Review Transatlantic – Whirld Tour 2010 (DVD)

Drei Stunden Spielzeit, sechs Songs und ein 80-minütiger Konzertopener: Progrock-Bands mögen es eben gerne episch. TRANSATLANTIC ganz besonders. Im April und Mai dieses Jahres präsentierten Mike Portnoy (Avenged Sevenfold, ex-Dream Theater), Neal Morse (ex-Spock’s Beard), Roine Stolt (Flower Kings) und Pete Trewavas (Marillion) ihr Ende 2009 veröffentlichtes Reunion-Album „The Whirlwind“ auf zahlreichen Bühnen in Europa und Amerika. Damit meldeten sie sich nach neun Jahren auch auf den Brettern, die bekanntlich die Welt bedeuten, zurück. Der Ansturm auf die Konzerte war groß, die Gigs selbst noch großartiger. Die Tour war ein voller Erfolg. Das dokumentiert auch die beinahe sechsstündige DVD „Whirld Tour 2010“, die Fans viele kalte Herbst- und Wintertage versüßen dürfte.

Aufgezeichnet wurde die abendfüllende Doppel-DVD im Londoner Shepherd’s Bush Empire am 21. Mai 2010. Als wäre ein dreistündiges Konzert nicht genug, gibt es oben drauf noch reichlich Bonusmaterial: Eine mehr als 120-minütige und unterhaltsame Tourdokumentation, ein ausführliches Interview und einen Mitschnitt des Genesis-Covers „Return Of The Giant Hogweed“, das die Jungs gemeinsam mit dem Ex-Genesis-Gitarristen Steve Hackett auf dem High Voltage Festival zum Besten gaben.

Gottseidank schließen sich bei TRANSATLANTIC Masse und Klasse aber nicht aus: Nicht nur, dass die Live-Performance des komplexen Materials über jeden Zweifel erhaben ist. Die pure Spielfreude der fünf Herren – als Verstärkung ist auch noch Daniel Gildenlöw von Pain Of Salvation dabei – überträgt sich direkt auf den Zuschauer, in der Halle genauso wie im eigenen Wohnzimmer. In jeder Sekunde spürt man ihre Liebe und Hingabe zur Musik. Zahlreiche eingeschobene Gimmicks, wie Versatzstücke aus bekannten Rock-Nummern, Instrumentenwechsel u.v.m. zeugen von Spontanität und Gelassenheit, heben die Songs von den Studioversionen ab und sorgen für jede Menge Spaß.

Schön ist, dass man Wert auf Authentizität legt: Im Großen und Ganzen hören wir wirklich das Konzert und nicht etwa Studio-Overdubs mit Livebild dazu. Davon zeugen hier und da nicht ganz korrekte Töne, die nicht weiter den Genuss stören, sondern die Aufnahme eher noch charmanter machen. Positiv fällt – neben dem derbe abrockenden und definitiv unterhaltsamen Daniel Gildenlöw – vor allem die Gesangsleistung von Neal Morse auf. Hatte Neal live früher öfters Probleme mit seiner Stimme, liefert er hier eine blitzsaubere Perrformance ab. Besucher der Tour werden bestätigen können, dass das schon live so war und nicht etwa im Studio nachgebessert wurde. Er singt unangestrengt und befreit. Besonders in ruhigen Passagen wie der wundervoll dargebotenen Ballade „Bridge Across Forever“ kommt das der Musik zu Gute. Den Gesang bei der anderen wichtigen TRANSATLANTIC-Ballade, „We All Need Some Light“, übernimmt dieses Mal Roine Stolt, klar der introvertierteste der fünf Musiker. Mike Portnoy hingegen lässt wie gewohnt die Rampensau raushängen, steht in ständigem Blickkontakt mit dem Publikum, das ihm zu Füßen liegt und ihn beim Stagediving auf den Armen trägt. Bassist Pete Trewavas steht kaum eine Sekunde ruhig auf beiden Beinen, kommt aber leider im Sound nicht ganz so gut zur Geltung wie noch in der Halle oder auf den Alben.

Ansonsten gibt es am Sound, für den sich Roine Stolt verantwortlich zeichnet und der auch im 5.1.-Mix vorliegt, nichts zu meckern. Das gilt auch für das Bild sowie den recht dynamischen Schnitt. Da zudem die Lightshow und das Ambiente der Halle – verzierte Balkone, drei Ränge, intime Atmosphäre – wirklich toll sind, ist dieser Live-Mitschnitt eine sehr runde Sache und klar der ersten TRANSATLANTIC-DVD „Live In Europe“ vorzuziehen. Das Publikum ist ebenfalls gut drauf. Man merkt, dass die Leute auf die Rückkehr von TRANSATLANTIC gewartet haben. Zu kritisieren sind höchstens das sehr altbackene, statische Menü und die Tatsache, dass das Konzert recht unvermittelt beginnt – das Introtape läuft bereits und nach zwei Sekunden steht Neal Morse schon an seinen Keyboards. Hier wäre etwas mehr Vorlauf und ein kurzer Vorspann mit dem Bandlogo stimmungsvoller gewesen. Auch nach dem Konzert oder zur Pause wird sehr flott ausgeblendet.

Davon abgesehen ist „Whirld Tour 2010“ ein hervorragendes Live-Dokument, das die Magie, Energie und emotionale Durchschlagskraft eines TRANSATLANTIC-Konzerts wunderbar in die eigenen vier Wände bringt. Natürlich erscheint die Show auch als 3CD-Set sowie als Deluxe-Edition mit beiden DVDs, allen Audio-CDs und ausführlichem Booklet. Es erübrigt sich die Frage, zu welcher Version der Fan hier greifen sollte. Brillant!

Wertung: 9.5 / 10

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