Review Flying Colors – Flying Colors

  • Label: Mascot
  • Veröffentlicht: 2012
  • Spielart: Rock

Eine Tüte Buntes

Oft ist es bei Süßigkeiten ja so, dass jeder seine Favoriten hat. Der eine mag eben eher die roten Gummibärchen, der nächste bevorzugt die grünen. Welche nun wirklich die besten sind, darüber lässt sich kräftig streiten. Fest steht: Gekauft wird die Packung von allen, denn auch wenn man manche der Weichgummis nicht so gerne mag, will man doch nicht auf die eigene Lieblingssorte verzichten. So ist es auch beim selbsttitelten Debütalbum der FLYING COLORS, einer neuen Supergroup bestehend aus Drummer Mike Portnoy (ex-Dream Theater), Keyboarder Neal Morse (ex-Spock’s Beard, Transatlantic), seinem Namensvetter Steve Morse (ex-Kansas, Deep Purple), Bassist Dave LaRue (Dixie Dregs, Planet X) und Sänger Casey McPherson (Alpha Rev). Jeder wird sich hier seine eigenen Rosinen rauspicken, seine eigenen Lieblingssongs finden.

Aber nach was schmeckt es, wenn man einen Alternative Rock-Sänger, einen (Progressive-)Metal-Drummer und einen Symphonic Prog-Keyboarder in einen Raum einsperrt und anschließend zwei Saitenzupfer aus dem Fusion- und Hardrock-Umfeld dazuholt? Betrachtet man den musikalischen Background der Instrumentalfraktion, so ist die Angst, dass es sich bei dieser Platte um einen Instrumental-Showoff ohne Seele handeln könnte, durchaus berechtigt. Mit Casey McPherson hat die Combo aber einen wunderbaren Gegenpol ins Boot geholt, der mit seiner zwar radiotauglichen und gewöhnlichen, aber doch technisch blitzsauberen Stimme alles zusammenhält und allzu ausufernde Instrumentalparts schon im Keim erstickt. Dennoch wird schon beim siebenminütigen Opener „Blue Ocean“ klar, dass diese Musiker einiges drauf haben.

Letztendlich ist das Album nichts anderes als die Summe seiner Teile. Die musikalische Identität aller Beteiligten lässt sich sofort wiederfinden: So ist es keine Frage, dass sich vor allem Prog-Tausendsassa Neal Morse für den epischen Longtrack „Infinite Fire“ verantwortlich zeichnet. Einen radiotaugliche Alternative Rock-Song wie „The Storm“ würde ich hingegen auf Sänger Casey McPherson zurückführen, während der Funkrock von „Forever In A Daze“ wohl eher aus der Feder von Bassist Dave LaRue und Gitarrist Steve Morse stammt. Was gibt es sonst noch? Treibenden, extrovertierten Rock à la Muse in „Shoulda Coulda Woulda“ und „All Falls Down“; kitschige Schmachtballaden wie „Better Than Walking Away“ und natürlich mehr als eine Nummer, die extrem retro klingt und an die Beatles erinnert. „Fool In My Heart“ wird weder von Leadsänger Casey, noch von Backgroundvocalist Neal Morse intoniert – hier tritt Mike Portnoy höchstpersönlich hinters Mikro. Kurz gesagt: Das hätte nicht sein müssen. Wann lernt der endlich, dass seine Stimme für Leadgesang einfach nicht ausdrucksstark genug ist?

Diese bunte Tüte voller süßlicher, aber gut gemachter Musik wurde von niemand geringerem als Peter Collins zusammengeschweißt und veredelt. Eine Produzentenlegende, die schon mit so bekannten Acts wie Bon Jovi, Nik Kershaw, Rush, Queensryche u.v.m. gearbeitet hat. Er mag im Studio ein wertvoller Direktor gewesen sein, der mit viel Liebe zum Detail die ganzen umherfliegenden Klangfarben geordnet hat. Der Sound der nicht ganz 60-minütigen CD ist dafür allerdings nicht Guinessbuch verdächtig – insgesamt klingt das Album zwar ordentlich, aber mehr als einmal habe ich ganz klar übersteuerte Instrumente vernommen – Stichwort: Loudness War.

Fazit: Das Debüt von FLYING COLORS ist ein schönes, songorientiertes und vielseitiges Rockalbum geworden, das für fast jeden Geschmack etwas zu bieten hat. Aus dem gleichen Gründe ist es aber auch ein Werk, das auf Albumlänge etwas an Boden verliert. Vor allem in der zweiten Hälfte hat sich die eine oder andere Nummer eingeschlichen, die mir nicht so gut mundet. Aber wie schon gesagt: Alles ist Geschmackssache! Mit so einer schicken Verpackung und solch bekannten Inhaltsstoffen sollten sich jedenfalls mehr als genug Käufer überzeugen lassen.

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