Interview mit Guido Heijnens von Hammerheart Records

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Seit über 25 Jahren betreibt Guido Heijnens das Extreme-Metal-Label HAMMERHEART RECORDS, das unter anderem Bands wie Kampfar (und deren Vorgänger Mock), Thyrfing, Primordial oder Aeternus den Weg geebnet hat. Dass Dark Funeral und Borknagar das Label unlängst öffentlich wegen angeblich illegaler Re-Releases in Verruf gebracht hatten, haben wir zum Anlass genommen, mit Heijnens im Rahmen unserer Label-Special-Serie die Geschichte von HAMMERHEART RECORDS aufzuarbeiten – von den wichtigsten Releases über die Namensänderung zu KARMAGEDDON (und zurück) bis zu seiner Sicht auf besagte Re-Releases.

HAMMERHEART RECORDS wurde vor 25 Jahren gegründet. Was war damals deine Motivation, dein eigenes Label zu gründen?
Naivität! Underground-Denken. Die Liebe zum Metal und besonders zu den extremeren Sub-Genres. Los ging es 1995 mit der Tumulus/Mock-Split. Ein echter Underground-Klassiker! Peter [van Ool, Anm. d. Red.], der HHR im Jahr 2012 verließ, und ich haben uns damals mit dem Geld, das wir mit einigen Nebenjobs verdienten, weil wir noch studierten, zusammengetan. Die Dinge liefen cool, wir mochten, was wir taten … also beschlossen wir, weiterzumachen. Dieses Jahr ist unser 25. Geburtstag.

Warum habt ihr HAMMERHEART als Namen für euer Baby gewählt?
Wegen Bathory! Offensichtlich wegen Bathory. Damals war das ein magisches Album für uns, wahrscheinlich das beste Album, das jemals veröffentlicht wurde. Es war auch die perfekte Mischung zwischen Black und Viking/Pagan Metal. Etwas, das sehr gut zu den Ideen hinter dem Label passte: Das war genau das, was wir machen wollten. Ich liebe dieses Album immer noch. Vielleicht ist es nicht das beste Album aller Zeiten, aber sicher ist es immer noch ein absoluter Klassiker und eine einzigartige Veröffentlichung.

Wie bist du zu den ersten Bands gekommen, die du unter Vertrag genommen hast und wie hast du sie von HAMMERHEART RECORDS überzeugt?
Ich habe Bands unter Vertrag genommen, mit denen ich in Kontakt war, ganz einfach. Ich war im Tape-Trading und im Underground aktiv, also haben wir sowohl Tumulus als auch Mock gefragt und sie haben zugestimmt. Mock wurde später zu Kampfar. Wir mussten niemanden überzeugen: Das war eine Zeit, in der Bands froh waren, auf CD veröffentlichen zu können … es war immer noch das Zeitalter, in dem man ein Demo auf Kassette herausbrachte!

Was war rückblickend das wichtigste Album für den Erfolg von HAMMERHEART RECORDS?
Ein sehr wichtiger, großer Schritt nach vorne war HHR 008, „Beyond The Wandering Moon“ von Aeternus. Es war der erste richtige Deal, den wir abgeschlossen haben – im Sinne von eine Band unter Vertrag zu nehmen und das Budget zu haben, um sie ins Grieghallen-Studio in Bergen/Norwegen zu schicken. Wir haben das Album als Deluxe-Digipak herausgebracht, haben eine fantastische Doppel-LP gemacht und die Band ging damit auf Tournee. Kurz gesagt: Wir haben alles gemacht, was ein Label tun sollte, wenn man wirklich mit einer Band zusammenarbeitet. Das Album fing an, sich zu verkaufen, wurde ein kleiner Klassiker und bleibt bis heute ein großartiges Werk. Aeternus haben dadurch immer einen besonderen Platz eingenommen. Das Album wird gerade in diesen Tagen von Soulseller in Zusammenarbeit mit der Band neu aufgelegt. Wenn ihr es nicht kennt, holt es euch! Und auch das Nachfolgealbum „… And So The Night Became“, ein noch besseres Album.

Und auf welchen Release bist du besonders stolz?
Auf dieses Aeternus-Album zum Beispiel. Aber für Primordial zu arbeiten war auch klasse. In den letzten Jahren bin ich wirklich stolz auf die Veröffentlichungen, die wir machen – seien es neue Alben oder Wiederveröffentlichungen. Aus den letzten Jahren habe ich da beispielsweise Neuerscheinungen von Konkhra, Ereb Altor, Sammath, Sear Bliss, Isole, Cirith Gorgor, Pestilence oder Phlebotomized im Kopf. Die sind alle mit wahrer Leidenschaft und Liebe zu unserer Musik gemacht!

Gab es ein besonderes Highlight für HAMMERHEART, an das du dich immer gerne erinnerst?
Für Dismember zu arbeiten und ihre Alben zu veröffentlichen, Chuck Schuldiner für das zweite Control-Denied-Album unter Vertrag zu nehmen, Die Apokalyptischen Reiter mit ins Boot zu nehmen und ihre Karriere ins Rollen zu bringen, mit den verrückten Jungs von Macabre zu arbeiten, am Pestilence-Klassiker-Katalog zu arbeiten … die Liste könnte noch einige Zeit weitergehen. (lacht)

Gab es auch Tiefpunkte, Momente, in denen ihr an der Zukunft von HAMMERHEART gezweifelt habt?
Sicher. Finanziell haben wir den Tiefpunkt erreicht, als Chuck gestorben ist. 2002 und 2003 war es wirklich eng, aber wir haben es immer geschafft, das Boot über Wasser zu halten. Wir hatten auf dem Weg ein paar kritische Momente, aber wir haben es geschafft, unsere Probleme zu lösen.

Im Jahr 2003 habt ihr den Namen des Labels in KARMAGEDDON Media geändert. Warum, was war damals die Idee?
Das hängt mit der Antwort auf die vorherige Frage zusammen: Wir mussten umstrukturieren, uns aus einigen Vertriebsverträgen zurückziehen und dafür brauchten wir eine neue Identität. Das war im Grunde genommen der Grund. Und als alles geklärt war, entschieden wir uns, den Namen nicht mehr zu verwenden.

Im Jahr 2006 ging das Kapitel KARMAGEDDON zu Ende. Was war geschehen?
Die Probleme, die 2001 begonnen hatten, waren gelöst. Wir hielten das Label am Leben, obwohl es ziemlich inaktiv war, wenn es um neue Veröffentlichungen ging. Peter und ich haben beide einige andere Jobs gemacht. Meine waren alle musikbezogen: Ich machte A&R für Firmen wie Mascot Records, wo ich Volbeat und Heathen unter Vertrag genommen habe, und für Napalm Records, wo ich Troll und Thulcandra gesignt habe, und war von 2007 bis 2011 der Boss für Relapse Records in Europa. Dann habe ich mich dafür entschieden, mein geliebtes HAMMERHEART RECORDS wieder aufleben zu lassen.

Im Jahr 2010 hast du dann unter dem alten Namen wieder losgelegt. Wie lief der Wiedereinstieg? War es einfach, wieder Bands zu finden und alles wieder in Gang zu bringen?
Das war einfach das Timing: Es war der richtige Zeitpunkt. Der Wiedereinstieg war harte Arbeit, aber wir haben einen guten Katalog und ich baue ihn langsam wieder auf. Ich denke, ab 2017 waren wir wieder komplett auf dem richtigen Weg. Es ist immer harte Arbeit, Bands zu finden und mit ihnen zu arbeiten, aber ich habe nach 25 Jahren viel Erfahrung, also weiß ich, wie es läuft.

Letztens kam ein großer Shitstorm über HAMMERHEART RECORDS, weil ihr Wiederveröffentlichungen von Werken angekündigt habt, an denen ihr aber keine Rechte habt. Was ist da schiefgegangen?
Um ehrlich zu sein, würde ich es lieber einen kleinen Sturm im Wasserglas nennen. Borknagar hatten Recht, also wurde diese Neuauflage gecancelt. Ich wollte nie etwas veröffentlichen, was ich nicht darf, so einfach ist das. Die Neuauflage von Dark Funeral ist zu 100 % legal und zu 100 % im Besitz von HAMMERHEART. Also ist im Grunde nichts schiefgegangen, seit Borknagar abgeblasen wurde. Ich versuche hier nicht, einfach davonzukommen – das ist einfach alles, was dazu gesagt werden muss.

Nach den Anschuldigungen habt ihr das Borknagar-Album gecancelt und euch bei der Band und ihren Fans entschuldigt – die Vorwürfe von Dark Funeral habt ihr ignoriert und ihre Mini-CD weiter verkauft. Warum?
Wir haben das Borknagar-Album nie verkauft, es wurde nicht einmal in Produktion genommen. Im Grunde genommen habe ich auf den Facebook-Post von Dark Funeral geantwortet, der übrigens eine riesige Beleidigung und sehr, sehr weit von der Wahrheit entfernt ist: Ihr könnt meine Antwort auf der HAMMERHEART-Facebook-Seite lesen. Wenn ihr diesen Post von mir gelesen habt, gibt es meiner Meinung nach keine Fragen mehr zu beantworten.

 

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Und warum löscht ihr dann weiterhin jeden Benutzerkommentar auf eurer Facebook-Seite, der sich auf die Aussage von Dark Funeral bezieht?
Das habe ich nicht. Ich werde fragen, ob jemand aus dem Hammerheart-Team es getan hat. Ich bin 100 % gegen Zensur oder das Löschen von Meinung von Leuten. Dark Funeral hat meine Antwort mit der Ausrede gelöscht, dass die Nachricht plötzlich verschwunden sei. Das würde ich niemals tun. Ganz einfach. Es gibt nichts zu verbergen.

Beide Bands haben behauptet, dass dies nicht der erste Fall ist, in dem ihr illegale Versionen ihrer Musik verkauft (Unfortunately, this is not the first time this ‚label‘ has feasted on our stolen property, hence their previous re-issue of the album. Their fraudulent and illegal actions has been notified to them by the band directly, as well as band representatives. Several times. However, they show absolutly no respect for our precious art and valuable property.“). Weißt Du, auf welche Veröffentlichungen deines Labels sie sich beziehen? Sind die Anschuldigungen wahr?
Ich habe wirklich keine Ahnung. Wie gesagt, ich will keine Musik veröffentlichen, die mir nicht zumindest vertraglich gehört. Manchmal haben Bands 1997 oder so einen Deal gemacht, oder wie Lord Ahriman [der Bandkopf von Dark Funeral, Anm. d. Red.] im Jahr 2001. Und sie wollen ihn nach 20 Jahren oder so ignorieren. Es gibt immer Leute, die etwas behaupten – aber man muss hinterfragen, ob es richtig ist oder nicht. Borknagar hatten hier einen Punkt, also haben wir entschieden, da nicht weiterzumachen, ganz einfach. Ich respektiere die Band. Die Anschuldigung von Dark Funeral ist nur eines: Unsinn.

Lord Ahriman teilte außerdem seine Ansicht über die Arbeitsbeziehung zwischen dir und dem Dark-Funeral-Gründungsmitglied David Parland. Er hat eine E-Mail veröffentlicht, in der du Parland als „schreckliche Person“ bezeichest und dich wie folgt zitiert: „David is dead and can’t do shit, so I will keep it all“. Das bezieht sich darauf, dass Dark Funeral mit dir angeblich vereinbart hatten, die Rechte an ihrer Musik von dir zurückzubekommen, um einen neuen Deal mit Century Media/Sony zu unterschreiben. Sind diese Zitate korrekt und hast du dich wirklich geweigert, die Rechte an Ahriman zurückzugeben, nachdem Parland gestorben war?
David Parland war zeitweise ein kranker Kerl … sowohl körperlich als auch geistig. Wir haben im Laufe der Jahre bei vielen Gelegenheiten und in vielen Projekten zusammengearbeitet. Das sollte mir eine gewisse Glaubwürdigkeit verleihen. Auf der anderen Seite hat er Dark Funeral 1996 verlassen und ihr könnt das ausführliche Interview dazu in meinem Facebook-Post lesen. Es erklärt eine Menge. Es ist fast so, als ob David von den Toten zu uns spricht. Am Ende war David in der Tat ein schrecklicher Mensch, er rief mich an, manchmal sehr offen und freundlich, ein paar Tage später war er komplett drüber. Er hat mich und meine Familie sogar ein paar Mal bedroht, als seine Dämonen ihn wieder heimsuchten. Als er also Selbstmord beging, fand ich es traurig, aber es war etwas, das sich schon seit Jahren angekündigt hatte. Habe ich seinen Selbstmord betrauert? Nein, es war seine Entscheidung und ich respektiere sie. All die Leute, die darüber weinen, sollten sich fragen, ob sie sich tatsächlich auf eine Black-Metal-Identität oder -Haltung beziehen sollten. Ich habe nie einen Deal mit jemandem gemacht, um die Rechte (zurück) zu verkaufen. Die Rechte, die Davids Label gehörten, waren nie Ahrimans. Nur die Dark-Funeral-EP war teilweise seine, aber er hat den Vertrag unterschrieben, sie an HAMMERHEART RECORDS zu verkaufen und er wurde dafür gut bezahlt. Er hat die Rechte an Century Media einfach nochmal verkauft, was tatsächlich deren Edition illegal macht. Auch hier möchte ich auf  meinen Facebook-Post verweisen, um die Dinge klarzustellen.

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Sind Wiederveröffentlichungen bekannter Bands heute generell eine wichtige Einnahmequelle für kleine Labels? Ist das auf lange Sicht eure Strategie, Musik zu vermarkten?
Das ist heutzutage leider die Wahrheit. Es ist ein großer Teil dessen, was HAMMERHEART RECORDS macht und wir werden dies auch weiterhin tun. Wir werden aber auch neue Veröffentlichungen herausbringen und neue Bands unterstützen. Das müssen wir, sonst würde unsere Szene langsam sterben.

Generell wird es immer schwieriger, CDs zu verkaufen. Führt das zu großen Problemen für ein kleines Label wie deines?
Es ist unglaublich hart geworden. Aber es ist so wie es ist. Streaming ist 2020, ganz einfach. Kein Grund zu weinen oder nostalgisch zu werden. Es ist wie es ist. Es könnte aber zu Problemen führen, wenn man falsch kalkuliert.

Wofür braucht man heute in Zeiten von Bandcamp et cetera überhaupt noch kleine Labels? Was könnt ihr einer Band anbieten, was sie nicht selbst machen kann?
Was Promotion und Verkauf angeht, ist die Reichweite eines Labels viel größer. Das ist heutzutage im Wesentlichen der Unterschied. Meistens ist ein Label professioneller.

Wie viele Menschen sind heute bei HAMMERHEART angestellt und verdienen ihren Lebensunterhalt mit HAMMERHEART?
Wenn ich es in Vollzeitbeschäftigung zähle, sind es mehr oder weniger vier Vollzeitbeschäftigte. Eine nette Crew, auf die ich wirklich stolz bin, kann ich sagen.

Lass uns träumen: Welche Band würdest du gerne im HAMMERHEART-Roster haben?
Nun, Träume werden ja manchmal wahr. Aber lasst es uns richtig machen: Ein Bathory-Album wäre ein Traum … also ein gutes Bathory-Album. Oder eine Veröffentlichung von Morbid Angel, Iron Maiden, Slayer oder so zu machen. Aber bei diesen Namen meine ich ein Album, das die Qualität von längst vergangenen Jahren hat. Heute höre ich viele Bands, mit denen ich gerne noch zusammenarbeiten würde.

Vielen Dank für das Gespräch! Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Black Metal:
Venom, Bathory, Mercyful Fate, Imperator, Beherit
Kassetten:
Nettes kleines Nischenprodukt, klanglich unbedeutend.
Vinyl:
Old-School, großes Cover-Artwork, warmer Sound
CD:
bester Klang, aber ein sehr kaltes Format
Streaming:
2020
HAMMERHEART in zehn Jahren:
Immer noch da, aber keine Ahnung, in welcher Form.

Nochmals vielen Dank für deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir:
Vielen Dank für dieses Interview. Und an die Leser: Glaubt nicht immer, was ihr hört oder seht, seid kritisch und denkt selbst! Bleibt gesund und trefft karma-mäßig die richtigen Entscheidungen!

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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