Konzertbericht: W.A.S.P. w/ V8 Wankers

2007-12-19 Hamburg, Markthalle

In der Vergangenheit machten W.A.S.P. immer wieder durch skandalöse Auftritte, bei denen Kettensägen, Tierteile und am Kreuz penetrierte Nonnen eine Rolle spielten, von sich reden – weiterhin auch dadurch, dass die Fans für einige Konzerte volles Geld zahlten, dann aber nur eine lächerliche Stunde Spielzeit bekamen. Dementsprechend sah dann auch die Erwartungshaltung bei mir und im Publikum aus, doch zu alledem später mehr.

Zur (passend) unchristlich frühen Zeit von 18:00 ging es für mich wieder einmal zur altehrwürdigen Markthalle. Die Zeitangabe auf der Hallen-Webpage war eindeutig zweideutig: „19 Uhr“. Vorsorglich reiste ich also schon um 6 an, das Risiko eingehend, mehr als eine Stunde vor Einlass vor Ort zu sein, doch die Götter waren mit mir und ließen den Einlass um kurz nach 6 stattfinden. Und gleich wurde es spannend, denn ich erlebte quasi ein Deja vú: Zum zweiten Mal, nach der Sache beim Candlemass-Konzert, stand ich trotz vorheriger Absprache und Zusage nicht auf der Gästeliste. Tolle Wurst! Ich war kurz davor, den Tourmanager zu suchen und ihm einen Roundhouse-Kick zu verpassen, doch die kulante Dame an der Kasse ließ mich trotz fehlender Eintragung kostenlos passieren – vielen Dank nocheinmal! Offensichtlich wirkte ich akkreditiert genug. Allerdings bekam ich keinen Pressepass, und somit hatte sich das Mitbringen der semiprofessionellen Familienkamera nicht gelohnt; sie musste das Konzert nach tränenreichem Abschied in einem Einkaufswagen am Eingang verbringen. Wie schon von der Band angekündigt, wurden sämtliche Kameras am Eingang eingezogen.

Der Abend fing also schonmal ziemlich bescheiden an. Nach weiterer Wartezeit begannen um 19:00 die V8 WANKERS als vorher nicht bekannter Localsupport vor Minimalpublikum (um die 100-150 Leute). Ohne großen Auftritt kamen die Herren auf die Bühne, stöpselten ihre Instrumente ein und legten los. Im Geiste von Motörhead wurde dreckig gerockt, gefeiert und geposed. Berichtenswert scheinen mir besonders zwei Dinge: Primum die erste „visuelle Arschbombe“ des Abends in Form von Sänger Lutz Vegas‘ entblößter und fast völlig tätowierter Plautze, die zwar jedem Bierfan anerkennende Worte abgerungen hätte, mir aber eher ein verzerrtes Grinsen ins Gesicht trieb. Secundum zerschmetterte Leadgitarrist Vulcanus fast seine Klampfe auf dem Hallenboden, als ihm nach seinem Vorstellungssolo knapp vor Ende des Sets der Gitarrengurt von der Halterung rutschte und das Arbeitsgerät mit lautem Fiepen aufschlug – eine Schrecksekunde erster Güte für jeden Instrumentenliebhaber. Nach nur fünf Lieder war schon wieder Feierabend für die WANKERS, die zumindest mit Höflichkeitsapplaus und vereinzeltem Gröhlen verabschiedet wurden.

Nun war es also Zeit für den Headliner. Schon während der Umbaupause diskutierte ich mit einigen jungen Herren, die sich mir nach Blick auf die Rückansicht meines Shirts („metal1.info – Wo Hiphop noch verachtet wird“) als Kommilitonen von Kollege Justus vorstellten, darüber, wie nun die Bühnendeko aussehen würde. Doch bis zum Beginn des Auftritts und auch danach blieb es öd: Ein paar zusammengewürfelte Verstärkerboxen, keine Kettensägen, keine Schweinehälften am Mikrofonständer, nur eine große Leinwand im Hintergrund. Doch Abhilfe wurde mit dem Auftritt der Herren um Mastermind Blackie Lawless geschaffen, und zwar von ihm selbst, oder viel mehr seinem Outfit. Hier kam die zweite „visuelle Arschbombe“ des Abends daher, und zwar in Form von einem Mr. Lawless in hautenger Hose, über dem Bauch verknoteten T-Shirt und kniehohen Leder-Nuttenstiefeln. Bei bestimmtem Lichteinfall sah auch sein Gesicht zum Fürchten aus, und so war nun also auch optisch für Unterhaltung gesorgt (dazu wehte ein Geruch von Haarspray von Blackie aus in die erste Reihe – Hairspray Metal!). Und es wurde noch mehr: Auf der Leinwand wurden Szenen in schwarzweiß abgespielt, die ursprünglich mal für einen Spielfilm vorgesehen waren und die Geschichte des W.A.S.P.-Konzeptalbums „The Crimson Idol“ bebildern; grob umrissen ging es um einen Jungen namens Jonathan Steel, der aus seinem brutalen und tiefgläubigen Elternhaus flieht, Karriere als Rockstar macht und schließlich, von Drogen und seiner Vergangenheit zugrunde gerichtet, Selbstmord begeht. Dazu wurde dieses Album dann auch tatsächlich vollständig und in einem Stück gespielt, also auch absolute Kracher wie „Chainsaw Charlie“, „The Invisible Boy“ oder „Arena of Pleasure“, bei denen richtig die Post abging. Aus Musik und Bildern ergab sich eine großartige, mitreißende Mischung, wobei es schwierig war, sich wirklich auf die Videosequenzen zu konzentrieren, wenn vor einem Blackie Lawless in hochhackigen Stiefeln herumstolzierte.

Wie gesagt, diese Kombination aus Bild und Ton war wirklich sehr mitreißend, doch leider wirkten die Musiker während des „Crimson Idol“-Sets etwas verkrampft, wohl da sie unter Zeitdruck durch das im Hintergrund in einem Stück laufende Video standen. Insgesamt war die Darbietung des „Crimson Idol“-Album sehr gelungen, stimmungsvoll und packend inszeniert. Und dann gab es ja noch die Zugabe: „L.O.V.E. Machine“, „Wildchild“, „Take me up“ und „Blind in Texas“ wurden bemüht und brachten das Publikum endgültig zum Kochen, was speziell meine Rippen zu spüren bekamen – wann immer Blackie Lawless an den Bühnenrand kam, stürzten die Leute wie von der Tarantel gestochen nach vorn, um einen Handschlag ihres Idols zu erhaschen. Irgendwie verdammt hohl. „Er hat mich berührt, ich werd‘ mich nie wieder waschen!“

Nunja, nach nur vier Liedern aus dem großen Restrepertoire von W.A.S.P. war dann leider schon Schluss – und es war nicht mal 10! Spaß hatte es aber allemal gemacht, auch wenn mir persönlich der Zugabenteil etwas zu kurz geriet; bei diesen Liedern ging die Party vor und auch auf der Bühne erst richtig ab, der „Crimson Idol“-Teil war eben mehr etwas zum Staunen und Zuschauen. Ob man für zweieinhalb Stunden und zwei Bands 30€ verlangen kann, sei mal dahingestellt.

Randnotiz 1: Wer Plektren von Gitarreros auf der Bühne in die Hand gereicht bekommen will, sollte entweder unter 15 oder um die 20, weiblich und attraktiv sein!

Randnotiz 2: Heute wurde gemeldet, dass der Tourmanager sich einer Notoperation unterziehen musste. Ich war\’s nicht, ehrlich! Ich bin zwar immernoch sauer, wünsche aber gute Besserung.

Geschrieben am 19. Dezember 2007 von Metal1.info

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