Interview mit Kevin & Filip von Hemelbestormer

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Bereits mit ihrem Debüt „Äther“ (2016) konnten sich die Instrumental-Drone-Doomer HEMELBESTORMER einen guten Ruf in der Szene erarbeiten. Nun veröffentlichen die Belgier mit „A Ring Of Blue Light“ einen Nachfolger, auf dem die Band ihre Stärken wieder aufgreift, aber nicht vor Weiterentwicklung zurückschreckt. Kevin (Bass) und Filip (Gitarre) über den blauen Ring, musikalische Gegensätze und unsere raison d‘être.

Das zweite HEMELBESTORMER-Album trägt den Titel „A Ring Of Blue Light“ – was steckt dahinter?
Filip: Der Titel bezieht sich auf die Galaxie Haog’s Object. Sie ist insofern untypisch, als sie aus acht Milliarden blauen Sternen besteht. Anstelle in einer Spiralform sind diese Sterne in einem Kreis angeordnet. Sie befindet sich im Sternbild des Schlangenträgers. HEMELBESTORMER ist eine Instrumentalband, aber wir versuchen, die Atmosphäre unserer Musik mit diesen Dingen zu verbinden. Alle Titel, das Artwork und die speziell dafür entworfenen Symboliken sind mit diesem Objekt verknüpft.

Das Artwork ähnelt an sich stark dem des ersten Albums – wieder steht ein riesiger Berg im Mittelpunkt. Was verbindet euch Flachländler mit solchen Bergen?
Kevin: Nun, ich betrachte das aus einem ganz anderen Blickwinkel, und es steckt viel mehr dahinter, als Du vielleicht denkst – man sollte das alles nicht zu „wörtlich“ verstehen. Natürlich kann man sagen, dass sie sich ähnlich sind, aber es sollte eher als ein gemeinsames Thema betrachtet werden. Wir sind eine Band, die den Hörer auf eine Reise mitnehmen will. Ich habe einen Master-Abschluss in Kunst und war schon immer tief fasziniert von den Malern der Schule der Romantik. Sie haben die Natur als etwas Erhabenes angesehen und haben in ihr eine Gelegenheit gesehen, in dieser Welt etwas Göttliches zu sehen.

Und um es ganz klar zu sagen: Wir sind natürlich keine religiöse Band, aber ich denke, ich kann sagen, dass die Band definitiv eine spirituelle Seite hat, sogar in unserem Bandnamen. Zumindest interpretiere ich das so. Also versuche ich immer, Cover zu entwerfen, die extrem kraftvoll sind und unsere Musik perfekt abbilden. Für mich ist es also viel mehr als nur ein weiterer Berg auf einem Cover. Ich möchte den Betrachter und Zuhörer ermutigen, die Kraft der Natur zu akzeptieren und ihn an die Bedeutungslosigkeit des Materialismus in unserer Gesellschaft und an andere „First World Problems“ zu erinnern. Es gibt so viel mehr im Leben. Lasst die mentale Reinigung beginnen!

Hast Du im wirklichen Leben schon einmal solche Berge gesehen, vielleicht auch nachts? Wenn ja: Was waren deine Gefühle in diesem Moment?
Wir haben vor ein paar Jahren auf dem Eine In Teich Festival gespielt. Das hat auf der Spitze eines Berges in den österreichischen Alpen stattgefunden – es ist wörtlich das höchste Festival Europas. Dort haben wir um 2:00 Uhr morgens gespielt. Wir haben auch schon beim exklusiven Funkenflug Festival gespielt, wieder in den österreichischen Alpen. Um Mitternacht gab es dort ein großes Feuer, um die Sommersonnenwende zu feiern. Abgesehen davon war ich persönlich auf Bergen an verschiedenen Orten in Europa, im Nahen Osten und in Amerika unterwegs. Berge (und die Natur im Allgemeinen) sind der Schlüssel zu unserer Existenz.

„Äther“ war die Summe aller vier Elemente: Erde, Wasser, Wind und Feuer. „Äther“ ist auch das Symbol des Universums, ein Weg, den wir auf „A Ring Of Blue Light“ weitergehen. Ein Berg ist der dem Weltraum nächstgelegene Ort (was eine direkte Verbindung zum Wort Hemel-Bestormer oder Himmelsstürmer darstellt). Berge sind rein, sie sehen massiv aus und bringen Ruhe. Heute bestimmt das urbane Leben unseren Alltag. Durch die Natur sind wir mit unserer raison d‘être (Daseinszweck, A. d. Red.) verbunden und finden wahre Ruhe in Körper und Geist. 

Um den Titel im Kunstwerk zu illustrieren, befindet sich auf dem Berg ein blauer Kreis. Um ehrlich zu sein, finde ich das etwas ungelenk umgesetzt, es zumindest nicht nach einem „Ring aus blauem Licht“ aus. Warum hast du dich entschieden, den Lichtring so puristisch zu gestalten, ohne irgendwelche Effekte, um ihn nach Licht aussehen zu lassen?
Kevin: Zunächst einmal denke ich, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt, aber der Punkt geht an dich. Ich werde versuchen, zu erklären, was wir vorhatten. Wie vorher schon gesagt: „A Ring Of Blue Light“ ist dynamischer als unser letztes Album. Es hat noch viel mehr Stellen, an denen der Zuhörer Zeit zum Atmen bekommt. Um das auch im Cover widerzuspiegeln, habe ich mich bewusst gegen ein dunkleres Artwork entschieden, wie wir es beim Album davor hatten, während wir aber unserem Bildthema treu geblieben sind. Es ist immer noch geheimnisvoll, wenn Du so willst, aber es enthält auf gewisse Weise auch mehr Hoffnung. Alles ist klarer und detaillierter, nicht nur in der Musik, sondern, wie ich bereits sagte, auch im Artwork.

Was den Berg angeht, habe ich mich entschieden, mit einem natürlich pyramidenförmigen Berg zu arbeiten. Eine Form, die mich immer angezogen hat und die im Laufe der Geschichte immer eine tiefere Bedeutung hatte. Und um den Ring (Hoag’s Object) darzustellen, wollte ich ein Art Heiligenschein, der am Himmel schwebt. Ich sehe deinen Punkt, dass er nicht glänzt, aber das ist nur bei Webbildern der Fall. Ich hätte natürlich leicht einen glühenden Ring hinter den Berg setzen können, der aus Sternen oder etwas anderem besteht. Aber das hätte nicht wirklich zu dem Konzept gepasst, das ich mir vorgestellt hatte. Der blaue Ring ist als wichtiges grafisches Element der Band zu sehen. Ein Symbol. Ein Ring, der dich kennzeichnet, wenn du unsere neue Reise beendet hast, oder wenn du eine unserer Shows erlebt hast.

Für die physischen Schallplatten und CDs hat Ván Records uns die Möglichkeit gegeben, mit Heißfolien-Druck zu arbeiten. Das bedeutet, dass der Ring auf jeden Fall glänzend sein wird und die Verpackung dadurch noch origineller wird. Ich persönlich glaube, dass die gesamte Verpackung und das neue Merchandise das Beste ist, was wir bisher gemacht haben. Grafisch und konzeptionell. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass alles zusammenpassen sollte, so dass der blaue Ring definitiv auch an mehreren Stellen zu sehen sein wird. Ich hoffe, das erklärt alles, und ich hoffe, dass du deine Meinung vielleicht änderst, wenn du eine physische Kopie des Albums in Händen hältst und alles als Ganzes siehst.

Euer Sound ist diesmal extremer, während die Musik filigranere Parts, saubere Gitarren, Post-Rock-Einflüsse und so weiter enthält, was den Kontrast noch extremer macht. War das die Absicht?
Kevin: Ich kann nur für meine eigene Erfahrung sprechen, da die Musik größtenteils Filip schreibt. Aber für mich persönlich bedeutet diese Platte noch mehr als unsere bisherige Arbeit. Ich denke, dass unsere Intention noch klarer zum Vorschein kommt. Es gibt einem die Zeit, langsam zu einem schönen Ort tief in deinem Kopf abzudriften, aber es gibt immer noch doomige Heavy-Parts, die die Dunkelheit entfesseln. Aber am Wichtigsten ist, dass diese Platte Teile von dem enthält, was wir alle sind. Ich glaube, es ist ein perfekter Mix aus unseren Charakteren – und die Jungs vom Blackout Studio haben ihn perfekt eingefangen.

Generell gibt es auf dem Album weitaus ruhigere Parts – ein neues Element im Sound von HEMELBESTORMER. Was hat euch dazu inspiriert, in diese Richtung zu gehen?
Filip: Einige psychedelische Parts und einige cleane Teile mögen diesen Eindruck erwecken, aber all das steht ja im großen Kontrast zu den schwereren, Doom-geladenen Parts anderswo auf dem Album. Diesmal ist der Klang sehr organisch und weit weniger steril als beim Vorgänger. Das führt zu einer dunkleren Atmosphäre, die meiner Meinung nach nicht wirklich „ruhiger“ ist.

Ich finde, das Album klingt interessant, aber die dunkle Atmosphäre wird durch diese melodischen Teile etwas geschwächt, zumindest im Vergleich zu eurem ersten Album. Wie siehst du das?
Wir sehen diese Teile als Momente der Ruhe. Eine Menge Musik hämmert immer nur mit dröhnenden Riffs auf deine Ohren ein. Wir bringen deswegen mehr Dynamik in unsere Musik. Es gibt harte Stellen und entspannende Stellen. Der Opener, „Eight Billion Stars“, ist ein extrem tief gestimmtes Biest, das einem die Ohren zerschmettert, aber während des Klavierparts in der Mitte gewährt er dir einige Momente, um Durchzuschnaufen. Das kurze Intermezzo „Cluster“ beinhaltet Noise-Rauschen wie von Sunn 0))), während das andere kurze Stück, „Blue Light“, recht entspannt klingt. Wir spielen gerne mit diesen Gegensätzen, um eine Stimmung aus Dunkelheit und Hoffnung zu schaffen – wie im echten Leben eben.

Ihr arbeitet immer noch komplett instrumental – habt ihr je darüber nachgedacht, ob Vocals auch eine nette Ergänzung zu deinem Sound sein könnten?
Filip: Wir hatten bei „Towards The Nebula“ die Idee, vielleicht vier oder acht Zeilen zu verwenden, und wir hatten einen hervorragenden Sänger, der bereit war, das für uns aufzunehmen. Aber wegen seines vollen Tour-Kalenders und der Veröffentlichung seines aktuellen Albums, hat er es dann nicht mehr vor Ablauf der Deadline geschafft. Also haben wir unsere Musik wieder zu 100 Prozent instrumental gehalten. Diese Gesangsspuren waren auch nicht als Lead Vocals gedacht, sondern eher als eine zusätzliche Schicht von Sounds, um die Atmosphäre zu verstärken. In diesem Moment fühlen wir uns alle sehr wohl dabei, eine stimmlose Band zu sein, und ich glaube nicht, dass sich das so schnell ändern wird.

Plant ihr selbst eine Tournee mit Auftritten in Deutschland?
Filip: Im April und Mai werden wir einige deutsche Shows mit The Great Old Ones, Downfall Of Gaia und Phantom Winter spielen. Geplant sind Köln, Bremen, Hamburg, Würzburg, Freiburg und Münster. Aber ihr könnt für die Zeit nach dem Sommer noch ein paar mehr Shows erwarten.

Vielen Dank für das Interview! Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Deutsches Bier:
Kevin: Ich habe noch nie einen Schluck Alkohol getrunken, also habe ich keine Meinung dazu. Aber meine Bandkollegen scheinen ein großer Fan davon zu sein.
Das Meer: Kevin: Auf der einen Seite eine sehr starke Kraft, auf der anderen Seite ein wunderschöner Ort, um den Geist zu befreien und sich zu entspannen.
Berge: Kevin: Majestätische, natürliche Strukturen, in denen ich es liebe, meine Zeit zu verbringen, wann immer ich die Gelegenheit dazu habe. Nichts ist so cool wie Wandern/Snowboarden durch eine dicke Schneedecke in den Bergen.
Donald Trump: Kevin: Ich mag es nicht, politisch zu werden, aber für mich ist das jemand, der in seiner eigenen Traumwelt lebt und viele rücksichtslose Entscheidungen trifft.
HEMELBESTORMER in zehn Jahren: Kevin: Ich kann nicht einmal sagen, dass wir in zehn Jahren noch existieren werden. Aber was ich sagen kann, ist, dass das die Band ist, von der ich immer geträumt habe. Wir haben schon viele schöne Sachen gemacht und viele coole Gelegenheiten bekommen. Ich glaube, dass unsere Geschichte noch nicht zu Ende ist, aber ich werde immer mit großem Stolz und Freude auf diese Band zurückblicken.

Nochmals vielen Dank für eure Zeit. Die letzten Worte gehören euch – gibt es noch etwas, das ihr unseren Lesern mitteilen möchtet?
Filip: Danke für das Interesse an unserer Band. Wenn die Leute uns auschecken wollen: Nehmt euch Zeit, um unsere Musik aufzunehmen. Das ist keine Party-Musik. Es braucht Zeit. Aber wenn sie euch erst einmal erwischt hat, lässt es euch nicht mehr los…

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