Konzertbericht: Unheilig w/ Diary Of Dreams, Zeromancer

2010-04-01 München, Zenith

Stellt Euch vor, Ihr wollt zum Champion’s League-Halbfinale zwischen Bayern München und Manchester United in die ausverkaufte Allianz Arena. Allerdings bekommt ihr völlig überraschend den TSV 1860 München gegen Rot-Weiß Ahlen im heruntergekommenen Grünwalder Stadion. So oder zumindest so ähnlich werden sich die meisten neuen Unheilig-Fans gefühlt haben, die sich am 01. April um Punkt 20 Uhr im Münchner Zenith eingefunden hatten. Denn was sie dort erwartete, war kein vermeintlich schlechter Aprilscherz und auch kein zweistündiges „Geboren um zu leben“, sondern der gräfsche Support namens ZEROMANCER.
Die norwegischen Sythie-Rocker mit Frontmann Alex Moklebust hauten dem anwesenden Publikum die mit mehreren Schlagzeugen kräftig untermalten Elektrobeats mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit um die Ohren, so dass wohl besonders einige Eltern mit ihren Kindern an den schnellen Rückzug in heimatliche Gefilde dachten. Allerdings erwies sich die Band in ihrem knapp 30-minütigen Auftritt als würdiger Opening-Act des Abends, da das Tanzbein bei allen Songs fast automatisch im Takt mitwippte und besonders in den vorderen Reihen bereits gute Stimmung herrschte.

Diese konnte sich anfangs beim 2. Support-Act namens DIARY OF DREAMS nicht halten. Die Jungs und Mädels rund um Sänger Adrian Hates begannen ihre Setliste mit einem denkbar unpassenden Stück. Ziemlich irritiert verharrte fast die gesamte Halle, bis die schnelleren Klänge im folgenden Song die wahren Qualitäten der Band offenbarten. Besonders gegen Ende konnten sich der Leadsänger und seine Band merklich steigern: So entwickelten sich die Stücke von ruhiger Hintergrundmusik, die man im Radio nebenbei hören kann, zu stilvoll arrangierten Kompositionen mit einem gewissen Flair und sporadischen Elektro-Elementen. Aus gesanglicher und atmosphärischer Sicht lieferte Hates schließlich bei „The Curse“ sein Glanzstück ab.

Um 21.55 Uhr übernahmen schließlich UNHEILIG die Bühne, nachdem die Fans zuvor mehrfach mit einer Schiffshupe aufgefordert wurden, ihre Plätze einzunehmen und über die Lautsprecher ein Lied über die Reeperbahn erklang. Auf drei mittelgroßen Leinwänden wurden während des gesamten Konzertes Videos zu den einzelnen Songs und kleinere Zwischensequenzen abgespielt, so dass jeder noch so neue Fan selbst bei den etablierten Klassikern mitsingen konnte. Ein geschickter Schachzug, zumal die oft in Schwarz/Weiß gehaltenen Clips zur Seefahrerthematik des Albums passten und den Musikern kleinere Atempausen ermöglichten. So sah man den Grafen abseits der Bühne dabei, wie er am Strand eine Flaschenpost öffnet und seinen Blick über das Meer schweifen lässt. Musikalische hätte „Seenot“ als Opener nicht besser zünden können, denn das Publikum lief sofort auf Hochtouren, als das neue Massenphänomen wie in alten Zeiten auf die Bühne stürmte und mit seinen einzigartig bizarr-grotesken Tanzeinlagen begann. Zwar verzichtet Unheilig inzwischen auf einzelne Markenzeichen wie seine farbigen Kontaktlinsen, doch trotz der jüngsten Charterfolge gibt sich der Graf seiner Musik immer noch so hin wie man es von ihm kennt. Auf den ersten Blick mag das befremdlich, frivol und anzüglich wirken, doch seine Energie, Leidenschaft und Hingabe sind live in dieser Form unerreicht. Zusammen mit einem erstaunlich feierwütigen Münchner Publikum verschenkte der Graf Wunder, feierte die „Große Freiheit“ und ging abwärts bis zum letzten Mann.
Das Zenith entwickelte sich zwischenzeitlich zu einer einzigen großen Elektro-Party, die weniger auf den Mainstream zugeschnitten war als von mir erwartet. Für die ruhigen Momente sorgte wieder einmal „An deiner Seite“, welches bei der aktuellen Tour allerdings einen faden Beigeschmack hinterlässt, da es die Band bzw. der Graf nie wieder live spielen wollte. Ansonsten erschließt sich für mich auch nicht der Kultstatus von manchen Stücken wie „Astronaut“, die meiner Meinung nach qualitativ nicht mit dem aktuellen Material mithalten können. Dafür fehlten andererseits Stücke wie „Spiegelbild“, „Sage Ja“ und allen voran „Sternbild“, die sehr gut in die aktuelle Setliste gepasst hätten. Bei diesen kritischen Worten will ich es allerdings belassen, denn selten verging ein Konzert so schnell und war gleichzeitig so zeitlos, dass es viele wohl am liebsten gleich noch einmal erlebt hätten. Aber vielleicht ist Abschied in der Tat eine Reise, die ein Wiedersehen verspricht – zumal der Graf im Sommer mehrere Festivals in ganz Deutschland headlinet.

Hinweis: Da in München die Unheilig-DVD zur „Große Freiheit“-Tour aufgezeichnet wurde, gibt es ausnahmsweise keine Bildergalerie und leider auch keine Setlisten.

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