Review Radare – Der Endless Dream

In der Regel definiert sich ein Konzeptalbum dadurch, dass allen Texten ein gemeinsames Konzept zugrunde liegt. Rein instrumental agierende Bands stellt das in gewisser Weise vor ein Problem – und doch sind die Post-Rock-Doom-Jazzer RADARE bei weitem nicht die einzigen Vertreter ihrer sängerlosen Zunft, die auf Konzeptalben schwören.

So ist auch „Der Endless Dream“ ein Konzeptalbum geworden – über die Jugend, Träume und Verwirrung. Zumindest letztere fängt das Cover durchaus gelungen ein, ansonsten bleibt das Konzept vornehmlich in den Köpfen seiner Erschaffer präsent: Zumindest lassen Songtitel wie „Loup De Mer“ oder „Second Son“ nicht direkt erschließen, worauf RADARE abzielen.

Macht aber nichts, entscheidend – mehr noch als bei besungenen Scheiben – ist bei einer Instrumentalband schließlich die Musik. Und hier können RADARE auf ihrem vierten Album rundweg punkten: Schon besagte Ode an den Wolfsbarsch, die den Reigen aus sieben Songs eröffnet, begeistert auf ganzer Linie. Als entspannte Indie-Rock-Nummer, wie sie stellenweise auch die britischen Blueneck geschrieben haben könnten, die später mit Saxophon und Besen unüberhörbar in Richtung Bohren und der Club Of Gore zeigt.

Diese Bandbreite behalten RADARE bei: Schöne Melodien treffen auf groovige Rhythmen, lässigen Gitarren wird dank eines sehr offen gestalteten Klangbilds viel Raum zur Entfaltung gegeben. Damit kreieren RADARE mal eine meditative Atmosphäre, wie sie so manch „rituelle“ Schamanenkapelle aus der Post-Black-Metal-Nische gerne erzeugen würde („Stalked“). An anderer Stelle könnte der Sound auch als düster-bedrohlicher Horrorfilm-Soundtrack funktionieren („Who Put The Fear In You“). Oder RADARE spielen „einfach nur“ schleppenden Doom-Jazz mit sphärischen Melodien auf höchstem Niveau („Second Son“).

So zieht „Der Endless Dream“ tatsächlich wie ein Traum vor dem inneren Auge vorbei: Völlig vom Zeitgefühl entkoppelt vergehen Minuten, rasend schnell und zugleich schweben satte Rhodes-Sounds und melancholische Klarinettenklänge vorbei, wechseln RADARE von Midtempo auf Doom (und zurück) und ziehen den Hörer wie ein sich völlig ruhig, deswegen nicht minder kraftvoller und beharrlich drehender Strudel immer weiter in ihren Sound hinein. Wenngleich nicht gänzlich anders, fällt „Der Endless Dream“ damit doch merklich lauter, schriller und auf seine Art düsterer aus als sein Vorgänger, „Im Argen“.

Nicht zuletzt durch dieses Plus an verschiedenen Stimmungen legen RADARE mit ihrem nunmehr vierten Album nochmal eine Schippe drauf – und nichts weniger als ein Meisterwerk vor. Mal zart, mal laut, im einen wie im anderen jedoch kraftvoll und packend, ist „Der Endless Dream“ ein Album mit unglaublicher Ausdruckskraft. Auch ganz ohne (für den unbedarften Hörer) erkennbares Konzept.

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Wertung: 9.5 / 10

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