Interview mit Billy Bayou von Glorior Belli

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Mit „The Apostates“ veröffentlichte Billy Bayou bereits sein siebtes GLORIOR-BELLI-Album. Mit viel Humor, aber auch klaren Standpunkten beantwortet der Franzose unsere Fragen zur Arbeitsweise in einem Soloprojekt, dem Konzept des Albums und Songs, die aus dem Rahmen fallen.

Seit der Veröffentlichung eures letzten Albums sind erst zwei Jahre vergangen. Wie kannst du so schnell arbeiten, was ist das Geheimnis deiner Produktivität?
Es kann alles mit einer Idee, einer Vision, einem Wort, einem Ton, einem Geruch, einem Gefühl beginnen…. Gerade heute Morgen hatte ich eine Vision für ein Videoclip-Szenario. Da ist diese Kraft in mir, die mich dazu treibt, immer zu erschaffen, egal unter welchen Umständen, und ich kann sie nicht ausschalten. Das war schon immer so. Die Hauptsache ist nicht, sich inspiriert zu fühlen – jeder kann inspiriert werden. Die Hauptsache für mich ist, es dann auch umzusetzen, ihm Leben zu geben. Lauf die Extrameter, realisiere deine Gedanken in etwas Physischem.

Du hast die meisten Instrumente selbst eingespielt. Warum?
Ich verrate dir mal ein Geheimnis: Das ist einer der Vorteile, wenn du alleine arbeitest, dass du tun kannst, was du willst – niemand wird dich aufhalten. Ich spiele sowieso alles besser als meine Musiker. Man könnte denken, sie wären nur für die Mädels und das Geld da.

Schreibst du die Musik auch alleine, oder haben deine Livemusiker auch Einluss auf die Songs?
Sie haben Einfluss auf mein Bauchweh, indem sie sich auf Tour dumm verhalten und so dafür sorgen, dass ich mich wie ein Papa fühle. Nein, Spaß. Ich bin derjenige, der durchdreht, und dafür hassen sie mich. Eigentlich hassen wir uns gegenseitig alle wirklich – es ist fast unmöglich, mehr als ein paar Stunden zusammen zu sein. Fuck, ich weiß gar nicht mehr, warum ich diese Band gegründet habe. Ah, doch: Die Frauen und das Geld. Lasst uns weitermachen.

Was magst du daran, alleine zu arbeiten? Fehlt dir im kreativen Prozess nicht manchmal das Feedback anderer Leute?
Was meinst du? Das Gejammer? Dies ist zu lang, das ist nicht gut genug, dieser Song ist zu fröhlich, jener zu langsam, dieses Riff ist zu kompliziert … ich meine: Wenn ich die Meinung der Leute hören will, gehe ich in ein Metal-Forum. Gibt es das eigentlich noch? Ich habe bei jedem Schritt die falsche Richtung genommen, habe jeden in der Szene beleidigt. Lasst mich in Ruhe, ich lasse euch dafür auch in Ruhe. Alle sind so sensibel. Du denkst, du hast es mit starken Individuen zu tun, aber das stimmt nicht. Es ist nur eine Horde verherrlichter Buchhalter und jammernder Muschis, die irgendwie mit ihren kleinen Drecksackfreunden ihren Weg nach oben gefunden haben und die alle zusammen dieses liebreizende Musik-Business bilden.
Eine Band zu betreiben macht verdammt viel Mühe, glaub mir. Es bedeutet zu viel Mist und Zeitverschwendung, die Meinungen, Pläne und dergleichen von allen abzuwägen. GLORIOR BELLI ist so viel effizienter. Es ist keine Demokratie. Dahingehend bin ich ein echtes Arschloch, aber die Leute akzeptieren es, weil sie wissen, dass ich damit richtig liege: Es dient den Interessen der Band.

Das Artwork des Albums erinnert an Gemälde, wie man sie aus alten Kirchen oder Bibeln kennt. Was war die Idee hinter dem Bild?
Das Kunstwerk stellt im Kern uns Wichser dar, Arthur, Marco und mich. Die drei abtrünnigen Engel, die verzweifelt versuchen, sich wieder auf den „richtigen“ Weg zu zwingen, aber offensichtlich scheitern. Ansonsten geht es nur noch um Mittelfinger und Hänseleien und ein wenig darum, die Eier zu zeigen. Franzosen sind unhöflich!

Du hast das Bild selbst gestaltet. Wie bist du dabei vorgegangen?
Als Grundlage für das Design habe ich ein Foto eines Buntglasfensters genommen, das ich in der Kathedrale Notre-Dame von Chartres aufgenommen habe.

Worum geht es auf dem Album generell und wie wichtig sind dir die Texte?
„The Apostates“ ist ein Konzeptalbum für alle, die gegen Bigotterie und Missbrauch aller Art kämpfen.

Nach einem eher traditionellen Album gab es nun wieder mehr Southern-Rock-Einflüsse. Was hat dich dazu bewogen, dieses Element wieder stärker in den Sound von GLORIOR BELLI zu integrieren?
Es gibt zum Glück viele Möglichkeiten, wie man bei der Aufnahme eines Albums vorgehen kann. Man kann entweder eine Reihe von Regeln befolgen, wie zum Beispiel, dass man so oder so klingen muss – obwohl sich das nicht nach Spaß anhört, oder? – oder man kann sich einfach treiben lassen. Ich schätze, ich würde lieber Zweiteres wählen. Ich versuche, jede neue Platte in ihrem Wesen einzigartig zu machen. Ich würde nicht genau das Gleiche zweimal machen wollen. Das wäre weder für mich noch für die Zuhörer eine Herausforderung. Später im Prozess gibt es aber natürlich immer noch Entscheidungen, die dafür sorgen, dass das Resultat – auch konzeptionell – am Ende kohärent ist.

Der letzte Song des Albums ist sehr weit von allem entfernt, was du vorher gemacht hast. Was hat dich für diesen Song inspiriert, und, um etwas provokativ zu fragen: Warum findet sich nur ein solcher Song auf dem Album?
Ich hatte schon immer Spaß daran, meine Platten mit einer besonderen Note zu beschließen, so hinterlässt man Eindruck. Ähnliche Songs mit cleanem Gesang gab es auch in den vorherigen Alben, beispielsweise auf „The Great Southern Darkness“ oder „In Every Grief-stricken Blues“. Das Lied „Rebel Reveries“ hebt sich von den anderen Tracks hier ab. Ich habe es mit dem Ziel geschrieben, dass man sich von allen den Geist einengenden Doktrinen und allen fesselnden Ketten freimachen muss, um wieder zur wahren Idee der Freiheit zu finden, wie sie früher war, vor der abscheulichen Vergewaltigung, die die Schöpfung war. In der Tat, das ist es, was ich mein ganzes Leben lang getan habe: In den Schatten so weit wie möglich vom Licht der Sonne entfernt zu lauern. Denn nur hier kann man die unveränderte Flamme entdecken und die Feuer der Befreiung entfachen.

Wie steht es um künftige Liveshows – werdet ihr nach Deutschland kommen?
Wir waren erst im April in Erfurt und Oberhausen. Deutschland ist immer der Hammer. Am 14. Juli spielen wir in Basel in der Schweiz auf dem Drone Festival.

Auf „The Great Southern Darkness“ hast du dich J. genannt, manchmal firmierst du unter Billy Bayou und auf dem letzten Album hast du dich, wie in den frühen Jahren, wieder Infestvvs genannt. Nach welchem Prinzip wechselst du zwischen diesen Namen durch, welches ist dein „echter“ Künstlername?
In meinem Kopf ist der Name Infestvvs immer mit unserem Debüt, dem latein-basierten, truen Black Metal verknüpft. Das hat damals sehr gut gepasst, aber ich bin ihn so leid geworden. Das klingt einfach so „ernst“ und paradoxerweise fast etwas ironisch. Billy Bayou ist spaßiger, relaxter und mehr auf den Punkt. Den mag ich, ich kann mir nicht vorstellen, das nochmal zu ändern. Meine Freunde nennen mich jetzt Billy, es passt zu meiner Liebe zum Süden … des Himmels.

Vielen Dank für das Interview. Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming: Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Pantera: Fucking hostile
Whiskey: Funeral
Fussball: MMA
Dein Lieblingsalbum 2018: The Ugly Kings – Promised Land
GLORIOR BELLI in zehn Jahren: Im Bett deiner Mama

Danke nochmal für deine Zeit und Antworten – die letzten Worte gehören dir:
Lasst uns jede Form von Limitierung bis auf das Fundament niederbrennen, aus der Asche erwachsen und uns von unseren Ketten befreien!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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