Konzertbericht: Tommy Emmanuel

2007-12-06 Hamburg, Fabrik

„Wahnsinn!“ „Unglaublich!“ „Toll!“ – ein kleiner Auszug aus der reichhaltigen Fülle von Zitaten, die von Zeugen des Auftritts eines der begnadetsten Gitarristen auf diesem Planeten gesprochen wurden – TOMMY EMMANUEL kam an diesem lauen, aber regnerischen Abend des 6. Dezembers als musikalisches Nikolauspräsent der Superlative nach Hamburg. Schon seit Kindertagen zupft dieser Mann die Saiten und ist mindestens ebenso lange schon auf Bühnen zuerst in seiner Heimat Australien, später in der ganzen Welt zu finden – heute nun in der Hansestadt.

Passend zur mal etwas anderen Musik wechselte auch der Veranstaltungsort: Statt wie sonst zur Markthalle ging es diesmal zur Fabrik, einer alten Fabrikhalle, die zur Konzerthalle um- und ausgebaut wurde. Die erste Ernüchterung folgte beim Eintreten: Um 8 war Einlass – ich kam um 5 nach 8 und blickte auf eine proppevolle Halle, sämtliche Sitzplätze waren bereits belegt; die Leute mussten um Punkt 8 die Einrichtung erstürmt haben. So blieb es für mich also bei einem Stehplatz direkt hinter der letzten der sieben bis acht zentralen Sitzreihen – im Endeffekt war das sogar vorteilig, denn so hatte ich freie Sicht und war nicht einmal sehr weit von der Bühne entfernt. Ungewohnt auch die Zusammensetzung des Publikums: Der Altersschnitt dürfte bei ca. 40 Jahren gelegen haben, vereinzelte Gruppen von jungen Leuten mischten sich unter reifere Herrschaften, dazu gesellten sich einige Leute im Rentenalter. Ein Vorteil der Fabrik gegenüber der Markthalle: Es gibt eine Belüftung! Während der ganzen Zeit stand ich in Rollkragenpulli und Lederjacke im Saal und verlor keinen Schweißtropfen. Um 21.00, bei gefülltem Saal und vollbesetzten Rängen (die Fabrik ist zweistöckig) war es denn endlich so weit.

Unter großem Applaus kam TOMMY EMMANUEL auf die Bühne, seine drei Gitarren standen schon bereit. Mit freundlichem Gruß in die Halle greift er zum ersten Instrument, und sofort zeigt sich: Dieser Mann ist ein Sympathieträger erster Klasse! Er strahlt eine ungeheure Freundlichkeit und Menschlichkeit aus, die einen fast dazu zwingt, ihn zu mögen. Dazu trägt natürlich auch seine Musik bei: Akustikgitarrenspiel auf allerhöchstem Niveau, welches TOMMY gleich einmal mit dem durch YouTube sehr bekanntgewordenen „Guitar Boogie“ präsentiert. Doch das ist nur der Anfang: Er scheint sich mit jedem Lied selbst zu übertreffen und glänzt zwischendrin mit tollen Ansagen. Kostprobe? „Das ist ein Lied über Liebe… darüber, wie man die Liebe frisch hält… ich habe ihn für meine Exfrau geschrieben.“ Und zum selben Lied: „Das Capo (Capodaster, Anm. d. Autors) im zweiten Bund ist sehr romantisch!“ Klasse, TOMMYs Sprüche waren immer wieder für einen Lacher gut. Doch auch von persönlichen Dingen erzählte er, von einem befreundeten Musiker, den der Alkohol niederstreckte oder von der Entstehung des eben erwähnten Exfrauen-Liedes (im Taxi vom Flughafen nach Hause – er hatte den Hochzeitstag vergessen).

Passend dazu gab es auf musikalischer Seite eine Reise durch allerlei verschiedene Gefühlswelten zu erleben: Mal ging es heiter zur Sache (der erwähnte „Guitar Boogie“ oder auch „The Tall Fiddler“), mal verträumt oder nachdenklich („And so it goes“) und oft herrlich bluesig („Working Man Blues“ oder „Nine Pound Hammer“). Dazu gesellten sich kongeniale Cover von Klassikern wie „House of the Rising Sun“, „Johnny B. Goode“ sowie ein Cover-Medley aus den Beatles-Hits „Here comes the Sun“, „When I’m 64“, „Day Tripper“ und „Lady Madonna“; hier ließ sich das sonst eher in Ehrfurcht erstarrte und nur nach jedem Stück in frenetischen Jubel ausbrechende Publikum sogar zum Mitsingen anregen. Wenn er nicht gerade die Saiten zupfte, zeigte TOMMY sein Talent als Percussionist: Mit Kratzen, Klopfen und Klickern spielte er auf seinen Gitarren Schlagzeug, brachte mitreißende Rhythmen – und alles in einem wahnsinnigen Tempo! Stellenweise war es kaum möglich, seinen Fingern mit den Blicken zu folgen.

Doch neben dem Trumpf, den er im zweiten Drittel des Sets ausspielte, sollte alles andere verblassen. Dieser Trumpf trägt den Namen „Initiation“. Klingt nicht sehr spannend? Namen sind Schall und Rauch, Freunde. Es handelte sich hier um eine achtminütige Expedition in die Welt der Aboriginees, die TOMMY EMMANUEL einzig und allein mit seiner Gitarre (und ein paar Gitarreneffekten) veranstaltete. Der Zuhörer wurde auf Grundlage der Gitarrenpercussion, vereinzelter Töne und eines ausladenden Echoeffekts mitgenommen ins australische Outback, zu dessen Ureinwohnern, zu Naturgeistern, Höhlenmalereien, Schamanismus. Ich kann es eigentlich gar nicht in Worte fassen, in welche ungeahnten „spirituellen“ Weiten einen diese Darbietung bringt, das muss man selbst erleben, um es begreifen zu können. Als TOMMY geendet hatte, befand ich mich zumindest in einem trance-artigen Zustand der Ergriffenheit.

Allein die letzte Ausführung sollte annähernd deutlich machen, wie viel Magie in den 105 Minuten steckte, die TOMMY EMMANUEL die Zuschauer mit seiner Show begeisterte. Dieser Mann, ich kann es nicht anders sagen, ist ein Genie an seinem Instrument, das er auf vielfache Art und Weise beherrscht – er scheint es zum Leben zu erwecken und verzaubert dabei seine Zuhörer, als würde er eine magische Laute spielen. Wer die Gelegenheit hat, sich diesen Mann live anzusehen – tut es, dammich nochmal, tut es! Wer weiß, wann er wieder in eure Nähe kommt – nehmt die Chance wahr, wenn sie sich euch bietet, ihr werdet es nicht bereuen.

Geschrieben am 6. Dezember 2007 von Metal1.info

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