Review Dritte Wahl – Gib Acht!

Freunde des anspruchsvollen Deutschpunks können aufatmen. DRITTE WAHL haben es doch tatsächliche geschafft nach 5 Jahren ohne neues Material (dafür mit umso mehr Neuaufgelegtem) ein Studioalbum aufzunehmen. Einleitende Worte zu einer der dienstältesten Deutschpunk Bands zu verlieren ist völlig überflüssig. Wer sich auch nur im Ansatz für das Genre interessiert, kennt die Band und wenn nicht von Platte dann durch ihre unzähligen (mittlerweile über 1000) und immer wieder begeisternden Liveauftritte. So kann er Blick also direkt auf „Gib Acht!“, das achte Studioalbum der Rostocker, gerichtet werden:
Schon die ersten Klänge von „Gib Acht!“ machen deutliche: DRITTE WAHL bleiben sich auch im 24. Jahr ihres Bestehens treu. Und so ist der namensgebende Eröffnungstrack eine ganz klassische DRITTE WAHL Nummer: Rauchige Stimme, eingängiger Refrain und ein Text, der zum Nachdenken anregt. Noch immer legen die Rostocker Wert darauf, deutlich mehr als den typischen 3-Akkord Punk Rock mit platten Parolen zu bieten. Genau das gelingt auf „Gib Acht!“ auch wieder einmal bestens auf fast durchgängig hohem Niveau. Zum Glück sind die Herren aber auch immer noch so flexibel, dass wir hier nicht 14 mal (mit den beiden Hidden Tracks sogar 16 mal) den gewohnt guten Gang aufgetischt kriegen. Auch nach 24 Jahren scheut sich niemand gelegentlich deutlich über den Tellerrand zu schauen. „Das sieht gut aus“ bspw. kommt mit Bläserunterstützung der Ska-Formationen „Director’s Cut“ und „Skatoons“ als sehr schwungvolle Nummer daher, die zwar voll auf meine ganz persönliche Ska-Aversion trifft, objektiv aber gut gemacht ist. Pianospiel (für altgedient DRITTE WAHL Anhänger keine Überraschung) findet sich recht zackig bei „Wo ist mein Preis?“ und melancholisch und nachdenklich bei „Ich bin‘s“. Gerade letztgenanntes Stück ist eine absolut tolle Ballade geworden. Schon in der Vergangenheit konnten mich die Rostocker auch mit ihren ruhigen Nummern (man denke nur an das grandiose „Nossi“ oder „Herbst“ vom Album „Strahlen“) begeistern und daran knüpfen sie mit „Ich bin’s“ nahtlos an. Doch DRITTE WAHL ziehen noch mehr Register: „Alles für den Wind“ wartet mit einem kräftigem Mittelalter-Einschlag auf, der durch die Unterstützung von Dr. MaBooses Dudelsack (Cultus Ferox) so auch aus der Feder von In Extremo hätte stammen können. Ein weiterer kleiner Zeitsprung findet sich mit „Danke“ im Programm: 80er Jahre Synthies untermalen diese auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftige, aber nach 2-3 Durchläufen unglaublich starke Nummer.

Leider schaffen es DRITTE WAHL nicht, das hohe Niveau konsequent zu halten. Mit „Mama, hol‘ den Hammer“ haben sich zwei unglaublich stupide Minuten auf „Gib Acht!“ geschlichen und auch „Singles“ ist alles andere als ein textlicher und musikalischer Hochgenuss. Fast kommt es einem so vor, als ob DRITTE WAHL unbedingt noch zeigen wollten, dass sie alle Facetten (und eben auch die primitiv stupiden) des Deutschpunk bedienen können. Zwei Ausfälle bei 14 regulären Stücken ist allerdings immer noch ein sehr guter Schnitt, denn alle bisher nicht erwähnten Stücke halten genau das, was man typischer Weise von den drei Rostockern erwartet. Bleibt also nur die Hoffnung das neue Programm wieder mal live erleben zu können, denn auch die Liveumsetzung der Musik (zuletzt kam ich bei der 20jährigen Jubiläumstour in den Genuss) ist absolut empfehlenswert.

Auch wer wie ich nur sehr selten und wenn, dann aus Nostalgie, Deutschpunk hört, sollte „Gib Acht!“ eine Chance geben. Für alle Fans der Rostocker oder des Genres ist „Gib Acht!“ ohnehin ein Pflichtkauf, der völlig risikolos getätigt werden kann. DRITTE WAHL waren schon immer Garanten für anspruchsvollen und rockigen Deutschpunk mit hörenswerten, sarkastischen, brandaktuellen und packenden Texten und sind es auch 2011 noch immer! Die Aufforderung des Albums, muss ich deshalb auch ein wenig nach oben korrigieren:

Wertung: 8.5 / 10

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