Review Das Niveau – Volle Album

DAS NIVEAU ist zurück – im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinne. Auf das grandiose (Niveau-)„Lose Album“ folgt also das (Niveau-)„Volle Album“. Nachdem das „Lose Album“ von akustischer Unterhaltungsmusik geprägt war und lediglich ein paar ernste Momente besaß, ist das „Volle Album“ inhaltlich ausgeglichener. Insgesamt erreichen die Sprachakrobarden nicht mehr ganz den Level ihres Debüts, doch empfehlenswert ist der musikalische Output des Duos immer noch bedenkenlos.

Das Niveau ist immer noch Das Niveau. Das heißt an der Grundausrichtung der akustischen Gitarrenmusik mit klarem Fokus auf Text und Gesang hat sich nichts geändert. Allerdings lassen Martin Spieß und Sören Vogelsang vermehrt andere Instrumente wie Klavier, Mundharmonika und Schalmei einfließen. Direkt die ersten Tracks „Der Blues“ und „Barde zu sein“ profitieren davon. So hört man sich als Kenner des niveaulosen Erstlingswerks problemlos in die leicht aufgemotzte Fortsetzung ein, die mit kleinen Gags (Das Lied, das so klingt, wie ein Lied von Die Ärzte) und gezielten Spitze (Fxxxen) wieder einmal brilliert. Hinzu kommt der unbestreitbare Mitsingfaktor von Nummern wie „Ein Problem“ und „Niwowoniniwowa“. Ersteres schlägt in eine ähnliche Kerbe wie das Mario Barthsche Bühnenprogramm über die Missverständnisse zwischen Mann und Frau, doch wirkt ungleich weniger ausgelutscht.
Innovativer nähert sich Das Niveau anderen Themen wie z.B. Krieg in „Für den Frieden“. Oder hat sich jemals jemand musikalisch damit auseinandergesetzt, was mit all den Frauen passiert, deren Männer nicht mehr vom Schlachtfeld zurückkehren? Nein? Dafür gibt es nun das Duo Spieß/Vogelsang, welches darüber hinaus auch mit manch ungewöhnlicher Hommage aufwartet.
Während die akustische Verbeugung vor Sylvester (nicht dem Jahreswechsel, sondern dem Stallone) besonders einigen Männern aus der Seele sprechen wird (nebst Namedropping anderer Helden), gerät die Hingabe an die „Frischhaltefolie“ weniger prickelnd. Hier fehlt erstmals wirklich der Aufhänger im Ohr, ebenso wie bei „Die Eine“, welches entgegen erster Mutmaßungen nicht auf eine Frau, sondern ein Instrument anspielt. Die Firma lässt grüßen.
Mit „Am nächsten Galgen“ und „Und eines Tages“ schlägt Das Niveau weitere, eher ernste Töne an: Insgesamt profitiert davon der Abwechslungsreichtum, doch im Gegensatz zum „Lose Album“ wirken die fröhlich-frechen Partynummern dieses Mal insgesamt stimmiger, selbst wenn darin zum wiederholten Mal Geschlechtsverkehr oder erstmals die Konsistenz des Stuhlgangs in unterschiedlichen Lebenslagen (Scheiße gelaufen) besungen wird. Es macht einfach Laune – um es auf einen kurzen Nenner zu bringen.

„Werbung II“ ist hingegen eine nette Idee gegen totproduzierte, künstliche Plastik-Pop-Mukke, aber ebenso wie die gerade erwähnte Konservierungskomposition (Frischhaltefolie) keine Sternstunde des Niveaus. Bei mehrmaligem Hören fällt auch auf, dass sich besonders in den flotten Marktnummern mehrere Akkorde albenübergreifend genauso wiederholen wie manche Textpassagen (Eins, zwei, drei, viere).
Am Ende beweist das Sängerduo mit „Schluss“ nochmals seine Qualität. Textlich wird darin zusammen mit Doc Sleiwas im besten Wild West-Country-Stil mit gerappten Zwischenpassagen eine existierende Forendiskussion in einer illegalen Downloadcommunity aufgegriffen. Wer diesem nachdenklichen Stück bis zum Ende lauscht, der findet im anschließenden Bonusteil noch viele unterhaltsame, verstörende und lustige Outtakes rund um die Produktion von das „Volle Album“. Ein gelungener Abschluss mit genau dem richtigen Fokus auf Comedycarpaccio und weniger Tragödientartar.

Wertung: 8.5 / 10

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