Konzertbericht: WETO

2011-10-16 Backstage, München

„Ich will mir das Recht nehmen, unangenehm zu sein“, sagte WETO-Frontmann Thomas Lindner im Interview mit Metal1 vor wenigen Wochen. Dass diese Prämisse ihren Preis haben kann, wurde im Vorfeld der WETO-Tour 2011 deutlich. Drei Tourdates mussten wegen eines schlechten Vorverkaufs ersatzlos gestrichen werden – wie die Musiker unumwunden zugaben, ohne fadenscheinige Gründe vorzuschieben. Die Sterne standen vor dem Auftakt in München folglich alles andere als günstig. Doch es kam anders.

Überraschend voll war der kleine Backstage-Club im Zentrum der bayerischen Landeshauptstadt bereits einige Zeit vor dem Konzert. Als die fünf Wetorianer schließlich leicht verspätet zum Intro von „Koma“ die Bühne betraten, wirkten sie angenehm überrascht. Mit jenem Song fiel auch direkt der Startschuss für eine rund 90-minütige Show voller Enthusiasmus, Spielfreude und Charme. Irgendwo zwischen Deutschrock und Neuer Deutscher Härte bewegen sich die Schandmaulmänner zusammen mit Regicide-Keyboarder Heiner Jaspers auf ihren beiden Alben „Das 2te Ich“ und „Schattenspieler“. Die Musikrichtung ist dabei nicht eine bloße Modeerscheinung, sondern stilistisches Ausdrucksmittel der Songinhalte: Diese reichen von Depressionen und Burnout bis hin zu Vergewaltigung und zwanghaften Beziehungen in einer kranken Gesellschaft. Wie sehr besonders Sänger Thomas diese Tabus bewegen und treiben, offenbarte seine Gestik und Mimik während des Auftritts. Bei „Feuertanz“ kam er sogar kurzzeitig ins Stolpern und landete unfreiwillig auf seinem Hosenboden. Es blieb sein einziger Fehltritt an diesem Abend. Selbstironisch nahm der Sänger den Ausrutscher hin, um wenig später auf die deutsche Radiolandschaft zu sprechen zu kommen: Ein einziger Sender im gesamten Land fand sich, der die WETO-Single „In das Licht“ insgesamt 40 Mal in der Radioversion spielte. In der Albumversion fügte sich der Song wiederum nahtlos in die Setliste ein, die dieses Mal ganz ohne Coverversionen vom Megaherz-Klassiker „Miststück“ auskam. WETO spielten WETO – und WETO only. Das Selbstvertrauen in eigene Musik und die Hingabe waren trotz schwieriger Vorzeichen stets spürbar.

Im Laufe des Abends holten sich die Männer mehrfach Unterstützung auf die Bühne: So sang Thomas im Duett zusammen mit Loonataraxis-Sänger Till Herence die drei Songs „Schattenspieler“, „Ausgebrannt“ und „Krank“ am Stück. Zwar sprangen nicht alle Fans in den ersten Reihen auf die Interaktionsversuche von Till an, doch beide zusammen gaben ein äußerst harmonisches (Stimm-)Bild ab und sorgten für Abwechslung auf engem Raum. Im Zugabenblock unterstützte wiederum Heavy Ride-Gitarrist Josef die Kombo bei „Wolfsherz“, „Tief“ und „Wie zwei Raben“. Der Konzertabschluss stand allerdings ganz im Zeichen von WETO-Gitarrero Martin Duckstein, der seinem Instrument bei den beiden Balladen über mehrere Minuten die extravagantesten Töne entlockte und damit nicht nur seine Eltern in Staunen versetzte. Wie sagte Thomas zuvor verheißungsvoll: „Wir können hier nicht gehen, ohne unseren Martin von der Leine zu lassen.“
Durch die für Clubverhältnisse gute Akustik kamen seine Gitarrenklänge akustisch ebenso virtuos rüber wie sie gespielt wurden. Ähnliches gilt für den Gesang von Thomas Lindner, der besonders die hohen Töne u.a. bei „Phantasie“ und „Wieder allein“ allesamt millimetergenau traf. Allgemein schienen sich WETO mit ihrer Musik fernab von Dudelsack und Schalmei in der Clubatmosphäre pudelwohl zu fühlen. Gegen Ende offenbarte sich dies auch mehrfach in kurzen launigen Konversationen bei kleineren technischen Problemen. Und so erfuhren alle Anwesenden an diesem Abend, dass Bassist Mathias von seinen Bandkollegen liebevoll „Mausebär“ genannt wird.
Bei all den thematischen Schwergewichten und Tabus trugen diese Momente zur Auflockerung des Konzertabends bei. Am Ende soll Musik Spaß machen, besonders live – und WETO meisterten an diesem Abend den schwierigen Spagat zwischen Anspruch und Unterhaltung mit Bravour. Ohne Wenn und Aber.

Setliste:
01. Koma
02. Eiszeit
03. Feuertanz
04. Wieder allein
05. Orient und Okzident
06. Irrlicht
07. Ein Lächeln lang
08. In das Licht
09. Was bleibt
10. Das 2te Ich
11. Flucht
12. Schattenspieler
13. Krank
14. Ausgebrannt
15. Phantasie
16. In unsrer Mitte

17. Wolfsherz
18. Tief
19. Zwei Raben

Publiziert am von und Uschi Joas

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