Interview mit In Extremo

In Extremo

Hallo und vielen Dank für das Interview! IN EXTREMO war ja im Grunde die Band, die den Mittelalter-Rock hierzulande etabliert hat. Mittlerweile erfreut sich der Stil einer recht großen Popularität. Wie fühlt man sich als Vorreiter eines derart gewachsenen Genres?
Es ist eigentlich so, dass man sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht, sondern schon den Ansporn hat, weiterzumachen und zu gucken: „Wo steht die Band denn eigentlich?“ So steht bei uns jetzt auch der Release unseres neuen Albums kurz bevor. Wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir bisher erreicht haben und stolz darauf. Aber das Musikbusiness ist zu schnell und zu hart, um sich auszuruhen. Es ist natürlich toll, dass man viele Bands inspiriert hat und auch, dass man von sich eventuell sagen darf, dass man Wege und Tore geöffnet hat. Aber IN EXTREMO ist auch eine Band, die immer wieder neue Wege geht und das ist auch, was einen schlussendlich am Leben hält: Du kannst nicht immer das Gleiche machen. Man muss sich auch entwickeln, um für sich selber interessant zu bleiben.

Neben IN EXTREMO ist wohl Saltatio Mortis die angesagteste genreverwandte Band. Welches Verhältnis habt ihr zu den Leuten von Saltatio Mortis und siehst du besonders auffallende Schnittstellen zwischen ihrer Musik und eurer?
Ehrlich gesagt ist das eine Band, die ziemlich an mir vorbeigeht. Wir haben da kein spezifisches Verhältnis, man sieht sich vielleicht mal auf einem Festival und trinkt einen Schnaps oder ein Bier zusammen, aber es ist nicht so, dass wir großartigen Kontakt zu Saltatio Mortis pflegen oder genau beobachten was sie machen. Letztendlich muss jeder selber wissen, wo die Reise für ihn hingeht. Und die Reiseroute für IN EXTREMO ist eine sehr klare, die geht nämlich einfach nur nach vorne (lacht). Oder auch „Kein Blick zurück“, um es mit dem Best-Of-Album von vor drei Jahren zu sagen. Und da beobachte ich die Szene generell, in der sich IN EXTREMO rumtreibt, nicht so wirklich aufmerksam. Wir stehen da für uns und alle anderen dürfen machen, was sie wollen.

Was hat euch generell dazu inspiriert, mittelalterliche Musik zu machen? War es vorrangig der Klang der Instrumente oder spielte auch Interesse am Mittelalter an sich eine Rolle?

Ich finde das Mittelalter extrem faszinierend, bin aber ganz weit davon weg, das mittelalterliche Leben wirklich zu verfolgen oder nachzuleben. Ich treibe mich zum Beispiel auch nicht auf Mittelaltermärkten rum, obwohl wir musikalisch dort natürlich unsere Wurzeln haben. In erster Linie machen wir mittelalterliche Musik meines Erachtens, weil es eine sehr spannende Sache ist, diesen mittelalterlichen Sound mit Rock ’n‘ Roll zu paaren. Als Schlagzeuger von IN EXTREMO bin ich natürlich eher für die moderneren Instrumente beziehungsweise die Rhythmusgruppe zuständig. Ich finde einfach die Symbiose aus moderner Musik und ganz alten Instrumenten, die dieses Flair und die Atmosphäre verbreiten, toll, und dass man sich an verschiedenen, teils alten Sprachen bedienen kann, was wir auch auf „Quid Pro Quo“ wieder gemacht haben. Das haben wir im Grunde geprägt, oder man könnte fast sagen erfunden, da wir die ersten waren, die sich daran gewagt haben, Rock mit mittelalterlichen Instrumenten zu kombinieren und zusätzlich auch in längst ausgestorbenen Sprachen zu singen.

In Reviews zu euren letzten Alben liest man immer wieder die Auffassung vieler Leute heraus, ihr hättet euch zu sehr von eurem ursprünglichen Stil entfernt. Wie geht ihr mit dieser Kritik um?
Generell ist Kritik immer etwas Positives. Und wenn Leuten das auffällt sage ich „Schön, dass es euch aufgefallen ist“. Es geht gar nicht darum, dass man sich zwingend verändern möchte. Aber 21 Jahre sind eine lange Zeit für eine Band und In Extremowenn du da immer die gleiche Musik machst, immer den gleichen Song spielst, dann kannst du es irgendwann selber nicht mehr hören. So eine Weiterentwicklung vollzieht man ja auch nicht mit der Brechstange nach dem Motto „Das nächste Album soll jetzt so oder so klingen!“ Ein Album ist immer ein Zeitabschnitt, der bestimmte Dinge mit sich bringt und wo manches anders gemacht wird als auf der Platte zuvor. Aber generell kann man sagen, dass auf „Quid Pro Quo“ die alten Werte, die IN EXTREMO einst groß gemacht haben, wieder ganz deutlich im Vordergrund stehen. Ich denke, dass der alte Fan aus der Zeit etwa von „Weckt die Toten!“, „Verehrt und angespien“ oder „Sünder ohne Zügel“ sich sehr schnell heimelig fühlt und sagen kann er hat seine alten IN EXTREMO wieder – ohne, dass wir bewusst die Musik, die wir vor 20 Jahren gemacht haben, wieder gemacht hätten. Wichtig ist für uns, dass hinter „Quid Pro Quo“ dennoch der Zusatz „Update: 2016“ steht, denn da sind wir jetzt.

Fühlst du dich, falls es da eine Abstufung gibt, eher im Bereich der Mittelaltermusik oder eher im Rock-/Metalbereich verwurzelt?
Ganz klar im Rock- und Metalbereich, das ist auch, wo ich herkomme. Wenn ich nicht zu IN EXTREMO gekommen wäre, hätte ich wahrscheinlich auch keine Mittelalter-Rock-Band gegründet. Aber es kommt eben immer anders als man denkt und ich bin auch sehr zufrieden und stolz darauf, in dieser Band zu spielen, weil es wahnsinnig Spaß macht. Und bei einer Band geht es ja auch nicht nur um die Musik, sondern was eine Band groß macht, ist der Zusammenhalt unter den Leuten und da ist IN EXTREMO relativ unschlagbar, sonst würde es uns nicht seit 21 Jahren geben und so etwas ist mindestens genau so wichtig wie die Musik, die man spielt.

Was hört ihr privat für Musik und welche Bands oder Interpreten übten besonders großen Einfluss auf euer Schaffen aus?
Textlich würde ich mal sagen so Sachen wie „Ton Steine Scherben“. Bei sieben Musikern ist das natürlich schwierig zu sagen was da den einzelnen geprägt hat, insofern kann ich da nur für mich sprechen und ich bin einfach ein alter Metal-Freak. In meinem Kinderzimmer liefen damals „Ride The Lightning“ und „Master Of Puppets“ von Metallica rauf und runter. Aber auch „Arise“ von Sepultura war mal ganz weit oben bei mir im Ranking, ebenso wie Kreator-Sachen und später Clawfinger, Rage Against The Machine, das war alles meine Jugend, da war ich 14 bis 16 Jahre alt, insofern war das eine sehr prägende Zeit für mich. Es ist eine ganz lange Latte an Bands, die ich noch aufzählen könnte, aber das sind so die, die mich geprägt und zu dem Schlagzeuger gemacht haben, der ich jetzt bin.

In Extremo
Für das Vorgängeralbum „Kunstraub“ musstet ihr euch einiges an negativer Kritik gefallen lassen und im Gegensatz zu den Vorgängern „Sterneneisen“ und „Sängerkrieg“ stieg es auf Platz Zwei statt Platz Eins der deutschen Albencharts ein. Siehst du da einen Zusammenhang?
Überhaupt nicht. Die Chartplatzierung liegt auch immer ganz stark daran, wer in der Woche noch veröffentlicht. „Sterneneisen“ und „Sängerkrieg“ hätten auch keine Platz-Eins-Alben werden können, wenn in der gleichen Woche ein Robbie Williams oder eine Adele veröffentlicht hätte. Der Grund, warum „Kunstraub“ keine Eins geworden ist, war, weil ein starker Konkurrent am Start war (Casper, Anm. d. Red.), der in der gleichen Woche veröffentlicht hat und der einfach ein bisschen mehr verkauft hat. Dass „Kunstraub“ weniger wohlwollend aufgenommen wurde, ist für mich in dieser Form so gar nicht wahr (lacht). Es gab auch viele Leute, die „Kunstraub“ als mit Abstand bestes IN-EXTREMO-Album abfeiern. Und wenn Leute sagen, dass es mit uns, weil es „nur“ eine Zwei war, bergab geht, haben sie vielleicht nicht die Ahnung vom Musikgeschäft und wie es da läuft. Das Schöne ist, dass jetzt „Quid Pro Quo“ kommt und die nächste Ära angeht und ich hoffe, dass es eine sehr gute Plattenposition wird und bin mir ganz, ganz sicher, dass viele Leute, die zum Beispiel „Kunstraub“ nicht so wahnsinnig abgefeiert haben, „Quid Pro Quo“ lieben werden.

Worin siehst du die größten stilistischen Unterschiede zwischen „Kunstraub“ und „Quid Pro Quo?“
Eine häufige Kritik an „Kunstraub“ war, dass viele gesagt haben es sei sehr deutschrock-mäßig. Das kann auch sein, aber jetzt haben wir nochmal Kohlen ins Feuer gehauen und den Kessel hochgekocht. „Quid Pro Quo“ ist noch einmal deutlich härter und geht mehr in die Metal-Richtung, so sind zum Beispiel einige Doublebass-Parts dabei, die auch sehr schnell und teilweise ganz schön vertrackt sind. Weiterhin sind wie gesagt wieder fremdsprachige Songs drauf, außerdem verwenden In Extremowir auch andere Rhythmen, so haben wir mit der ersten Single „Sternhagelvoll“ eine Sechs-Achtel-Nummer. Es ist auch so, dass wir die mittelalterlichen Instrumente wieder mehr in den Vordergrund gerückt haben. Auch Gastbeiträge sind vorhanden mit „Blind Guardian“ und „Heaven Shall Burn“, dann haben wir den populärsten Kosakenchor aus Moskau mit auf der Platte. Bei einem meiner absoluten Favoriten des Albums namens „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“ haben wir zwei Kinder, die den zweiten Refrain singen. Das eine ist die Tochter unseres Produzenten Jörg und die andere ist ihre Cousine. Die Features, die wir dabei haben, sind meiner Meinung nach einfach Volltreffer und da haben wir auch Glück gehabt, es kann auch sein, dass so etwas nicht so gut funktioniert.

Bleiben wir gleich bei den Gastbeiträgen. Mit Hansi Kürsch von Blind Guardian und mit Heaven Shall Burn habt ihr ja sehr interessante sowie unterschiedliche Gäste auf dem Album. Wie kam es dazu?
Heaven Shall Burn haben wir 2013 auf dem „Full Metal Cruise“ kennengelernt. Wir haben uns da getroffen und jeden Tag zusammen gesoffen und gefeiert und daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt. Und letztes Jahr in Amerika bei dem „7000 Tons Of Metal“ waren wir mit Blind Guardian an Bord, wo man auch gefeiert und lange Nächte zusammengesessen hat und deswegen waren das unsere Wunschpartner für das Album und wir haben sie gefragt. Das lief ohne Vertrag oder Ähnlichem ab, sondern per Handschlag und sie kamen in unser Studio zu den Aufnahmen und fertig war die Sache.

Der Titelsong „Quid Pro Quo“ ist ein äußerst launiger Ohrwurm, der jede Menge Stimmung macht. Dabei ist die Thematik eigentlich alles andere als feierlich. Woher kamen die Ideen für den Text?
Wir saßen alle zusammen im Proberaum und haben so in den Raum geschmissen, für was man eigentlich so Geld ausgibt. Und für was man Geld ausgeben muss, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Ich will nicht für die Luft, die ich atme, auch noch bezahlen müssen. Ansonsten hatten wir eine riesige Palette an Zeilen für diesen Song, wir hätten praktisch daraus auch eine 13-Minuten-Nummer machen können. Wir haben es entsprechend komprimiert, aber wichtig ist, dass man auch mal anklagt, dass manche Sachen bei uns falsch laufen. Wir sind keine politische Band, aber eine Band, die eine Meinung hat und es war auch mal Zeit, dass man das ankreidet.

Nochmals vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte überlasse ich dir. Was würdest du unseren Lesern und euren Fans gerne noch mit auf den Weg geben?
Schöne Grüße von uns, wachsam und froh durchs Leben und kommt uns auf der Tour besuchen!

Publiziert am von Pascal Weber

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