Konzertbericht: Frau Potz w/Peter Coretto

2012-10-14 München, Sunny Red

Die Pubertät war zu einem gewissen Grad schon eine schöne Zeit: Jedes Wochenende ging man auf Punk-Konzerte, wobei einem die Qualität des Dargebotenen vollkommen egal war, Hauptsache Pogo und Spaß. Über die Jahre entwickelt sich natürlich auch so ein Musikgeschmack kontinuierlich weiter, so dass die Punk-Konzerte immer seltener wurden und (neben nostalgischen Ausflügen) hauptsächlich die sogenannten „intelligenten“ Punkbands im Fokus standen. Auch wenn die Auflösung von Bands wie Tagtraum oder Muff Potter große Lücken in dieses Genre geschlagen hat, gibt es in den letzten Jahren scheinbar eine Tendenz, wieder vermehrt einfach geradeaus loszurotzen, ohne dabei sein Hirn auszuschalten. Ein Beweis dafür: Das aktuelle Album „Lehnt dankend ab“ von FRAU POTZ. Unterstützt von den Münchnern Peter Coretto machen diese Mitte Oktober auf ihrer „Weißt du doch nicht“-Tour auch im Sunny Red Halt.

Wenn es um die Kombination Sunny Red und PETER CORETTO geht, sei hier eine kleine persönliche Anmerkung des Verfassers gestattet: Vor ziemlich genau 9,5 Jahren habe ich als 15-jähriger Steppke mit meiner damaligen Punk-Band „rent-A-punk“ in eben dieser Location gemeinsam mit Punker Lewis und eben PETER CORETTO mein erstes Konzert gespielt. Selbstverständlich habe ich an diesem Abend auch die erste EP der heutigen Support-Band erworben, ebenso wie alle späteren Veröffentlichungen den Weg in meine Plattensammlung gefunden haben. Die letzten fünf Jahre wurde es allerdings sehr still um die Band, die erst Anfang dieses Jahres wieder damit begonnen hat, neue Musik zu schreiben und aufzutreten, wie Sänger Marco Engelhard zu Beginn des Abends verkündet.

Der kratzige Indie-Pop, der durch Punk-Anleihen und Marcos kratzigen Sprechgesang eine ganz spezielle Note annahm und die früheren Songs der Band auszeichnete, ist heute weitestgehend gewichen. Ganz im Stil von Bands wie Turbostaat, Oma Hans oder Dackelblut werden hier energetische, wütende Post-Punk-Songs dargeboten, die sich textlich durchweg politisch motiviert zeigen. In der guten halben Stunde, welche PETER CORETTO heute Abend Zeit haben, findet nur ein alter Song den Eingang ins Set – vielleicht ist das der Grund, dass hier und da noch einige Unsauberkeiten zu hören sind. Diese werden durch das unglaublich dynamische Schlagzeug-Spiel von Alexander Ross sowie durch die Leidenschaft, die zu jeder Sekunde spürbar ist allerdings wettgemacht. Das wird spätestens dann deutlich, als Marco bei einem neuen Song schließlich ohne Mikrophon den Text mit gesenktem Blick in den Raum schreit.
Mit einer besseren Abmischung und ein wenig besser aufeinander abgestimmt bleiben die Jungs von PETER CORETTO auch nach langer Pause mit ihrer im Herbst erscheinenden EP „Gier“ ein neuer/wiederentdeckter Geheimtipp. Willkommen zurück!

Das heute anwesende Publikum, welches sich schließlich immer zahlreicher im kleinen Sunny Red einfindet, ist allerdings hauptsächlich hier, um FRAU POTZ, die Band um den ehemaligen Escapado-Shouter Felix, zu sehen. Nach einer kurzen Umbaupause erlischt das Licht und aus den Boxen ertönt der wummernde Beat des Casper-Songs „Wilson Gonzalez“ – ein erster Hinweis darauf, dass die Band sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Schließlich betritt Felix alleine die Bühne, schnappt sich seine Gitarre und beginnt, die ersten Töne des Brechers „Brockenheim“ anzuschlagen. Als schließlich auch seine beiden Mitstreiter Hauke und Jens ihre Plätze eingenommen haben, fängt Felix unterstützt vom Publikum an, seine angepissten Texte ins Publikum zu keifen. Im Vergleich zu Peter Coretto ist die Abmischung nun knackig und druckvoll, was schnell für Bewegung im Publikum sorgt. Einige selbstdarstellerische, in ganz München bekannte Idioten im Publikum fassen diese Bewegung allerdings als unnötige Aggression auf und schlagen wild um sich – dass sich gerade diese beiden während des Konzerts immer wieder hinsetzen ist bezeichnend – zum Glück macht der Rest des Sunny Reds den beiden recht schnell klar, dass man auch Spaß haben kann, ohne wild um sich zu schlagen.

Neben den unwiderstehlich mitreißenden Songs machen FRAU POTZ an diesem Abend vor allem eines klar: Livekonzerte machen unglaublich Spaß. Mit sympathischen Ansagen hat die Band aus Husum (und nicht aus Kiel, wie es der Flyer ankündigte) das Publikum sofort auf ihrer Seite. Dabei geben sich Felix und Hauke gegenseitig die Klinke in die Hand: Während Hauke dem Publikum für das Erraten der hochdeutschen Entsprechung des Wortes „Klockenschooster“ ein T-Shirt anbietet, wertet Felix den Preis nach dem Lied zu einer getragenen Unterhose ab. Generell werden die Songs immer wieder durch lustige Pausen unterbrochen, so dass über die gesamte Konzertlänge keine Langeweile eintritt, auch wenn die Songs sich in ihrem Aufbau oft gleichen. Wie im packenden „Von Anfang an“ deutlich wird, ist das gesamte Publikum auch textsicher und nimmt Felix oft die Arbeit ab. Als diesem eine Gitarren-Saite reißt, ist der Gitarrist von Peter Coretto sofort mit seiner eigenen Gitarre am Start, um der Band auszuhelfen. Felix ist absolut begeistert von seiner „neuen“ Gitarre, erkundigt sich immer wieder nach dem Preis und bedankt sich schließlich mit einem Schmatz auf die Stirn bei dem edlen „Spender.“

Neben dem gesamten Album spielt die Band auch unveröffentlichte Songs sowie die neue Nummer „Lalü“ von ihrer Split mit Love A. Dass gegen Ende des Sets das aggressive „Ich will dich“ als Ballade angekündigt wird, ist beinahe Ehrensache. Ob es wirklich notwendig ist, dass die Band die Bühne verlässt und zu einer Zugabe zurückkommt, sei dahin gestellt – vor allem, da der „Hit“ „Ach, Heiner“ noch nicht gespielt wurde. Nachdem auch diese „Pflicht“ erledigt ist, verabschiedet sich die Band mit Hände schütteln vom Publikum und trinkt abschließend mit den übrig gebliebenen Fans noch einige Biere.

FAZIT: Punk Rock ist definitiv nicht tot – Bands wie Adolar, Captain Planet, Matula und eben FRAU POTZ zeigen, dass aus diesem Genre mit genügend Leidenschaft immer noch sehr viel herauszuholen ist. Besonders live wissen die ohnehin schon überzeugenden Songs ihres Debüt-Albums noch mehr zu begeistern.

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