„If you’re going to be a fucking rock star, go be one. People don’t want to see the guy next door on stage; they want to see a being from another planet. You want to see somebody you’d never meet in ordinary life.“
Am 6.10.2020 verlor die Hard-Rock- und Metal-Welt, ja die gesamte Musikwelt, einen ihrer größten Helden. Mit dem Tod von Eddie Van Halen schied der Mann aus dem Leben, der quasi im Alleingang dafür verantwortlich war, dass technisch versierte Gitarristen einst nicht als frickelnde Kellernerds ohne Freundin belächelt, sondern als die Coolsten der Coolen verehrt wurden. Er ist der Grund, warum ausgedehnte Gitarrensoli zum stilbildenden Merkmal der Rockmusik wurden. Eddie Van Halen war nicht nur visionärer Musiker und Innovator der E-Gitarre. Er war der Prototyp des Gitarrenhelden, der den Begriff überhaupt erst möglich machte.
Natürlich könnte man an dieser Stelle ausführlich über das Schaffen von VAN HALEN sprechen – es wäre vermutlich sogar üblich. Es ist aber – zum Glück – nicht seine Musik, welche die Welt Anfang Oktober verloren hat. „1984“ ist nicht bis auf die letzte Kopie vergriffen und auch „Jump“ oder „Hot For Teacher“ können weiterhin jederzeit über die Streamingdienste dieser Welt abgerufen werden. Wer sich seiner Musik erinnern möchte, der kann – und sollte – jetzt eine seiner Platten auflegen. Hier soll es um den Gitarristen Eddie Van Halen gehen und darum, dass er nicht durch sein Songwriting, sondern in erster Linie durch sein Spiel die verzerrte Gitarre so nachhaltig prägte wie kein anderer seit Jimi Hendrix.
Er war sich seines Talents durchaus bewusst: Mit „Eruption“ ist bereits der zweite Song des Debütalbums von VAN HALEN ein knapp zweiminütiges Gitarrensolo, in dem der Bandkopf Spieltechniken zur Schau stellt, die bis dahin unvorstellbar waren und die fortan zum Grundwissen jedes aufstrebenden Gitarristen gehören sollten. Neben exzessivem Tremolo-Gebrauch ist es vor allem die heute als „Tapping“ bekannte Zweihand-Technik, die auf ewig mit dem Namen Eddie Van Halen verbunden sein wird. Jahrzehnte später wird der ebenfalls als Ikone gefeierte Zakk Wylde ebenjenes „Eruption“ als seinen musikalischen Weckruf bezeichnen und bis heute gibt es vermutlich keinen Nachwuchs-Gitarristen, der nicht auch mit dem Mainriff von „Ain’t Talkin‘ Bout Love“ erste musikalische Gehversuche unternimmt.
Überhaupt war bereits der junge Van Halen die Larger-than-Life-Persönlichkeit, die einen Rockstar ausmacht und verband sein enormes Talent mit dem entsprechend breitbeinigen Auftreten, das es für einen echten Gitarrenhelden eben braucht. Wo der nicht minder talentierte Randy Rhoads immer ein wenig verschüchtert wirkte, quittierte Eddie Van Halen selbst die irrwitzigsten Griffbrett-Stunts noch auf der Bühne mit einem geradezu entwaffnend charmantem Lächeln, was das Ganze unverschämterweise auch noch wie ein Kinderspiel aussehen ließ. Das mag aus heutiger Sicht arrogant wirken und war es bestimmt auch, aber Edward Van Halen hatte sowohl das Talent als auch die Chuzpe, diesen Charakter glaubhaft rüberzubringen.
Sein Einfluss auf die Rockmusik und das zugehörige Gitarrenspiel geht – als wäre das noch nicht genug – noch weit über sein eigentliches Spiel hinaus: Seine rot-weiß gestreifte Signature-Gitarre darf in keinem gut sortierten Musikalienladen fehlen und dann ist da ja noch der 5150: Der nach dem 1986 veröffentlichten, siebten VAN-HALEN-Album (das wiederum auf den Polizeicode für verwirrte Personen getauft wurde) benannte Verstärker der Marke Peavey wurde Anfang der 1990er-Jahre nach den Vorgaben des Gitarristen entwickelt. Und die Verbreitung von Eddies Brüllwürfel spricht Bände: Der von ihm entwickelte Sound prägt noch heute jedes Genre von Hard Rock bis Death Metal, wobei Bands wie Trivium oder Suffocation sich offen dazu bekennen, dass Van Halens legendärer Amp bei ihnen regelmäßig im Studio zum Einsatz kommt.
Leider fordert ein Leben als Rockstar-Komplettpaket auch seinen Tribut, sowohl körperlich wie auch zwischenmenschlich. Letzteres macht sich vor allem am Sängerposten von VAN HALEN bemerkbar. Neben einem Rockstar-Ego wie Eddie Van Halen gibt es nur wenig Platz und so kam es 1985 zum Split mit dem nicht minder extrovertierten David Lee Roth. Auch sein Nachfolger Sammy Hagar blieb nur zehn Jahre und die darauffolgende Zusammenarbeit mit Gary Cherone hielt gerade mal ein Album lang („Van Halen III“). Zwar kehrte Roth 2007 zurück, allerdings stand dem Saitenhexer da schon seine Gesundheit im Weg: Durch seinen über Jahrzehnte ungebremsten Hedonismus war Eddie Van Halen in die Alkoholsucht abgerutscht und kämpfte wahrscheinlich aufgrund jahrelangen Rauchens mit Zungen- und Kehlkopfkrebs (wenngleich er selbst das Kupfer seiner Gitarrenpicks dafür verantwortlich machte).
Sound, Spiel, Auftreten: Eddie Van Halen revolutionierte die Rockmusik nicht nur, er legte den Grundstein für das, was heutzutage als „Rockstar“ gilt. Die Glam-Metaller Skid Row sangen 1989 in ihrem Hit „18 And Life“: „He kept his motor running but he never kept it clean,“ und der 2001er Hollywood-Streifen „Rockstar“ liefert die folgende Jobbeschreibung: „Es ist dein Job, die Träume anderer Leute zu leben.“ Beide Zeilen könnten auch über das Leben des aus den Niederlanden stammenden Gitarristen geschrieben worden sein. Er lebte nicht nur die Träume anderer, sondern hat sie miterfunden und hob das Image des Leadgitarristen auf ein neues Level. Eddie Van Halen war der Proto-Gitarrenheld – wäre da nicht seine Musik, würde ihn schon das allein zur Legende machen.
Ruhe in Frieden, Eddie.