Iskandr - Spiritus Sylvestris Cover

Review Iskandr – Spiritus Sylvestris

Mit ihrem 2021 erschienenen dritten Album „Vergezicht“ gelang es ISKANDR endlich, das in ihnen geschlummerte Potenzial vollends zu entfesseln. War „Euprosopon“ (2018) noch an seinem allzu monotonen Songwriting gescheitert, so strotzte der Black Metal des Duos auf der Nachfolgeplatte nur so vor triumphalen, mittelalterlich anmutenden Melodien. Anstatt jedoch diesen Siegeszug mit den Scheuklappen der Selbstgefälligkeit fortzuführen, legen ISKANDR ihre mühevoll errungenen Lorbeeren beiseite, um sich auf „Spiritus Sylvestris“ neuen kreativen Herausforderungen zu stellen.

Ob ISKANDR ihren neuen Stil mit dem selbstgewählten Begriff „Doom Folk“ wirklich auf den Punkt bringen, ist zwar diskutabel – mit Black Metal hat die Musik des Duos inzwischen allerdings tatsächlich nichts mehr zu tun. Gutturaler Gesang, brodelndes Tremolo-Gitarrenriffing, sturmgleich polternde Drums – was die Songs des Vorgängeralbums wie etwa das mächtige „Baken“ (wenn auch nicht ausschließlich) prägte, ist hier gänzlich verschwunden.

Stattdessen setzt Projektkopf O. Iskandr nunmehr ausschließlich erhabenen, leicht hypnotischen Klargesang ein und sein Gitarrenspiel ist um einiges gemäßigter, aber keineswegs weniger bedeutungsschwanger als auf früheren Veröffentlichungen („Knagend Zout“). Derweil verpasst M. Kopps den Songs mit seinen schnörkellosen Perkussionen einen militanten Drive, der den flotteren Tracks einen gewissen Post-Punk-Vibe verleiht („Waterwolf“, „Nachtvorst“). Die meiste Zeit über bewegen ISKANDR sich jedoch in einem getragenen Tempo, was den kontemplativen Grundton der Stücke unterstreicht.

Mehr noch als durch seinen passagenweise geradezu meditativen Charakter („Interlude“) zeichnet „Spiritus Sylvestris“ sich durch seine trübe Stimmung aus. Mit sphärischen Synthesizern, einem an King Crimsons „In The Hall Of The Crimson King“ (1969) erinnernden Mellotron und einer einlullenden Hammondorgel, die in „Nachtvorst“ ausnahmsweise mehr Schwung in die Musik bringt, verleihen ISKANDR dem Album eine schummrige Atmosphäre, wie sie auch dem neugierig machenden Coverbild entströmt. Diese schlägt sich auch in der Produktion nieder, die den Klang der Platte mit einem grauen Schleier verhängt, der die Konturen der Töne auf absolut stimmige Weise verschwimmen lässt.

Mit dem signifikanten Kurswechsel, den ISKANDR auf „Spiritus Sylvestris“ vollführen, hinterlassen die ehemaligen Black-Metaller gewiss einen sonderbaren ersten Eindruck. Schließlich war es ausgerechnet der Kontrast aus imposantem, heidnisch anklingendem Metal und aus der Zeit gefallenem Folk, der die verheißungsvollen, ausladenden Stücke auf „Vergezicht“ so eindrucksvoll gemacht hat. Tatsächlich ist jedoch gerade das blass-monotone Klangbild des Nachfolgealbums der Grund, aus dem man sich von „Spiritus Sylvestris“ sogar noch mehr in seinen Bann gezogen fühlt. Dank des keineswegs zu eintönigen, flüssigen Songwritings wird man des neuen Sounds der Band zudem nie überdrüssig, sodass man vor ISKANDR ein weiteres Mal ehrfürchtig den Hut ziehen kann.

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Wertung: 8.5 / 10

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