metal-Konzerten ätzt. TALCO ließen in puncto Ausgelassenheit, Sympathie, Energie und Spielwitz wenig Wünsche offen, so stellten sich die Bandmitglieder gegenseitig beispielsweise als Silvio Berlusconi vor oder machten verschiedene Faxen mit ihren Instrumenten. Dass Ska Punk nicht die Musikrichtung ist, die meine Wenigkeit über lange Zeit oder besonders intensiv fesseln könnte, spielte an diesem Abend keine Rolle, denn einzig nach Tanzen und Springen war einem zumute. Trotz der überschaubaren Größte des Knust-Saales kam es sogar zu vereinzelten Crowdsurfern, und ohne jeden Stress schienen sich alle vor und auf der Bühne einfach lieb zu haben.
Der Höhepunkt kam ganz zum Schluss: Die Hymne „St. Pauli“, mit der sich TALCO so viele Freunde in und ums Millerntor erspielt hat, wurde zu allerletzt zum Besten gegeben und entsprechend abgefeiert. Die Band selbst hob die Nummer gar nicht allzu sehr hervor, was angesichts des Repertoires von vier Alben ja auch verständlich ist. Und auch wenn der Auftritt der Italos nur gut eine Stunde dauerte, so verließ man doch rundum zufrieden die Halle am alten Schlachthof. Der Eintrittspreis, das Zusatzkonzert und das Anbieten von zwei Alben zum kostenlosen Download, TALCO wissen wirklich noch, was Fanfreundlichkeit bedeutet.

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