Konzertbericht: Dream Theater w/ Riverside

2007-06-16 Bonn, Museumsplatz

Am 16. Juni 2007 sollte es also soweit sein: Zum zweiten Mal in meinen 22 Lebensjahren sollte ich die Progmetal-Helden DREAM THEATER live erleben. Dass die fünf Herrschaften nach dem fantastischen Düsseldorfer Konzert der Octavarium-Tour vor zwei Jahren wieder mit einem Konzertbesuch beehrt werden, war für mich ohnehin klar. Der nicht gerade günstige Kartenpreis von 41,75 Euro hinterließ zwar ein Loch im Portemonnaie – das nahm ich in Anbetracht der Tatsache, dass mit RIVERSIDE eine absolut grandiose Vorband dabei ist, aber gern in Kauf – zumal sich mein Anreiseweg auf etwa 6 Kilometer beschränkte, die ich bequem mit Bus und Bahn zurücklegen konnte. Dass DREAM THEATER neuerdings keine 3-stündigen „Evening With…”-Shows mehr spielen und sich stattdessen auf etwa 2 Stunden beschränken, fand ich im Vorhinein zwar schade, konnte ich aber dank RIVERSIDE ohne Frage verkraften.
Um 14:30 Uhr war ich also mit ein paar Freunden am Museumsplatz mit seiner schönen, überdachten Open Air-Bühne bzw. an dessen Einlass. Schließlich will man sich dieses Spektakel ja mit einer guten Sicht in den vordersten Reihen geben. Allerdings dauerte es noch ewig lange zwei Stunden, ehe wir endlich auf das Gelände durften. Während dieser Zeit überraschte ein Platzregen die immer länger werdende Schlage vor dem Einlass und die Fans – vom 15 jährigen Teenie bis zum 60-jährigen Rocker war alles dabei – halfen sich gegenseitig, so trocken wie möglich zu bleiben. Das Einlassprozedere war dann alles andere als friedlich und ging mit allerlei Druck und Quetschereien von Hinten vonstatten – sobald die Leute eine abgerissene Karte in der Hand hielten, sprinteten sie die gut 100 Meter zur Bühne, um ihre Position zu verteidigen.

Um 18 Uhr kamen dann endlich Marius Duda & Co. auf die Bühne. Anfangs sichtlich unsicher aufgrund der ungewöhnlich großen Bühne und der wartenden Menschenmassen, eröffneten sie ihr Set mutig mit einem neuen Song vom kommenden Album „Rapid Eye Movement“, dessen Titel ich leider nicht mitbekommen habe. Nach dem Song sagte Mariusz schüchtern „Hallo“ zum Publikum. Weiter ging es mit „Out Of Myself“, der bereits mit allerlei Applaus bedacht wurde. Die Unsicherheit seitens der Band wich langsam einem zaghaften Lächeln. Als dann die ersten Töne des fantastischen Longtracks „Second Life Syndrome“ ertönten, klatschte das Publikum bereits gut gelaunt mit. RIVERSIDE schienen das Publikum für sich gewohnen und sich warmgespielt zu haben. Zu schade, dass das Set schon wieder so gut wie vorbei war. Die 15 Minuten des Longtracks vergingen wie üblich in Windeseile und es war mal wieder ein Hochgenuss. Mariuszs Gesang war wieder absolut fantastisch und ging durch Mark und Bein, während Gitarrist Piotr Grudzinski seine wunderschön melodischen Gitarrenfiguren losließ. Nach diesem Song hätte ich gern ein volles Konzert der Band gesehen, denn die Atmosphäre war nun schon etwas Besonderes. Es muss auch für die Band toll sein, zu merken, dass ihre Musik bei einem sehr großen Teil des Publikums wohlwollend bis oft sogar begeistert aufgenommen wird. Mit dem neuen Song „Lucid Dream IV“ von der Single „02 Panic Room“ gab es dann etwas Frickelaction für die verwöhnten Dream Theater-Fans, ehe es mit dem bereits klassischen Abgangssong „The Curtain Falls“ vom Debütalbum „Out Of Myself“ schon wieder der Reihe nach von der Bühne ging. 40 Minuten und fünf Songs. Für mich hätten es ruhig mehr sein können, vor allem „Loose Heart“ und „I Believe“ habe ich in der Setlist vermisst. Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher: RIVERSIDE haben an diesem Abend eine Menge neuer Fans gewonnen, die ihren innigen, ruhigen und edlen Auftritt zu schätzen wussten. Eine tolle Show und ein guter Einstand.
Eine Sache, die ich unbedingt noch erwähnen muss: Es gab, wie ich es erwartet hatte, im Publikum auch die üblichen Verdächtigen, die die Vorband ohne richtige Begründungen runtermachen mussten. Schade, wenn man mit Sätzen wie „Guck mal, was der für ein kleines Schlagzeug hat, lächerlich!“ seinen eigenen musikalischen Sachverstand zur Schau stellt und Dream Theater im nächsten Satz als „genial“ bezeichnet – unfreiwillig komisch.

Nach einer guten halben Stunde Umbau kam dann der große Moment, in dem die Hintergrundmusik ausgeschaltet wurde und die schwarzen Abdeckplanen vom Keyboard und dem überdimensional großen Schlagzeug von Mike Portnoy genommen wurden. Es ertönte ein Intro aus völlig unpassend zusammen geschnittenen Songfetzen aus der Bandgeschichte, ehe man bei den Synthietönen von „Overture 1928“ vom 1999er Konzeptalbum „Scenes From A Memory“ Halt machte und zunächst vier Gesellen die Bühne betraten und den Platz hinter ihren Instrumenten einnahmen. Mike Portnoy wieder einmal mit gefärbter, diesmal blauer Bartspitze und John „Muckibude“ Petrucci sogar wieder mit langen Haaren! Ohne Frage, nach dem misslungenen, unspannenden Intro war „Overture 1928“ ein genialer Opener, an den nach einem phänomenalen instrumentalen Feuerwerk dann auch gleich der folgende Song „Strange Deja Vu“ angehängt wurde, zu dem dann endlich auch Sänger James LaBrie – jetzt mit megafiesem Bart – die Bühne betrat. Die Menge rockte von Anbeginn mit, als gäbe es kein Morgen. Da wurde gesungen, gebangt und Luftgitarre gespielt. LaBrie hat leichtes Spiel, musste kaum zum Mitklatschen animieren, das Publikum lag den „Göttern“ zu Füßen. Soundtechnisch war das Keyboard anfangs etwas zu leise, das besserte sich aber spätestens mit dem nächsten Song, „Panic Attack“ von „Octavarium“. Zu meiner Schande muss ich gestehen, das Lied live noch nicht mal identifiziert zu haben, ich weiß nur, dass es mich nicht besonders gefreut hat, diese Nummer zu hören und ich mir schon Sorgen um die Setlist des restlichen Abends gemacht habe. Nach dem phänomenalen Bühnen-Entering war das einfach unpassend, zumindest für mich.

Da DREAM THEATER ja mit „Systematic Chaos“ Anfang Juni auch ein neues Studiowerk vorgelegt haben, gab es dann erstmal zwei Tracks davon: Das quasi-Metallica-Cover „Constant Motion“, bei dem das Publikum sichtlich Spaß daran hatte, mitzugröhlen und den Hetfield zu machen. Auch der Instrumentalpart kam enorm gut und hat derbe Laune gemacht. „Forsaken“ markierte dann den Melodic Metal-Teil des Sets, wurde aber auch hervorragend aufgenommen. Zu meiner eigenen Verwunderung – soviel sei schon mal vorweggenommen – blieb es bezüglich der Präsentation des neuen Studiowerks bei diesen beiden Tracks. Ein wenig seltsam, dass die Band nicht mehr neues Material spielen wollte, aber die Jungs kommen ja im Oktober schon wieder nach Deutschland zur Hallentour-Runde und da gibt es ja auch noch genug Gelegenheit die neuen Großtaten „Ministry Of Lost Souls“ und „In The Presence Of Enemies“ vorzustellen. Außerdem hatte die Band einen mehr als guten Grund, auf neuere Songs zu verzichten, wie die sicher über 4000 Leute auf dem Museumsplatz dann erfuhren.

Nach „Forsaken“ kündigte James LaBrie an, dass seit dem Release des erfolgreichsten und einflussreichsten Albums „Images And Words“ 15 Jahre vergangen seien und man sich deshalb dazu entschlossen habe, das Album in ausgewählten Städten in Gänze zu präsentieren! In diesem Moment müssen sich die wildesten Träume der anwesenden Hardcore-Fans erfüllt haben und ab diesem Moment gab es kein Halten mehr: Ich erspare mir wirklich einen genauen Bericht zu jedem Song. Die folgenden 60 Minuten waren einfach nur der musikalische Himmel auf Erden, das beste Progmetal-Album aller Zeiten wurde in einer Brillanz, Schönheit, Perfektion und epischen Breite aufgeführt, die ihresgleichen sucht. Das Publikum war außer sich: Ob shouten und bangen zu „Pull Me Under“, Feuerzeuge bei „Another Day“ und „Wait For Sleep“ oder sogar Pog-Action bei „Metropolis Part I“. Das war eine einzige Feier, eine einzige Party, eine einzige Anbetung! Von überall her schauten einen glückliche, lächelnde Gesichter an (insofern sie nicht von bewegten Haaren verdeckt wurden). Jeder einzelne Lyriczeile wurde mitgesungen, stellenweise war James LaBrie nur noch unter größter Anstrengung überhaupt zu hören. Beinahe zu schade, denn wie schon in Düsseldorf vor zwei Jahren legte der oft kritisierte Sänger an diesem Abend wieder eine blitzsaubere Performance hin. „Learning To Live“ als meiner Ansicht nach bester Longtrack der Band setzte dem ganzen dann am Ende noch die Krone auf. „Genial“, „geil“, „das ist das absolut Beste“, „wow“ und andere Superlative waren im Publikum um mich herum zu vernehmen. Besonders hervorheben möchte ich bei der Komplettaufführung die mit einem wunderschönen Gitarrensolo eingeleitete Version von „Surrounded“, die es so hoffentlich noch auf ein Livedokument schafft. DREAM THEATER sind nicht unbedingt eine Band, die für zutiefst emotionale Musik bekannt ist, aber hier haben sie eindeutig bewiesen, dass sie auch emotional können, wenn sie nur wollen.

Danach verschwanden die Jungs auch schon von der Bühne. Im Publikum versicherten sich die Leute gegenseitig „die spielen sicherlich noch ne Stunde“. Ich hätte ihnen zu gern recht gegeben, aber wie vorher zu lesen war, blieb es bei etwas mehr als zwei Stunden und es gab „lediglich“ noch zwei Zugaben: „The Spirit Carries On“ und „As I Am“. Es war natürlich unmöglich, die Stimmung noch zu steigern und so gab es mit ersterem zunächst die Möglichkeit zum Ausruhen und gemeinschaftlichen Armeschwenken, während bei „As I Am“ nochmal ordentlich ab-metallica-t wurde. Dann war der Traum leider auch schon vorbei – und das vermutlich einzige Konzert meines Lebens, auf dem ich eins meiner zwei absoluten Lieblingsalben komplett live hören durfte, war vorbei. Ein Erlebnis, dass ich wohl niemals vergessen werde.

Ich danke RIVERSIDE und DREAM THEATER für diesen fantastischen, denkwürdigen Abend, an dem ich eigentlich nur eins auszusetzen hatte: Eine Leinwand mit Live-Kamerabildern und Projektionen hat gänzlich gefehlt. Im Oktober gastieren DREAM THEATER mit Symphony X als Vorband übrigens wieder in Düsseldorf. Und wenn ich irgendwie Geld zusammenkratzen kann, werde ich auch dort wieder zugegen sein. Hoffentlich zusammen mit einer Leinwand und mehr Material von „Systematic Chaos“. Oder einfach mal „Awake“ komplett! Wie wärs?

Setlist Riverside:
– neuer Song vom kommenden Album “Rapid Eye Movement”
– Out of Myself
– Second Life Syndrome
– Lucid Dream IV (B-Seite der “02 Panic Room”-Single)
– The Curtain Falls

Setlist Dream Theater:
– Overture 1928
– Strange Deja Vu
– Panic Attack
– Constant Motion
– Forsaken
– Pull Me Under
– Another Day
– Take The Time
– Surrounded
– Metropolis Pt. 1
– Under A Glass Moon
– Wait For Sleep
– Learning To Live
———————————
– The Spirit Carries On
– As I Am

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